DFB und Politik: Heiße Luft mit warmen Worten

Der DFB verordnet sich eine Haltung. Ob er damit die Debatten einfangen kann, die den Verband regelmäßig überfordern, ist fraglich.

DFB-Chef Fritz Keller in Nahaufnahme

Gibt die Richtung vor: DFB-Präsident Fritz Keller Foto: Patrick Seeger / dpa/imago

„Die gesamte deutsche Gesellschaft ist überfordert“, so lautet die Überschrift des Meinungsbeitrags, geschrieben nicht von irgendeinem CDU-Fuzzi der zweiten Reihe, sondern von DFB-Präsident Fritz Keller in der Tageszeitung Die Welt. Es geht ihm um, nun ja, eigentlich alles. „Die politische Polarisierung ist ein Problem für den Fußball“, so Keller. Der DFB müsse daher ein Leitbild entwickeln, „einen übergreifenden Grundkonsens.“

Als Beispiel führt er das Thema Frauenrechte an und kündigt an, der DFB werde nicht mehr in Ländern antreten, wo Frauen „nicht gleichberechtigt und frei“ ins Stadion gelassen werden. Außerdem äußert Keller sich recht differenziert zu den Likes von Emre Can und Ilkay Gündoğan für den türkischen Militärsalut. Von den beiden fordert er mehr Sensibilität auf Social Media, räumt gleichzeitig aber ein: „Auch wir als DFB müssen uns kritisch hinterfragen, ob wir im Umgang mit dem Thema alles richtig machen.“

Es ist ein hoch spannender Text. Zunächst bemerkenswert insofern, weil sich da tatsächlich wieder ein DFB-Präsident konstruktiv mit der gesellschaftlichen Wirkung des Fußballs und dem Wirken der Gesellschaft im Fußball auseinandersetzt. Bemerkenswert auch, weil Keller einen nachdenklichen, demütigen Ton trifft und „auch Fehler“ einräumt, ein krasser Kontrast zum selbstherrlichen und gesellschaftlich völlig unbeholfenen Grindel.

Es ist eine Außendarstellung, die dem DFB nach den jüngsten PR-Katastrophen nicht mehr zuzutrauen war. Der nette, alte Fritz kehrt die Scherben auf und schwierigen Themen nicht den Rücken zu. Aber was will er eigentlich?

Equal Pay bleibt außen vor

Das Problem mit Kellers Text ist, dass er vor allem eine Luftblase ist. Fritz Keller hat die Dynamiken erkannt, die von allen Seiten am alten DFB zerren, und auch die nahezu Unmöglichkeit, angemessen darauf zu reagieren. Seine „Wir sind alle überfordert“-Attitüde schützt ihn trefflich davor, konkrete Veränderungen ankündigen zu müssen. Ein Grundkonsens bleibt nebulös. Denn dass der DFB nicht mehr in Ländern antritt, die Frauen nicht ins Stadion lassen, ist ja bloß zynisches Marketing: Es betrifft nur Iran und Saudi-Arabien, und wann noch ist Deutschland zuletzt in Saudi-Arabien angetreten?

Genau, nie. Länder boykottieren, deren Stadien von Arbeitssklaven errichtet werden, so etwas wäre Haltung. Eine Haltung ohne Schmerz und Risiken aber ist eben auch sehr billig. Zu den wirklich drängenden Gleichheitsthemen, Equal Pay für Nationalteams etwa, schweigt Keller wohlweislich. Schon sein Vorstoß zur Frauenförderung über Lizenzvorschriften wurde offenbar intern zurückgepfiffen. Statt Aufbruch verteilt der Grüßonkel warme Worte.

Warme Worte sind nun auch nicht das Schlechteste, vor allem in der Can-Gündoğan-Erdoğan-Debatte. Es sei „zu viel verlangt, dass ausgerechnet zwei Fußballnationalspieler mit türkischen Wurzeln die perfekte Lösung präsentieren sollen, die ein ganzes Land nicht findet“. Das ist ruhig und gut formuliert. Konterkariert wird es allerdings von Kellers bizarrer Idee, es müsse „einer unverhältnismäßigen Politisierung von Mannschaften Einhalt geboten werden“.

Wie das? Die Sehnsucht nach politischem Maulkorb offenbart die Hilflosigkeit des DFB. Debatten werden sich im hypermedialen Zeitalter kaum verhindern lassen. Je mächtiger der Fußball wird, desto mehr wächst die politische Einflussnahme auf ihn; und durch die sozialen Netzwerke sind Spieler keine frommen Teamkameraden mehr, sondern Influencer, deren Äußerungen sich der Kontrolle des DFB entziehen. Fritz Keller wird noch mehr Stürme erleben mit seinen Schäfchen. So richtige Antworten hat er dazu nicht parat. Immerhin, in einer Blütezeit testosterongesteuerter Narzissten hat er den Mut, zuzugeben, dass er überfordert ist.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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