Coronavirus und Beherbergungsverbot: Das Virus wird zur Geduldsprobe

Das Beherbergungsverbot kann als eine Art Ersatzhandlung gelesen werden. Es ist das kleinere Übel gegenüber einem erneuten kompletten Lockdown.

Eine Person in einem Auto bei einem Coronatest.

Wer lange wartet, kommt dran: Corona-Abstrich-Zentrum im Landkreis Esslingen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ein bisschen unwürdig klingt ja schon, was man aus Arztpraxen hört: PatientInnen, die künstlich husten, wenn sie das Sprechzimmer betreten, um als Menschen mit angeblichen „Symptomen“ den Coronatest von der Kasse bezahlt zu bekommen, den man braucht für den Urlaub. Hausärzte kommen sich vergackeiert vor.

Auch Hoteliers, die Buchungslisten durchgehen und versuchen, an der Postleitzahl zu erkennen, welche Gäste nicht anreisen dürfen und welche doch, zweifeln an Sinn und Verstand der neuen Coronaregeln. Jetzt, wo die Zahlen der Neuinfektionen hoch sind und sich die Intensivstationen wieder füllen mit Covid-19-Erkrankten, zeigt sich, dass immer auch die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen gegen das Virus auf dem Spiel steht.

Wobei die Politik in einem Widerspruch steckt: Mit drastischen Anordnungen wie dem Beherbergungsverbot, Sperrstunden oder Feierverboten erntet sie genervtes Kopfschütteln. Aber gleichzeitig werden die Leute wacher, ziehen die Masken wieder auf, meiden Menschenansammlungen. Was ja das Richtige ist im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Das Beherbergungsverbot mit seinen teilweise absurden Folgen kann dabei auch als eine Art Ersatzhandlung gelesen werden, es ist das kleinere Übel gegenüber dem, was wieder drohen könnte: der erneute komplette Lockdown, die Schließung von Schulen und Kitas, von Hotels und Gaststätten.

Einen zweiten monatelangen Lockdown will niemand, er wäre schlimm für Kinder, Eltern, Alte, Selbstständige, Kulturschaffende, Gastronomie. Stattdessen muss man sich in Deutschland vielleicht dafür entscheiden, etwas anderes zu akzeptieren: dass da etwas ist, das nur schwer zu kontrollieren ist, dass es Gewissheiten nicht gibt, die man gerne hätte. Als Anmerkung, ohne einen Vergleich ziehen zu wollen: Für Millionen von Menschen in Kriegsgebieten, Überschwemmungs­regionen, in Dürregebieten gehört eine Ungewissheit, eine Bedrohung zum Überlebensgefühl.

Vielleicht muss man in Corona-Deutschland jetzt eine im Westen sonst eher unpopuläre Tugend entwickeln: Geduld. Die Belastungen sind wieder da, das muss man aushalten. Es ist Aufgabe der Politik, Präventionen und Ausgleichsmaßnahmen zu entwickeln. Kleine Schritte, Improvisation, auch Versuch und Irrtum – wie das Beherbergungsverbot – gehören zu Zeiten, in denen man eine Bedrohung nicht mal eben aus der Welt schaffen kann. Wie man an der zweiten Welle sieht, hat das Aus-der-Welt-Schaffen nicht geklappt. Aber das mit der Geduld, das müsste zu schaffen sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.