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Coronavirus im Vereinigten KönigreichTagsüber bitte mehr Haltung

Angst und Sorgen wegen der Ausbreitung des Coronavirus kann man haben. Aber wenn Panik Politik bestimmt, dann ist das problematisch.

Hatte selbst Covid, ist aber wieder genesen: Boris Johnson Foto: Tolga Akmen/ap/dpa

D as mit dem mutierten Virus sei doch nur ein leicht durchschaubarer Vorwand, mailt ein Freund aus London. Boris Johnson habe gemerkt, dass es ein Fehler war, sich nicht an Empfehlungen der Wissenschaft zu halten und den Lockdown in Großbritannien schon früher verschärft zu haben. Nun bräuchte er einfach eine halbwegs überzeugende Begründung für seinen scharfen Kurswechsel. Die Mutation sei für ihn enorm praktisch.

Praktisch finden die auch andere Leute, allerdings nicht für den britischen Premierminister. Sie sehen ganz andere Interessen am Werk: „Das ist alles ein Trick, um Druck auf Boris auszuüben, damit er einen schlechten Deal für das Vereinigte Königreich akzeptiert. Gib der Erpressung nicht nach, Boris!“ So ein Leserbrief in der Daily Mail, nachdem mehrere europäische Länder die Grenzen nach Großbritannien dicht gemacht hatten. Ein anderer: „Brexit-Erpressung von EU-Ländern!“

So sehen parallele Universen aus. Zwischen diesen beiden Standpunkten liegen Welten. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten: Beide, sowohl mein Freund als auch die Autorinnen oder Autoren der Leserbriefe, trauen der Exekutive ziemlich viel Raffinesse zu. Sie denken, dass deren Führungsspitzen imstande sind, eine – in ihren Augen relativ unbedeutende – Nachricht schlau zu nutzen und für eigene Zwecke einzusetzen.

Schön wär’s. Ich beneide alle, die das noch für möglich halten. Würde es doch bedeuten, dass auch in der gegenwärtigen Krise politisches Handeln für planbar gehalten wird, eine Intrige sich lohnt und die Zukunft berechenbar erscheint. Meinem Eindruck nach kann davon täglich weniger die Rede sein.

taz am wochenende

Nach einem Jahr voller Abstand und Kontaktbeschränkungen widmen wir uns in unserer Weihnachtsausgabe dem Gefühl, ohne das 2020 wohl erst recht nicht auszuhalten gewesen wäre: der Liebe. Muss man sich wirklich selbst lieben, um geliebt werden zu können? Hilft der Kauf eines Flügels bei der Auseinandersetzung mit dem Kind, das man einmal war? Und was passiert eigentlich mit all den Lebkuchenherzen, die nicht auf Weihnachtsmärkten verkauft werden konnten? Ab Donnerstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Sowohl zur britischen wie auch zur kontinentaleuropäischen Reaktion auf die Mutation des Coronavirus fällt mir nur ein einziges Wort ein: Hysterie.

Passagiere werden stundenlang unter Polizeibewachung auf Flughäfen eingesperrt, weil sich binnen weniger Stunden die Vorschriften so geändert haben, dass sie von den Reisenden schlechterdings nicht erfüllt werden konnten? Viele tausend Lastwagen stauen sich zwischen Frankreich und Großbritannien und kommen weder vor noch zurück? Und all das wegen einer Virusmutation, die seit Monaten bekannt ist, sogar der Weltgesundheitsorganisation WHO, und die längst auch auf dem europäischen Festland angekommen ist? Nein, das scheint mir nichts, aber schon wirklich gar nichts, mit rationalem Verhalten zu tun zu haben. Leider.

Internationale Virologen äußern sich abwägend und zurückhaltend. Die EU-Kommission hat sich mittlerweile gegen strikte Grenzschließungen ausgesprochen und Frankreich hat die eilends verfügten Reisebeschränkungen wieder gelockert. All das ist erfreulich. Es ist ermutigend, wenn zumindest einige Leute erst einmal Luft holen, bevor sie dramatische Maßnahmen verkünden. Oder wenn sie zur Kurskorrektur fähig sind. Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber.

Nicht, dass ich Angst nicht verstünde. Ich habe selber Angst. Privat. Und ich fände es völlig in Ordnung, wenn der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn, der britische Premier Boris Johnson oder Trump oder Merkel oder Macron oder wer auch immer nachts von ihren Ängsten geschüttelt würden. Das geht uns nichts an.

Aber tagsüber: Bitte etwas mehr Haltung und Vernunft. Dafür sind Sie gewählt worden. Und niemand – wirklich niemand – befolgt Ratschläge von Leuten, die erkennbar unter Panikattacken leiden. Deshalb haben die eiligen, allzu eiligen Reaktionen auf die britische Virusmutation der Bekämpfung der Pandemie eher geschadet.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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27 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Und all das wegen einer Virusmutation, die seit Monaten bekannt ist, "

    Ist dem so? Laut den Medien tauchte aber DIESE Virusmutation, die 70% infektiöser als die bisherigen sein soll, erst vor einigen Tagen auf. Und wenn im Januar d. J. auf allen internationalen Flughäfen mit Flügen und Passagieren aus China genauso verfahren worden wäre wie jetzt, dann wäre uns vielleicht eine Pandemie von dem Ausmaße in Europa erspart geblieben.

    • @Jossi Blum:

      > Laut den Medien tauchte aber DIESE Virusmutation, die 70% infektiöser als die bisherigen sein soll, erst vor einigen Tagen auf.

      Das ist nicht genau berichtet. Die Variante ist schon früher identifiziert worden und aufgefallen, weil sie an deutlich mehr Stellen mutiert ist als andere Varianten. Aber die Gesamtzahl der Variationen ist ziemlich hoch, und man kann den genetischen Code nicht so einfach lesen und verstehen, es ist zunächst mal eine Art Buchstabensalat. Aber man hat die Variante beobachtet, festgestellt dass der Anteil zunimmt, und ist sich jetzt zunehmend sicher, dass sie sich in der Tat schneller verbreitet.

      Originalquellen:

      www.gov.uk/governm...sars-cov-2-variant

      Erklärung:

      www.newscientist.c...navirus-in-the-uk/

      Presse:

      www.nytimes.com/20...us-uk-variant.html

      • @jox:

        Zum Zeitpunkt der Identifizierung:

        www.gov.uk/governm...ariant-of-covid-19

        "As of 13 December, 1,108 cases with this variant have been identified, predominantly in the South and East of England."

        Das ist aus dem Bericht vom 14.12. Die Zahl der Fälle hat also sehr sehr schnell zugenommen, auch in London, wie die Mutation zuletzt 60 % der Fälle ausmachte.

        Dieser Link zeigt, wie schnell der Anteil an den gesamten Infektionen zunimmt:

        twitter.com/The_So...9639946629120?s=20

        Nur zur Erinnerung, das sind alles keine wissenschaftlichen Endergebnisse sondern erste Anhaltspunkte, und die Interpretation kann sich noch sehr schnell ändern.

        Aber, ich finde den Begriff "Hysterie" nicht angemessen. Es gibt sicherlich Aspekte, die momentan weder Laien wie ich noch Experten verstehen, aber ein so schnelles Wachstum würde, sofern es nicht bloß auf unvorsichtiges Verhalten / unzureichendes Social Distancing zurückzuführen ist, eine qualitativ neue Phase der Pandemie bedeuten, in der solche Dinge wie Schulunterricht nicht mehr sicher möglich sind.

        Die Einschätzung muss aber von Experten kommen, man sollte aber dann dieses eine Mal dringend auf diese hören, denn es gibt keine Zeit für mehr Freischüsse. Und die Experten könnten uns mal den Gefallen tun, Klartext zu reden, vielleicht sollten sie mal Greta Thunberg anhören um zu sehen, wie eine Übersetzung von Ergebnissen in allgemeinverständliches Deutsch aussieht.

        • @jox:

          "Aber, ich finde den Begriff "Hysterie" nicht angemessen."

          "Hysterie" bedeutet ursprünglich: sich irrational verhalten "wie eine Frau". Kommt von Altgriechisch hystera "Uterus". Ich vermeide diesen Begriff deshalb generell. Sein einzig positiver Aspekt ist, dass er zur Erfindung des Vibrators geführt hat...

        • @jox:

          Und jetzt:

          76 % der Infektionen.

          twitter.com/The_So...341338343603396609

          Aber wie gesagt, verifizieren Sie diese Informationen erst einmal bevor sie schwerwiegende Entscheidungen fällen. Nicht gleich aus dem Fenster hüpfen.

  • Die internationalen Organisationen leben davon, dass Sie jede Abschottung ablehnen. Das ist im Prinzip auch sinnvoll, leider scheitert das an den Gruppeninteressen. Sinnvoll erscheint er natürlich. In der Pandemie existiert aber ein anderes Problem, der mobile Mensch ist ein Virusträger und je mobiler er ist, um so größer ist die Verbreitung. Es gibt wenige eindeutige Erkenntnisse, aber speziell das ist eindeutig. China hat Abschottung in einer für uns unvorstellbaren Form durchgeführt und damit Erfolge verzeichnet. Die Unterstellung von Angst oder besonderer Klugheit eine Situation zu nutzen, erscheint hier vollkommen Fehl am Platz. Ich habe leider noch nicht herausgefunden, wo der Intellekt von Boris agiert. Alles deutet aktuell auf eine Bruchlandung von England hin. Obwohl ich Herrn Drosten als Wissenschaftler schätze, hat er mit seinen Meinungsänderungen gut gezeigt, das Entscheidungen immer ein Fehlerpotential haben. Da erscheinen mir Politiker nicht besonders schlecht. Wissenschaftler entscheiden aber nichts und können am nächsten Tag einen anderen Vorschlag unterbreiten.

  • Zunächst mal zu Emotionen, der Neurobiologe Antonio Damasio hat recht überzeugend gezeigt, dass Emotionen untrennbar verknüpft sind mit kognitiven Funktionen. Letztlich existieren sie, weil sie die Chancen eines Lebewesens, mit seiner Umwelt zurechtzukommen, verbessern. Und Angst ist nun mal eine Emotion, die vor möglichen und tatsächlichen Gefahren warnt und anzeigt, dass eine Situation nicht sicher ist. Das ersetzt keine rationale Bewertung und Erörterung der Situation. Aber der Vorwurf. eine Reaktion sei rein angstbasiert, umgeht gerade die rationale Erörterung, ähnlich wie ein ad-Hominem Argument an der objektiven Beurteilung einer Sache vorbei geht.

    Die Frage ist also, ob die Schreiberin da eventuell bessere Argumente hat?

    Die Grenze weitgehend zu schließen ist nach meiner Einschätzung _keine_ Überreaktion. Denn die Lage ist zwar sehr schwer einzuschätzen, wir wissen aber mittlerweile, dass in Großbritannien erstens sich die Anzahl der Infektionen in den letzten drei Wochen mehr als verdoppelt haben - infolge eines Lockdowns, der sie zunächst kräftig reduziert hat.

    Weiter wissen wir, dass die neue Variante, die B.1.1.7 oder VOC-2020/12/01 zuerst in Kent aufgetaucht ist, und mittlerweile in London 60% der Fälle ausmacht und schnell weiter zunimmt - selbst in Schottland ist deren Inzidenz inzwischen 15%. Das geht aus den Berichten auf der BBC Webseite hervor. Mit anderen Worten, die bisher dominierende Variante nimmt infolge des Lockdowns ab, die neue Variante nimmt aber zu.

    Und das legt sehr sehr nahe, dass sie auch auf dem europäischen Kontinent in etwa 4 Wochen zu einer massiv steigenden Zahl von Fällen führen wird, die noch weit über den schon katastrophal hohen jetzigen Stand hinausgeht.

    Panik-gesteuerte Aktionen sind sicher nicht angebracht. Aber schnelles, massives Eingreifen, um die ganzen Desaster von Wuhan, der Lombardei, Heinsberg, Ischgl nicht zu wiederholen, mit dem Preis weiterer zehntausender Toter, ist erheblich rationaler als nixtun.

    • @jox:

      Was man weiter berücksichtigen muss: Die WHO sagt zwar im Frühjahr, dass Reisebeschränkungen nicht wirkungsvoll seien. In der Tat können diese keine wirkungsvollen lokalen Maßnahmen ersetzen.

      Ob die WHO da Recht hat, kann man mit gutem Grund bezweifeln:

      Das Beispiel von Ländern wie Australien, Neuseeland, Taiwan, Vietnam, und Finnland zeigt aber, dass Reisebeschränkungen zusammen mit obligatorischer Quarantäne von Einreisenden offensichtlich doch ein wichtiger Schlüssel sind, um zu verhindern, dass lokale Ausbrüche überhaupt auftreten und die Kontaktverfolgungskapazitäten der jeweiligen Gesundheitsbehörden nicht überrollt werden.

      Man könnte zwar einwenden, dass einige (nicht alle!!) der genannten Länder aufgrund ihrer geographischen Lage leichter zu isolieren sind. Aber erstens bekräftigt dies nur, dass ein zeitweise Beschränkung von unkontrollierten Einreisen wichtig ist. Und zweitens hat diese die erfolgreiche Strategie dieser Länder, das Virus möglichst vollständig zu unterdrücken, im Weiteren erst ermöglicht.

      Nicht folgen kann ich dem Argument, solche Beschränkungen seien pauschal schlecht für die Wirtschaft. Sie sind natürlich schlecht für Sektoren wie internationalen Tourismus. Nur, hilft die jetzige Situation den Kanaren?

      Der Wirtschaft der oben genannten Länder, und auch Chinas, geht es dagegen inzwischen weit besser als der der westeuropäischen Länder, die sich von einem Lockdown zum nächsten handeln. Neuseeland hat dieses Jahr sogar ein Wirtschaftswachstum, auch wenn Tourismus dort wirtschaftlich wichtig ist (jeder zehnte Arbeitsplatz, also mehr als D).

    • @jox:

      Hier Links aus der britischen Berichterstattung als Belege über die massiv steigende Verbreitung der neuen Variante:

      twitter.com/The_So...340349639946629120

      ichef.bbci.co.uk/n...th_ra_23dec-nc.png

      www.bbc.com/news/uk-51768274

      www.bbc.com/news/live/world-55435558

      www.bbc.com/news/health-55388846

      • @jox:

        Danke für Ihre Versachlichung dieses Themas. Das wahrscheinlich beste Mittel gegen Panik aller Art.

        • @Rainer B.:

          Danke!

          Hier noch ein etwas nuancierterer Artikel, dessen Autor die Experten mal fragt:

          www.nytimes.com/20...irus-variants.html

          • @jox:

            Nun - was man mit Sicherheit sagen kann ist, dass Reisetätigkeit die Ausbreitung von Viren tendenziell immer begünstigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Variante bereits auch hier kursiert, ist deshalb sehr hoch und damit sind auch Grenzschließungen sehr wahrscheinlich schon zu spät. Man müsste tatsächlich vorher genau wissen, wer von den Einreisenden diese Variante mitbringt, um sie dauerhaft und effektiv fernhalten zu können. No chance! Viren sind anpassungsfähiger als Menschen und deshalb gewinnen sie das Rennen immer - bis auf Weiteres.

            • @Rainer B.:

              > Viren sind anpassungsfähiger als Menschen und deshalb gewinnen sie das Rennen immer - bis auf Weiteres.

              Nun, wie gesagt, wie haben es unter anderem geschafft, Polio, Tollwut, Pocken, und noch eine Reihe von sehr schlimmen Krankheiten mehr auszurotten. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst. wie gross die Leistungen der Medizin sind - an Tollwut zu erkranken, wäre auch heute noch ein Todesurteil, und Polio hat zur Lebenszeit meiner Großmutter ganze Dörfer im bergischen Land heimgesucht, mit herzzerbrechenden Folgen.

              Übrigens können wir uns auch nicht darauf verlassen, dass Corona langfristig für Kinder ungefährlich bleibt, auch das könnte sich durch eine Mutation sehr schnell ändern, und man kann wohl auch bisher noch nicht sicher sagen, ob es bei Kindern nicht doch erhebliche versteckte Spätfolgen gibt, etwa im Nervensystem.

            • @Rainer B.:

              > Man müsste tatsächlich vorher genau wissen, wer von den Einreisenden diese Variante mitbringt, um sie dauerhaft und effektiv fernhalten zu können. No chance!

              Man könnte das durch Tests ermitteln. Die britischen PCT Tests testen die Existenz von drei Stellen des Genoms des Virus, und eine dieser Stellen gehört zufällig zu den durch die Mutation veränderten, so dass der Test noch ein positives aber merkbar anderes Ergebnis hat.

              Allerdings macht es gar keinen Sinn, Leute nur auf die neue Variante zu testen, denn wir müssen ja sowohl die neue als auch die bisher dominante Vatiante unterdrücken. Die Mittel der Wahl sind daher vermutlich eine zwingende 10-tägige Quarantäne bei der Einreise, in einem Quarantäne-Hotel, und zwei Tests in zeitlichem Abstand. Und wenn man dann eine Infektion mit der alten Variante auffindet, macht es null Sinn die Person nicht in Quarantäne zu behalten. Hier sollte Gemeinnutz vor Eigennutz gehen.

              Man sollte auch nicht essentielle Einreisen zurück fahren und mit Auflagen versehen. Das ist zwar für die Reisenden eine Einschränkung, aber demgegenüber ist der wirtschaftlcihe Schaden durch monatelange Lockdowns ganzer Bundesländer - und dies ist die Alternative - viel zu groß. Ich darf ja auch nicht mein Altöl in die Talsperre entsorgen, weil's so für mich billiger ist. Und ich darf auch nicht mit 150 auf der linken Spur über die Autobahn heizen, mit dem Argument dass in Verbot meine Freiheit einschränken würde. Ein bißchen Spaß zu haben ist kein höheres Gut als das Leben und die Gesundheit meiner Mitbürger, und darum geht es bei touristischen Reisen ohne Quarantäne.

              > Viren sind anpassungsfähiger als Menschen und deshalb gewinnen sie das Rennen immer - bis auf Weiteres.

              • @jox:

                Korrektur:



                Nicht "PCT Tests", sondern PCR Tests (von Polymerase Chain Reaction).

                (Wer sich für Details interessiert, findet im Twitter-Feed von Karl Lauterbach viele weitere Informationen und Links auf Artikel aktiver Wissenschaftler).

            • @Rainer B.:

              Es ist ein bißchen so, wie wenn sie im Sommer in Südfrankreich in einem Bungalow sind, die Tür steht offen, und draußen gerät ein Busch in Brand, Funken wehen hinein und setzen ein Stück von der Gardine in Brand. Es ist sicher besser, drinnen schnell zu löschen. Es macht aber auch Sinn, zuerst mal die Tür zu schließen, damit nicht weitere Dinge drinnen in Brand geraten. Die Ausbreitung von Corona und die Ökonomie ihrer Bekämpfung hat mathematisch sehr viel Ähnlichkeit mit der Bekämpfung eines Brandes. Je früher und entschlossener man bekämpft, desto schneller kann man das Feuer ersticken, die Gefahr bändigen, und die materiellen Schäden reduzieren. Je länger man wartet, desto schlimmer wird es.

              Ich halte eine ZeroCovid-Strategie (auch Suppressionsstrategie), wie hier beschrieben, für die richtige Lösung:

              carta.info/zero-co...fnung-ist-moglich/

              So eine Strategie ist nicht nur hypothetisch wirksam, es ist das was Länder wie Thailand, Vietnam, Südkorea, Australien, Neuseeland und Finnland längst machen (ganz zu schweigen von China, dessen Gesamtzahl der Coronatoten mittlerweile weniger ist als die Toten Berlins).

              So eine Strategie ist auch historisch erprobt und wir verfolgen sie auch sowieso bei anderen Seuchen, insbesondere Polio, Pocken, Tollwut, und Ebola (und Pocken sind beispielsweise ebenfalls extrem ansteckend). Es geht also wenn man will. (Und wenn Vietnam, Taiwan und Thailand das können, kann Deutschland das wirtschaftlich auch, denn Deutschland ist viel reicher und gleichzeitig anteilig weniger auf Tourismus angewiesen).

              • @jox:

                Und noch ein Detail, eine Sache, die Länder wie Thailand, Australien oder Taiwan machen, die sehr effektiv ist, und die sie machen können, weil sie viel geringere Zahlen haben, ist dass sie Kontaktverfolgung in beide Richtungen machen - vorwärts und rückwärts. Man verfolgt also erst, wen die positiv getestete Person nach ihrer Inkubationszeit angesteckt haben könnte, dann verfolgt man wer sie *vor ihrer Inkubationszeit* angesteckt haben könnte (das geht z.B. mit Antikörpertests), und dann verfolgt man wiederum, wen diese Personen angesteckt haben können.

                Diese Strategie ist hoch effektiv, aus einem nicht so offensichtlichen Grund: Weitaus die meisten Coronainfektionen finden in Clustern statt, sehr wenige unter den Infizierten stecken sehr viele der nächsten Generation an. Wenn man noch den Ursprung beliebiger Infektionen in der Kette rückwärts verfolgt, ist die Chance sehr sehr hoch, dass man auf solche Cluster stößt, die noch unentdeckt sind, und es ist dann eine hoch effektive Maßnahme, die zu isolieren.

                Und das ist es, was die ostasiatischen und Pazifischen Länder machen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, wie in dem jeweiligem Land das Wahlsystem oder das Klima ist oder ob die Leute Milch trinken. Das hat einzig und allein damit zu tun, dass man Herrgott noch mal auf die Wissenschaftler hört.

                Und ich verstehe auch nicht, in was für einem Paralleluniversum ich gelandet bin, dass ich so was als angewandter Physiker in einem zweitrangigem Zeitungsforum schreiben muss, und die ganzen linken und Mainstream und Wirtschaftsmedien ihren Lesern solche eigentlich sehr essentiellen Zusammenhänge nicht schon vor acht Monaten auseinander gelegt haben. Dafür sind, verflixt noch mal, die Medien doch da?!! Was bringt mir das, wenn ich in der taz den x-ten Bildbericht über eine Demo der Coronaleugner lese - das nimmt nur Platz und Aufmerksamkeit weg für wirklich sinnvolle Information wie die obige.

            • @Rainer B.:

              Sie nennen einige Punkte, denen ich zustimme, und andere, denen ich widersprechen möchte. Da mir das Thema wichtig ist, gehe diese einmal Punkt für Punkt durch:

              > Nun - was man mit Sicherheit sagen kann ist, dass Reisetätigkeit die Ausbreitung von Viren tendenziell immer begünstigt.

              Da bin ich uneingeschränkt einverstanden.

              > Die Wahrscheinlichkeit, dass die Variante bereits auch hier kursiert, ist deshalb sehr hoch

              Das sehe ich auch so, ich sehe es als wahrscheinlich dass es bereits einige Dutzend Fälle in Deutschland gibt, nicht zuletzt aufgrund von Weihnachtsbesuchen aus London, denn diese machen einen hohen Anteil des Reiseverkehrs aus.

              > und damit sind auch Grenzschließungen sehr wahrscheinlich schon zu spät.

              Dem möchte ich widersprechen. Wenn zum Beispiel gerade 50 Personen, die mit der mit der neuen Variante infiziert sind, nach Deutschland gekommen sind, kann man diese jetzt immer noch nachvefolgen, in Quarantäne stecken und testen lassen.

              Vielleicht fängt man nicht alle der Infizierten ein, aber es ist ein riesiger Unterschied, ob man dann einen "Brandherd" hat, oder 50. Oder ob man noch Wochen wartet und dann 500 hat, denn die Zahl der "neuen" Infektionen wächst momentan in Großbritannien sehr schnell.

              Das Ganze gilt nicht nur trotz, sondern gerade wegen der exponentiellen Ausbreitung der neuen Variante: Geschätzt wird, dass diese pro Woche um 50 bis 100% zunimmt. Nimmt man ein wenig vereinfacht eine Verdoppelung jede Woche an, sind das zuerst wenige, aber schnell extrem viele: Ausgehend von einer Person wären das nach 4 Wochen 16 Personen, nach 8 Wochen 256, nach 12 Wochen 4096.

              Schon das wäre schon schwierig zu verfolgen. Wenn man dagegen mit 50 Personen anfängt, wäre man nach 12 Wochen bei 204800 Personen - das ist ein riesiger Unterschied.

              • @jox:

                Gestern hörte ich im Radio, dass die Variante bereits in Deutschland sicher nachgewiesen werden konnte. Wo eine Infektion nachweisbar ist, sind garantiert auch noch weitere. Natürlich muss man testen, nachverfolgen und isolieren, wo immer es geht. Ich fürchte nur, die Kapazitäten reichen schon jetzt gar nicht mehr dazu aus und Grenzschließungen ohne diese begleitenden Maßnahmen sind deshalb am Ende nicht zielführend bzw. sogar kontraproduktiv, weil endlose Staus vor den Grenzen zwangsläufig auch nach einiger Zeit zu einem mehr an Kontakten führt, obwohl ja Kontaktvermeidung angesagt ist. Der Unterschied ist schon klar, aber wer kann denn heute noch ausschließen, dass hier nicht längst 50 und mehr Träger dieser Virusvariante unterwegs sind? Eine Fokussierung auf die Grenzen ist da letztlich nur willkürlich.

  • Einen ähnlichen Artikel könnte man auch Ende Januar geschrieben haben, man muss nur den Lockdown für "Großbritannien" durch "Wuhan" ersetzen und die "britische Virusmutation" durch das "neue chnesische Coronavirus".

    Alles halb so wild, das neue Virus/die neue Variante geht an uns in Deutschland vorbei, das Leben geht so weiter wie bisher, es gibt keine Pandemie/keine erhöhte Gefährdung.



    Untersuchen müssen wir auch nur die Reisenden aus England, nicht etwa die aus Ischgl oder heute unsere Tests auf die neue Variante abstellen.

    Nichts gelernt?

    • @meerwind7:

      > Alles halb so wild, das neue Virus/die neue Variante geht an uns in Deutschland vorbei, das Leben geht so weiter wie bisher, es gibt keine Pandemie/keine erhöhte Gefährdung.

      Mit der Einstellung können wir hier bald wie die New Yorker die Leichen in Kühl-LKW stapeln, wenn die Krankenhäuser keinen Kühlraum mehr frei haben.

  • Seit Wochen reagiert die Deutsche Politik hauptsächlich im Panikmodus. Wie sonst sind nächtliche Ausgangssperren, Reiseverbote usw. zu rechtfertigen. Die Zielrichtung des Artikels erschließt sich mir nicht.

  • Hm. Nun. Wären tatsächlich „nur“ der Freund der Autorin oder die Lesrebrief-Schreiber*innen überzeugt, die „Führungsspitze“ der „Exekutive“ sei raffiniert (und egoistisch) genug, eine „relativ unbedeutende Nachricht“ für „eigene Zwecke“ einzusetzen, wäre das zwar immer noch schlimm genug aber es wäre noch kein ganz großes Drama. Ich denke nur: Schön wär’s!

    Auch ich bin manchmal etwas neidisch. Auf Leute beispielsweise, die Typen wie Boris Johnson oder Emanuel Macron die „Hysterie“ abkaufen, die sie (mit tatkräftiger medialer Unterstützung) in Richtung ihrer Untertanen zelebrieren. Mir fällt das nämlich zunehmend schwerer. Ich fürchte sehr, dass diese Herrschaften sich immer noch ganz stark selbst überschätzen. So was passiert, wenn einem permanent gelobhudelt wird und alle immer machen was man sagt.

    Boris Johnson und seine Amtskollegen halten sich vermutlich für besonders schlau. Sie glauben ernsthaft, dass sie ihre Ziele noch erreichen werden, wenn sie das, was sie schon etliche Jahre tun, anlässlich von Corona auf die Spitze treiben. Sie hoffen immer noch, sie könnten Kapital schlagen aus einer Hysterie, die eigentlich gar nicht die ihre ist (angeblich waren sie ja längst selbst infiziert), die aber doch für sie arbeiten soll. Wie immer alle arbeiten für sie.

    Das Problem ist: Eine Hysterie hat keine eignen Ziele. Sie ist nicht korrumpierbar, reißt sich also auch nicht selbst zusammen, wenn das ein Machthaber von ihr fordert. Einmal von ihrer Leine losgemacht, lässt sie sich auch von arroganten Machos nicht mehr lenken. Sie wird den „großen Jungs“ (und Mädchen), die nur Grenzen andrer erkennen wollen, vermutlich ihren Stinkefinger zeigen. Und wenn die Teenager im Hermelin begreifen, dass ihr Intrigen-Stadel sich für sie selber gar nicht lohnt, dass sie die Zukunft einfach falsch berechnet haben, wird es nicht nur für sie zu spät sein. Dann erst wird wirklich die Hysterie ausbrechen. Auch unter den vier Gewalten. So war das bisher jedes Mal, oder?

    • @mowgli:

      Die Kluft zwischen den Wissenschaftlern in Großbritannien, die immer noch Weltklasseleistungen bringen, und den Regierungen, denen auch im eigenen Land immer mehr jede Glaubwürdigkeit abhanden kommt, könnte nicht größer sein.

      Die Leistung der Wissenschaftler ist ein gutes Beispiel, warum auch wir die Kooperation mit den Einwohnern Großbritanniens dringend auch in Zukunft brauchen.

  • Danke, sehe ich ähnlich. Was soll dieser aufgekratzte Irrsinn? Dass Viren mutieren ist doch wirklich nichts neues und schon im März waren SarsCov2 - Varianten unterwegs, inzwischen hunderte.

    • @domsk:

      Dass dieses Virus irgendwie mutiert, ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass es sich anscheinend noch erheblich schneller verbreitet. Ist das so, dann dürfte das die weltweite Zahl der Toten erheblich nach oben treiben. Und schon jetzt hat Berlin mehr Corona-Tote als ganz China und Deutschland marschiert gerade auf über 50,000 Todesopfer zu - denn von der Kurve der hohen Infektionszahlen müssen wir ja auch erst einmal wieder herunter kommen, das wird Zeit brauchen, und ein Teil der Infizierten wird es nicht überstehen.

  • Ja, das haben Sie Frau Gaus sehr richtig zusammengefasst. Alle verantwortungsvollen Politiker haben Angst etwas falsch zu machen und überziehen uns daher mit teilweise kontarproduktiven Maßnahmen. Ich darf jetzt nachts keinen Spaziergang mehr machen, obwohl ich dabei am besten Abstand halten kann und Sterne sehe. Vermutlich ist die dunkle Nacht für Politiker mit Personenschutz unvorstellbar angstbehaftet.