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Coronapolitik von Bund und LändernKopflos gegen das Virus

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Der Wegfall der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte in Quarantäne ist kontraproduktiv. Kaum jemand wird sich dann noch testen lassen.

Gewerkschaften kritisieren eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ Foto: Fabian Sommer/dpa

K eine Frage, immer noch sind zu wenige in Deutschland gegen Corona geimpft. Wie aus einer anderen Zeit klingt heute das große Lamentieren vom Frühjahr über die vermeintlich zu behäbige Impfstoffbeschaffung. Impfstoff gibt es längst genug, dafür aber mangelt es an der Bereitschaft allzu vieler, ihn auch zu nutzen. Wer sich die Zahl der vollständig Geimpften in Dänemark, Belgien oder Portugal anschaut, kann schnell erkennen, wie schlecht die Impfkampagne hierzulande läuft.

Die Bundesrepublik, die sonst so gerne bei allem an der Spitze steht, ist ausgerechnet hier nur jämmerlicher Durchschnitt. Und ja, es ist absolut notwendig, alles dafür zu tun, das zu ändern. Selbstverständlich ist es ärgerlich, wenn sich Menschen mutwillig oder aus Bequemlichkeit nicht nur nicht für den eigenen Schutz interessieren, sondern auch die Gefährdung ihrer Mitmenschen billigend in Kauf nehmen.

Wie schön wäre es, die Pandemie endlich Pandemie sein lassen und sich wieder erbaulicheren Dingen des Lebens widmen zu können! Doch das wird so lange nicht möglich sein, wie sich nicht ein ausreichend großer Teil der Bevölkerung bereit zum verantwortlichen Handeln zeigt. Aber was folgt daraus? Die Bundes- und die Länderregierungen gleich welcher politischer Couleur setzen darauf, Schritt für Schritt den Druck auf die Impfmuffel zu erhöhen. Dabei agieren sie jedoch zunehmend kopflos.

Ergibt das Sinn? Natürlich nicht.

Ein Beispiel dafür ist, wenn – wie in Berlin geschehen – bei der Einführung der 2G-Regel für den Besuch bestimmter Einrichtungen und Veranstaltungen Ausnahmeregeln für Kinder oder Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, einfach vergessen werden. Ein anderes, noch gravierenderes Beispiel ist der Wegfall der Lohnfortzahlung für ungeimpfte Beschäftigte, die sich auf behördliche Anweisung in Corona-Quarantäne begeben müssen.

In Baden-Württemberg gilt dieser Akt schwarzer Pädagogik seit Mittwoch, andere Bundesländer werden folgen. Die Gewerkschaften beklagen eine „Impfpflicht durch die Hintertür“. Aber wird das Ergebnis tatsächlich sein, dass sich nun alle Beschäftigten impfen lassen? Einige vielleicht. Bei den anderen wird die Folge eher sein, dass sie sich einfach nicht mehr testen lassen, um so einem drohenden Verdienstausfall zu entgehen.

Dass ab Oktober die Coronatests kostenpflichtig werden, spielt dann auch keine Rolle mehr. Beide Maßnahmen sind kontraproduktiv, denn sie bergen die Gefahr, dass das Infektionsgeschehen unübersichtlicher wird und sich entsprechend das Risiko für die Allgemeinheit erhöht. Ergibt das Sinn? Natürlich nicht.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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7 Kommentare

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  • Früher haben wir gewusst:



    "Die Dummen sterben niemals aus"



    heute sind wir schlauer:



    "... und haben beste Chancen auf einen Sitz in den Parlamenten"

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Zustimmung in Sachen Kopflosigkeit.

    Von Hähnen und Hühnern ist bekannt, dass sie eine Zeitlang ohne Kopf existieren können.

    Ob wir Menschen das noch toppen können?

    Wundern täte mich das in diesen Zeiten nicht wirklich.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Diese Leute lassen sich jetzt schon nicht testen. Und beim Malle Urlaub kommt man nicht daran vorbei. Das ist eine gute Entscheidung!

  • Sehe ich als Arzt exakt genau so wie der Autor des Artikels. Tests kostenpflichtig zu machen und die Lohnfortzahlung in Quarantäne auszusetzen, ist das absolut dümmste was man zur Pandemiekontrolle tun kann. Es wird so sein, dass nur noch Leute mit schwerer Covid-Erkrankung getestet werden, wenn sie ins Krankenhaus kommen. Oder besser: Falls, denn selbst die werden dann lieber mit Luftnot und Husten arbeiten gehen, als einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Mehr Stigmatisierung von Infektionskrankheiten ist das beste Rezept für deren unkontrollierte Ausbreitung.

  • "...sondern auch die Gefährdung ihrer Mitmenschen billigend in Kauf nehmen."



    Warum gefährde ich als gesunder negativ getesteter Mensch meine Mitmenschen?



    Weil ich der gerade populären Meinung nicht entspreche?



    Warum werden Testungen auch im Herbst nicht weiter kostenfrei durchgeführt, um das Infektionsgeschehen, durch Geimpfte und Genesene im Blick zu haben? Warum verzichtet das Gesundheitsministerium auf dieses Analyse- und Schutzpotential? Warum sorgt unsere Regierung nicht dafür, dass außerhalb unseres Landes, in Ländern die zu wenig Impfstoff haben oder sich diesen nicht leisten können, mit Impfstoffüberschuss zu unterstützen und so den Infektionseinfluss durch Auslandsreisen einzudämmen? Warum werden Erkenntnisse zu negativen Impferfolgen aus Israel nicht in unsere Infektionsstrategie übernommen? Warum haben FFP2 Masken nun offiziell keine notwendige Wirkung mehr und dürfen durch eine schlechtere "Filterqualität" ersetzt werden, obwohl auch Geimpfte ein Infektionspotential mit sich herumtragen können?



    Viele offene Fragen, die zur Verunsicherung der Bürger beitragen.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Die mir erscheinende Absicht der Bundesregierung scheint zu sein, dem Bürger die Verantwortung über seine Gesundheit ganz zu überlassen.

    d.h. wer sich nicht impft und dadurch ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf in Kauf nimmt, wird nicht gänzlich vom Sozialstaat aufgefangen (=fehlende Lohnfortzahlung) und riskiert durch eine mögliche Überlastung des Gesundheitswesens eine schlechte Behandlung.

    Die mglw. angestrebte Lösung: In Eigenverantwortung Großveranstaltungen und bestmöglich Kontakte vermeiden. Für Personen die sich nicht impfen lassen können ist das jedenfalls der einzige Ausweg.

    Die reduzierte Verfolgung der Krankheitsverläufe bzw. Inzidenz ist ein anderes Problem. Ich kann mir vorstellen das man die offiziellen Inzidenzzahlen nach Unten korrigieren will, um die Pandemie für beendet zu erklären. Das dieser Effekt aber von den Fachleuten komplett ignoriert wird mag ich mir nicht vorstellen...

  • Dass sich Personen nicht mehr testen lassen ist doch Quatsch. In bestimmten Situationen kommt man an einen Test ja gar nicht vorbei. Der Druck kommt doch nicht durch neue Bestimmungen sondern durch steigende Infektionszahlen und fehlende Alternativen. Im Artikel klingt es so, als wenn wir noch Zeit hätten. Haben wir aber nicht mehr. Mit den Zahlen in den Herbst/Winter zu gehen, heißt dann Einschränkungen für alle. Wollen wir das und wie rechtfertigt man das dann? Impfpflicht ist in D ein Tabu, OK. Aber wenigstens eine Impfpflicht für Pflege- und medizinische Berufe würde auch schon einiges bringen. Was mich nervt, dass jeder ruft keine Impflicht aber nicht sagt, wie es denn anders funktionieren soll. Einschränkungen will aber auch keiner. So funktioniert es halt nicht. Wie es der Autor macht, kommt man keinen Zentimeter weiter.