Coronamaßnahmen in Großbritannien: Schrittweise zum Bier im Freien
Wegen der erfolgreichen Impfkampagne lockert Großbritannien den Lockdown. Ein neuer Anstieg der Infektionen wird erwartet.
Geschäfte, Fitnessstudios, Tierparks, Ferienlager, Dienste der Körperpflege wie Friseur*innen, Biergärten und andere bewirtende Betriebe im Freien können ab Montag kommender Woche nach viermonatigem Lockdown wieder Menschen empfangen.
Der Übergang zur sogenannten Stufe II sei möglich, weil unter anderem das Impfprogramm erfolgreich verläuft und dadurch die Infektionen sinken. Inzwischen sind im Vereinigten Königreich 31,6 Millionen Menschen geimpft. Allein nach der ersten Dosis, so die neuesten Studien in England, würde die Wahrscheinlichkeit symptomatischer Covid-19-Erkrankungen um 60 Prozent sinken. Krankenhausaufenthalte seien deswegen um 80 Prozent gesunken. Seit dem letzten Hoch von 1.300 Todesfällen pro Tag zu Beginn des Jahres, sterben derzeit täglich rund 47 Menschen an Covid-19.
Doch sowohl Johnson als auch der medizinische Regierungsberater Chris Whitty machten keinen Hehl daraus, dass die Öffnungsschritte mitnichten bedeuten würden, „dass Brit*innen sich nun in Selbstgefälligkeit hüllen könnten,“ so Whitty. „Die Erfahrungen in Chile haben gezeigt, dass ein gutes Impfprogramm allein nicht ausreicht, um die Erkrankungen beständig niedrig zu halten.“
Johnson gab zu Bedenken, dass noch immer nicht bekannt sei, wie sehr die Impfungen schützen würden, wenn die Infektionsraten wieder steigen. Er sei sich sicher, dass dies geschehen werde. Auch die Berechnungen des medizinischen und wissenschaftlichen Krisenstabes schließen eine neue Infektionswelle nicht aus.
Streit um Impfpass
Zur weiteren Bekämpfung der Pandemie werden parallel zu den Lockerungen für alle Menschen in England Selbsttests mit diagnostischen Teststreifen (Lateral Flow Tests) verfügbar sein. Diese können kostenlos in Apotheken, Testzentren oder online angefordert werden. Auch die schottische Regionalregierung will dem englischen Programm folgen. Wales und Nordirland werden es kaum anders machen.
Eine der großen Fragen in Großbritannien ist jedoch die eines Impfpasses. Sie führte inzwischen zu einer ungewöhnlichen gemeinsamen Front von über 70 Unterhausabgeordneten, darunter der ehemalige Labourparteiführer Jeremy Corbyn, der liberaldemokratische Parteiführer Ed Davies und zahlreiche Abgeordnete der Konservativen Partei, welche diese Pässe als die Bürger*innenfreiheit einschränkende Methode betrachten, die auch jenen schade, die sich aus verschiedenen Gründen wie Krankheit und Schwangerschaft nicht impfen lassen könnten oder wollten.
Laut Johnson werde es bei den ab dem 12. April begehbaren Orten zu keiner Ausweispflicht kommen. Allerdings werde eine Zertifizierung für große Veranstaltungen geprobt, etwa für das Endspiel der Fußballliga am 15 Mai. Diese Zertifikate werden Informationen zu Impfungen, vorheriger Erkrankung und Testresultate enthalten.
Großbritannien erwäge jedoch wie viele Länder eine entsprechende Ausweisung für internationale Reisen, sagte Johnson. Details dazu sind noch unklar. Die Frage, ob nicht essentielle Reisen mit Stufe III der Lockerungen ab dem 17. Mai wieder erlaubt sind, bleibt offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“