Coronalage in Berlin: Kalayci für Lockdown
Berlins Gesundheitssenatorin fordert die Notbremse im Bund. Seit Samstag gelten in Berlin schärfere Coronaregeln – der Einzelhandel klagt bereits.
Auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat angesichts des dynamischen Corona-Infektionsgeschehens sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen gefordert. „Unmittelbar wirksam ist es aus medizinischer und epidemiologischer Sicht, die Kontakte von Beginn der kommenden Woche an für wenige Wochen deutlich zu reduzieren“, heißt es in einer am Samstag veröffentlichten Stellungnahme. „Aufgrund der nachlassenden Immunität müssten diese Maßnahmen vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen.“
In Berlin gelten seit Samstag bereits schärfere Coronaregeln. Damit haben zu den meisten Geschäften nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt. Ein negatives Testergebnis reicht nicht mehr. Ausgenommen sind unter anderem Supermärkte, Drogerien und Apotheken. Der Einzelhandel erwartet infolge der Verschärfung deutliche Umsatzeinbußen. „Wir verzeichnen bereits Frequenzrückgänge“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. Er rechne mit Umsatzeinbußen von 15 bis 30 oder 40 Prozent.
Zugleich erneuerte Busch-Petersen seine Kritik an der Umsetzung der 2G-Regel wegen der Folgen für die Beschäftigten: „Die Mitarbeitenden müssen die Hilfspolizei geben und bei der Kontrolle die Konfrontationen mit Kunden aushalten.“ Außerdem bestehe die Gefahr, dass es durch die Kontrollen am Eingang zu Gedränge und längeren Wartezeiten komme. Am Samstag war dies zeitweise an einigen größeren Geschäften auf Einkaufsstraßen wie dem Tauentzien oder der Schloßstraße in Berlin-Steglitz zu beobachten.
Weihnachtsmärkte auch für Ungeimpfte
Anders als in Brandenburg dürfen die Weihnachtsmärkte in Berlin vorerst weiter öffnen. Wie schon zuvor gilt für die Besucher Maskenpflicht. Manche Veranstalter setzen auf 2G-Regeln, auf anderen Märkten haben auch Ungeimpfte Zutritt.
Nach dem täglichen Lagebericht des Senats gab es in Berlin bisher insgesamt 5.488.941 Impfungen. 68,9 Prozent der Menschen gelten als vollständig geimpft, 71,5 Prozent haben eine erste Impfung erhalten. Derzeit werden die Impfkapazitäten in der Hauptstadt wieder hochgefahren.
Der Projektleiter der Corona-Impfzentren, Albrecht Broemme, bezeichnete in diesem Zusammenhang die Absage der Grünen Woche in Berlin als Chance, weil das Impfzentrum in der Messe bestehen bleiben kann. Infolgedessen seien täglich etwa 3.000 Impfungen mehr gegen das Coronavirus möglich. „Ab Mitte, Ende Dezember können wir das dann bieten, weil dann der Ausbau des ICC abgeschlossen sein wird“, sagte Broemme dem RBB-Inforadio am Samstag. Eigentlich sollte das Impfzentrum für Großveranstaltungen wie die Landwirtschaftsmesse ins ICC weichen. Die Aufbauarbeiten im ICC laufen bereits. Nach dem Aus für die Grüne Woche wird es nun aber beide Impfzentren geben.
Schlangen vor den Impfzentren
Broemme zeigte sich zugleich erleichtert darüber, dass Berlin auch in der ruhigeren Phase der Coronapandemie zwei der insgesamt sechs Impfzentren nicht geschlossen hat. Nun ginge es darum, Impfprozesse zu optimieren und die Durchlaufzeit für die jeweiligen Impflinge zu verkürzen. Bei den Impfstellen ist die Nachfrage in den vergangenen Tagen gestiegen, immer wieder sind Warteschlangen zu beobachten. So mussten etwa Menschen ohne Termin am Samstag am Impfzentrum Tegel bis zu vier Stunden warten, wie ein dpa-Reporter schilderte.
In den Berliner Impfstellen wird der Biontech-Impfstoff seit Samstag im wesentlichen nur noch an Menschen unter 30 Jahren und an Schwangere verabreicht. Hintergrund ist eine Begrenzungen bei Bestellmengen für den Biontech-Impfstoff, über die die Länder in einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums informiert worden waren. Dafür soll bei den Auffrischungsimpfungen vermehrt das Präparat von Moderna zum Einsatz kommen.
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