piwik no script img

Corona und Schule in BerlinUngerecht, aber unersetzbar

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Sommerschulen sind kein ausreichendes Konzept, um die Ungerechtigkeit des Systems Schule auszugleichen, die Corona endgültig offenbart.

Nicht jeder schafft's zuhause alleine ohne Unterstützung mit dem Lernen Foto: dpa

W as kann man tun für die Kinder, die es von Haus aus nicht leicht haben, wenn die Schulen schließen? Wenn man ehrlich ist: nicht so viel. Schule, das zeigt die Coronakrise, mag eine Erfindung mit Schwächen sein, und je nach Lehrkraft, die das Kind vor die Nase gesetzt bekommt, fallen die mal mehr, mal weniger ins Gewicht. Aber alles in allem ist Schule nicht ersetzbar. Zumindest nicht für die, die nicht wissen, wie das geht: einen Wochenplan abarbeiten, wenn niemand sagt, was man genau wann und wie machen soll. Jeden Morgen aufstehen, wenn die Klassenlehrerin nicht wartet.

Das Konzept für die Sommerschulen, das Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) diese Woche vorgestellt hat, und auch das zweite Krisenprogramm, die bereits seit April laufenden LernBrücken, wo SozialarbeiterInnen im immer noch weitgehenden Homeschooling Händchen halten und Struktur vermitteln sollen: Das sind Feuerlöschübungen, aber es ist noch kein Konzept fürs nächste Schuljahr.

Zugleich zeigt diese Krise brutal das Versagen des Systems Schule. All die Kinder, die ohnehin gut lernen können, werden vermutlich auch nächstes Jahr gute Abschlüsse machen. Ihnen wird das Coronajahr, vielleicht auch die Coronajahre nicht viel anhaben. Was sie in der Schule nicht lernen, bringen sie sich im Homeschooling selbst bei oder es wird ihnen beigebracht. Und alle anderen brauchen die Sommerschulen und die LernBrücken, weil die Schule, so wie sie in normalen Zeiten mal war, eines nämlich genau nicht geschafft hat: den Kindern beizubringen, wie man lernt – selbstständig, nicht weil man muss, sondern weil man es kann und weil man es will. Man könnte also sagen: Mission verfehlt.

Das mag für Einzelfälle nicht immer stimmen, weil sie tolle LehrerInnen hatten oder anderweitig Glück. Aber insgesamt lässt sich sagen: Schule ist eine zutiefst ungerechte Erfindung. Und das beste, was uns offenbar bisher eingefallen ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Und das beste, was uns offenbar bisher eingefallen ist." Nein ist es nicht. So ziemlich jedes andere Schulsystem ist besser - insbesondere für die Chancengleichheit. Das zeigt jede Studie wie Pisa.

    Ein offensichtliches Beispiel - Schulhausanwesenheitspflicht. Warum dürfen Kinder nicht zu Hause lernen und regelmäßig in der Schule ihren Wissenstand nachweisen? aka Bildungspflicht? Wer es nicht schafft muss in den Präsenzunterricht. Der Rest kann lernen wo und wie auch immer er will. Das schafft Platz in der Schule und der Lehrer kann sich mehr um die anderen Schüler kümmern.

    Nur ein Beispiel ...