Corona in Großbritannien: Warten auf den „Freedom Day“
In Großbritannien steigen die Infektionen wieder. Die Regierung dürfte das Ende jeglicher Corona-Maßnahmen um 4 Wochen verzögern.
Noch vor einer erwarteten offiziellen Ankündigung des Premierministers Boris Johnson am Montagabend stand das schon so am Montagmorgen in allen britischen Zeitungen. Es gehe um ein „letztes Mal“, wird Johnson zitiert.
Zur Verlängerung der Kontaktbeschränkungen kommt es aufgrund der ansteigen Reproduktionsrate der neuartigen Delta-Variante des Covid-19-Virus, sie liegt zwischen 1,2 und 1,4 und bereitet Premierminister Johnson, wie er angab, „ernsthafte Sorgen“. Die „indische“ Coronavirusvariante, wie sie auch genannt wird, weil sie zuerst in Indien identifiziert wurde, ist laut Experten 60 Prozent ansteckender als die Alpha-Variante, die international als „englische“ Variante bekannt wurde und in England Kent-Variante heißt.
Mit einer 57-prozentigen wöchentlichen Anstiegsrate, in manchen Teilen des Landes verdoppeln sich die Neuinfektionen sogar alle 4,5 Tage, steht das Vereinigte Königreich vor einer dritten Welle der Pandemie. Am Sonntag wurden 7.490 Neuinfektionen gemeldet, über 2.000 mehr als eine Woche davor. Es wurden acht Covid-19-Todesfälle gemeldet; eine Woche zuvor waren es vier. 1.089 Menschen werden derzeit wegen Covid-19 stationär behandelt, 129 mehr als eine Woche davor; 158 darunter werden künstlich beatmet, ein Anstieg von 13.
Die meisten Betroffenen sind diesmal jüngere Menschen. Wer zweimal geimpft ist, ist vor einer Erkrankung größtenteils geschützt. In Großbritannien sind das fast 30 Millionen Menschen, rund 45 Prozent der Bevölkerung.
In Großbritannien wird seit Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020 nach Altersgruppen geimpft, von den Ältesten abwärts; derzeit sind in England die 25-Jährigen aufgerufen, und eine Zulassung für Kinder ab 12 Jahren lässt annehmen, dass die Impfkampagne nicht mit den 18-Jährigen haltmachen wird. In Wales und Nordirland können sich Menschen schon ab 18 Jahren impfen lassen, in Schottland ab 30 Jahren.
„Data, not dates“
Eine Verlängerung der letzten Coronarestriktionen um vier Wochen würde mehreren Millionen Menschen mehr den vollen Impfschutz bieten. Der 21. Juni war bisher der vierte und letzte Lockerungstermin eines Stufenplans, der am 8. März begonnen hatte, als erstmals wieder Treffen mit einer Person außerhalb des eigenen Haushalts erlaubt wurden.
Den 21. Juni stellte die Regierung als „Freedom Day“ in Aussicht, ab dem gar keine Einschränkungen mehr gelten – hierfür benutzen britische Politiker*innen den gleichen Begriff wie für den Brexit.
Man müsse dies nun doch noch einmal verschieben, damit dieser Schritt wirklich „unumkehrbar“ sein könne, heißt es nun. Johnson hatte beim Ausrufen des zweiten Lockdowns im vergangenen Jahr erklärt, dass die Schritte zur Beendigung aller Coronaschutzmaßnahmen nicht im Zusammenhang mit einem Datum festgelegt werden würden, sondern mit wissenschaftlichen und medizinischen Daten: „Data, not dates.“
Kritik aus der Geschäftswelt
Worum es bei der Verlängerung eigentlich geht, ist das Weitergelten aller noch gültigen covidbedingten Schutzmaßnahmen. Es wären vor allem Orte betroffen, wo sich große Menschengruppen ansammeln, darunter Theater, Nachtclubs und Hotels. Außerdem bedeutet es, dass Brit*innen weiterhin von zu Hause arbeiten sollen, wenn sie es können. Die meisten Restaurants, Theater, Läden und Sportklubs sind bereits offen und können weiterhin offenbleiben.
Kritik kommt aus Interessenverbänden der Geschäftswelt. Denn während die Einschränkungen verlängert werden, wird ab 1. Juli das Unterstützungsprogramm für betroffene Unternehmen, manche erhalten einen hundertprozentigen Ausgleich für Einnahmeausfälle, teilweise zurückgefahren.
Aus den rechts-libertären Rängen seiner Partei kann Boris Johnson mit Missmut und Gegenstimmen bei einer parlamentarischen Abstimmung im Verlauf dieser Woche rechnen. Da ist ein Zugeständnis der Regierung im Gespräch: Der Premierminister, der erst vor Kurzem selber seine neue Lebensgefährtin Carrie Symonds geheiratet hat, soll eine Aufhebung der Beschränkung der legalen Gästezahl für Hochzeiten erwägen.
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