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Corona in Baden-WürttembergEin Schlachthof, 300 Infektionen

Enges Wohnen und prekäres Arbeiten begünstigt Ansteckungen mit Covid19. Nun hat es hunderte Beschäftigte eines Fleischbetriebs erwischt.

Eng an eng: In einem Schlachthof haben sich hunderte Angestellte infiziert Foto: Mohssen Assanimoghaddam / dpa

Mehr als 200 rumänische Arbeiter eines Schlachthofs in Baden-Württemberg haben sich nach Angaben der Regierung in Bukarest mit dem Coronavirus infiziert. Bei ihnen handle es sich nicht um Saisonarbeiter, sondern um Beschäftigte von Subunternehmen des Fleischbetriebs Müller Fleisch in Birkenfeld, teilte das Außenministerium mit. Insgesamt seien dort 500 Rumänen beschäftigt.

Neben den Rumänen seien noch rund 100 weitere Arbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden, ergänzte das Ministerium unter Berufung auf deutsche Behörden. Alle Infizierten befänden sich in Quarantäne. Die meisten hätten keine oder nur leichte Symptome. Das Landratsamt des Enzkreises bestätigte der taz, dass inzwischen rund 300 Beschäftigte positiv getestet worden seien.

Wie die deutsche Landwirtschaft beschäftigt auch die Fleischindustrie zahlreiche Wanderarbeiter aus Osteuropa. Vor allem Rumänen und Bulgaren schlachten und zerlegen in Deutschland Tiere und verarbeiteten sie zu Fleischprodukten weiter. In den großen Schlachthöfen stellen sie Gewerkschaftern zufolge bis zu 80 Prozent der Beschäftigten. Sie arbeiten in der Regel einige Monate in der Bundesrepublik und kehren dann in ihre Heimat zurück.

Meist werden sie von Subunternehmen angestellt, die von den deutschen Schlachthöfen über Werkverträge beauftragt werden. Zwar gilt auch für solche Beschäftigte der deutsche Mindestlohn, aber der wird Experten zufolge häufig durch zu hohe oder ungerechtfertigte Abzüge etwa für die Unterkunft oder angebliche Fehler bei der Arbeit umgangen.

Gewerkschafter werfen der deutschen Fleischindustrie Ausbeutung vor

Gewerkschafter werfen der deutschen Fleisch­industrie deshalb Ausbeutung vor. Neben der Unterbringung monieren sie auch zu lange Arbeitszeiten und Verstöße gegen den Arbeitsschutz. „Wie die Menschen im Fall Müller Fleisch untergebracht sind, ist skandalös“, sagte Freddy Adjan der taz, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Viele Wohnungen seien zu klein. Oft könnten die Bewohner nur unter schwierigen Bedingungen Essen kochen.

Häufig begünstigen die Enge, zu wenig Sanitärräume, mangelnde Hygiene und die körperliche Belastung der Arbeiter in der Fleischindustrie Krankheiten, bei denen die körpereigene Abwehr entscheidend sei. „Wir kennen ausufernde Viruserkrankungen bei den ausländischen Beschäftigten der Fleischunternehmen seit langer Zeit. Im vergangenen Jahr war es eine Hepatitis-Infektion im Emsland“, so Adjan.

In der Fleischwirtschaft stünden die Beschäftigten oft dicht aneinander am Band. „Die nach den Hygienestandards festgelegten Masken dienen vor allem als Spuckschutz“, sagte der Gewerkschafter. Es sei nicht ausreichend geprüft, ob sie genügend vor Viren schützen würden. Dennoch habe das Gesundheitsamt Müller Fleisch erlaubt weiterzuarbeiten.

Das Unternehmen erklärte, seine Infektionsschutzmaßnahmen seien strenger als in der Branche üblich. „Zudem sind wir in engem Austausch mit unseren externen Dienstleistern, um die Wohnsituation der Werkvertragsbeschäftigten im Sinne des Infektionsschutzes noch weiter zu verbessern und in dieser Situation nach Möglichkeit unsererseits weitere Unterkünfte zur Verfügung zu stellen“, heißt es in einer Pressemitteilung. (mit afp)

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16 Kommentare

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  • Hier werden Dinge verknüpft, die nicht zusammen gehören. Wenn demnächst die Rigaer Straße oder der Hambacher Forst oder die Rote Flora komplett infiziert, sprechen wir uns wieder. Es kann viele, wenn nicht alle treffen ... außer den einsamen Nerd vor seinem PC.

  • Auf gewissenlose Konsumenten hat das keinerlei Auswirkungen.

    • @kommentomat:

      Einkauf nur mit einem Fleischkonsumpass in begrenzter Menge



      Diesen erhält man jährlich mit Verpflichtung zum Besuch beim Mäster, Tiertransport und Schlachthof.

      • @J.D.:

        Und Avocado-Esser müssen die Menschen in Südamerika besuchen, denen das Wasser abgezapft wird? Obst-aus-Spanien-Esser die ganze Fahrt über durch den Auspuff atmen? Raucher ins Hospiz zu Menschen, die an Lungenkrebs sterben? Übergewichtige ein verhungerndes Kind in Afrika besuchen? Pro Tonne des persönlichen CO-2 Fußabdrucks über dem empfohlenen Wert eine Person begraben, die an den Folgen des Klimawandels starb?

        Ab wann ist es Ihnen zu absurd?

        • @Devil's Advocate:

          Genau, irgend wo sollte man anfangen und nicht jammern.



          Wir Deutsche leben 95% über unserem Resoursenhaushalt vergleichbar mit andern Ländern auf der Erde. Da hilft nicht alles zu konsumieren und einen Baum pflanzen.

  • Seit vielen Jahren unterstützt und fördert unsere Regierung diesen abnormalen Zustand.



    Es geht los bei der Massentierhaltung, die weiterhin vom Staat gut geheißen wird und wahnsinnig subventioniert wird. Schon beim Bau eines Mastbetriebes, Massentierhaltung erst ab mehrere 1000 Tiere, übernimmt der Staat 50% der Baukosten. Weiter geht es im Schlachthof wo Mitarbeiter von osteuropäischen Subunternehmen unter schlechten Bedingungen arbeiten, ausgebeutet werden, Diese haben noch den psychische Druck aus den Reihen der Vorarbeiter die gesteuert sind von den Subunternehmen wo sich keiner der Arbeiter einen Ton erlauben darf. Das ist seit Jahren bekannt und die Regierung lässt dies weiter zu mit ihrem Motto Fleisch muss billig sein. Jeder soll sich täglich Fleischprodukte kaufen könne.. Auch bei der Veredelung des Billigfleisches geht es nur um Gewinne nicht um Qualität der Endprodukte. Wurst wird heute mit so vielen Zusatzstoffen bestückt geschweige mit so einer Mengen an Wasser und schlechtem Fleisch/Fett Gemenge dass die Bezeichnung Lebensmittel/Wurst nicht verdient. In keinem EU-Land sind die Fleisch und Wurstprodukte so billig wie in Deutschland, da unser Staat mit Subventionierungen in dem gesamten Ablauf von der Mast bis zum Endprodukt seine Finger im Spiel hat. Bauern die gut nach Tierwohl wirtschaften mit 50-100 Schweinen bekommen keine Unterstützung, wie auch kleine Schlachthöfe, die genau so wenig. Aber unsere deutschen Endkunden scheren sich einen Dreck darum. „DEUTSCHLAND GEIZ IST GEIL“ Da liegen dann auf einem mehrere 1000 € Grill das billige Fleisch und es wird geprahlt wie viel man gespart hat. Wir als Endverbraucher haben es in der Hand. Wenn alle einen Monat keine Fleischprodukte beim Discounter, Supermarkt auch beim Fleischer/Metzger mehr kaufen, würde sich schnell etwas verändern. Für unser liebstes Kind das Auto kommen keine Billigprodukte nach Hause.

    Mahlzeit !

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @J.D.:

      Stimmt. Alles so grauenhaft wie lang bekannt, auch den Geiz ist geil-Fleischkonsumenten.



      Nur: wie könnten die Fleischsüchtigen (denn etwas anderes als Sucht kann es nicht sein) zu einem Boykott bewegt werden? Aufklärung scheint ja nicht zu fruchten.

      • @90946 (Profil gelöscht):

        Das Schlimme ist nur, dass die Arbeitsedingungen und die Unterkunft der Arbeiter beim Gemüsebau - v.a. in Spanien und Italien, wo das meiste Gemüse herkommt - genauso schlecht oder noch schlechter sind. Als Vegetarier kann man sich da die Hände nicht wirklich in Unschuld waschen.

      • @90946 (Profil gelöscht):

        Einkauf nur mit einem Fleischkonsumpass.



        Diesen erhält man jährlich mit Verpflichtung zum Besuch beim Mäster, Tiertransport und Schlachthof..

        • @J.D.:

          bin mir sicher die Schlachthöfe finden da einen Weg dass nett zu gestallten kurze Führung dann noch Curry Wurst und ein paar Schnaps, Stempel drauf und gut ist.

  • Was mich jetzt noch interessiert hätte: Hat die Infektion Auswirkungen auf die Produkte und damit auf den Käufer der Produkte?

    • @hsch:

      Ernsthaft?



      Ihnen bleibt das Discounter-Schnitzel im Hals stecken, weil Sie sich vor Ansteckung fürchten?



      Angesichts der allseits bekannten Zustände in der deutschen Fleischindustrie sollte das zwar grundsätzlich der Fall sein, aber eine derartige Perspektive ist schon arg menschenverachtend.....



      Aber falls Sie wirklich ein Antwort wollen, gern: Scham sollte auf jeden Fall eine Folge des Konsums sein!

  • In USA sind schon zahlreiche Schlachtereien wegen Covid-19-Ausbrüchen geschlossen worden. Die Schweinezüchter haben schon Probleme, ihr Vieh loszuwerden.

    Bei Saisonarbeitern aus Rumänien in der Landwirtschaft, für die Frau WM Julia Klöckner für Sondergenehmigungen gesorgt hat, sieht es auch nicht besser aus, weil Schutzvorkehrungen unterblieben sind, sowohl vor (!) der Beförderung aus Rumänien noch bei den Unterbringung. Quarantäne versprochen - gebrochen.

    Die enge Unterbringung wäre gar nicht nötig, denn überall im Land stehen Hotels leer, in denen man die Leute - bei deutlich reduziertem Service - unterbingen könnte. Das müsste nur vorgeschrieben werden, so wie uns Normalbürgern vorgeschrieben wird, keine Freunde zu treffen.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @meerwind7:

      Eben. Müsste nur verordnet werden. Warum wurde nicht? Hat einfach niemand daran gedacht oder war es ihnen wurscht (sorry dafür!)?

      • @90946 (Profil gelöscht):

        Vermutlich, weil niemand für die Hotelzimmer bezahlen will.

  • jetzt kommen die ganzen Schweinereien raus ;) da war doch auch so etwas in Singapur mit den Wanderarbeitern ..