Corona-Verschwörungsdemos: Die Stunde der Rechten
Was als lokaler Protest von Verschwörungsideologen begann, ist zur bundesweiten Bewegung geworden. Tonangebend sind inzwischen Rechtsextreme.
E twa 1.000 Menschen rings um die Berliner Volksbühne, Hunderte auf dem Stuttgarter Schlossplatz und Kundgebungen in mehr als einem Dutzend weiterer Städte: Am Samstag hat sich gezeigt, dass aus dem Protest einiger Berliner KritikerInnen einer behaupteten „Corona-Diktatur“ innerhalb von einem Monat eine landesweite Bewegung geworden ist.
Obwohl die Beschränkungen des öffentlichen Lebens bereits zurückgefahren werden, versammeln sich von Woche zu Woche mehr Menschen, die die Gefahr von Covid-19 abstreiten, staatliche Schutzmaßnahmen als unbegründete Zumutung betrachten und das Auftreten des Virus mit Verschwörungsmythen wie der gefährlichen QAnon-Theorie verbinden.
Ohne Mindestabstand und Schutzmasken stehen sie da und lassen sich von den verbotenen Versammlungen abführen. Jede Festnahme diente als neuer Beweis ihrer geglaubten oder nur behaupteten Theorie eines totalitären Staats – und zugleich der Beschwörung eines Widerstandsrechts. Dass die Proteste friedlich bleiben, ist keineswegs ausgemacht.
Die Initiatoren der Bewegung „Nicht ohne uns“ haben von Beginn an Akteure der extremen Rechten und eine Bewerbung in deren Medien akzeptiert. Neben ImpfgegnerInnen und Eso-Hippies, viele davon treue Fans des Verschwörungsportals KenFM, haben sich Rechtsextreme unter ihnen breit gemacht, die sich nun als BürgerrechtlerInnen ausgeben. Der Schlachtruf auf den Plätzen ist „Wir sind das Volk!“ – die Proteste erinnern schon jetzt mehr an Pegida als an die Montagsmahnwachen von 2014.
Empfohlener externer Inhalt
Die Rechten haben die Gunst der Stunde erkannt. Im Umfeld der besorgten VerschwörerInnen zeigen sie dabei Einigkeit. PolitikerInnen von AfD, NPD und der aufgelösten Bürgerbewegung Pro Deutschland vermischten sich in Berlin mit Szenegrößen wie dem Youtuber „Der Volkslehrer“ oder Vertretern des Compact-Magazins. In Chemnitz organisierten Nazis den Protest gleich selbst, unter Verwendung der gleichen Phrasen. Der Geist ist aus der Flasche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs