piwik no script img

Corona-Tote in Wolfsburger PflegeheimAnzeige gegen Betreiber

Die Zahl der Toten in einem Wolfsburger Pflegeheim steigt auf 17. Auch in der örtlichen Klinik häufen sich inzwischen die Corona-Fälle.

Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg: Es dauerte zu lange, bis hier auf den Coronavirus getestet wurde Foto: Peter Steffen/dpa

Minden taz | In Wolfsburg ist der Krisenstab im Dauereinsatz: Erst der dramatische Corona-Ausbruch im Hanns-Lilje-Pflegeheim in der vergangenen Woche – jetzt hat auch noch das Klinikum 14 infizierte Mitarbeiter gemeldet. Und es liegen noch gar nicht alle Testergebnisse der 250 Patienten und 150 Mitarbeiter vor.

In dem Krankenhaus wurde umgehend ein Aufnahmestopp verhängt. Neue Patienten nehmen nur noch die Kinderklinik und der Kreißsaal an – auf allen anderen Stationen fängt man an, Patienten auf Einzelzimmer zu verteilen, Neuankömmlinge werden auf die Kliniken in der Region verwiesen.

Im Hanns-Lilje-Heim sind derweil fünf weitere Bewohner verstorben. Damit summierte sich die Anzahl der Toten am Montag auf 17. Das Pflegeheim hat es inzwischen geschafft, die Infizierten räumlich von den übrigen Bewohnern zu trennen. Sie befinden sich auf jeweils eigenen Stockwerken, eine Schleuse soll ein weiteres Verschleppen des Virus verhindern.

Gleichzeitig wird die Kritik am Krisenmanagement lauter: Erste Berichte über infizierte Bewohner gab es schon am 20. März – trotzdem dauerte es noch fast eine Woche, bis alle Bewohner und das Personal getestet wurden. Ein Wolfsburger Anwalt hat deshalb Anzeige gegen die Diakonie, die Heimbetreiberin, erstattet. Nach Berichten in den lokalen Medien beruft er sich darin auch auf Aussagen von Beschäftigten, die Hygienemängel beklagten.

Schutzausrüstung wird knapp

Anzeige erstattet hat er allerdings in eigenem Namen und nicht im Auftrag von Beschäftigten oder Angehörigen, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig mit. Ein Sprecher bezeichnete die in der Anzeige aufgeführten Vorwürfe als „eher pauschal“. Die Diakonie äußerte sich überrascht und betroffen: Man habe sehr früh Besuchsverbote verhängt, mehrere Begehungen mit Vertretern des Gesundheitsamts hätten keine Beanstandungen ergeben.

In Wildeshausen im Landkreis Oldenburg ist eine weitere Seniorenresidenz von einem Corona-Ausbruch betroffen. Hier sind 23 Bewohner und 17 Mitarbeiter positiv getestet worden, nachdem ein 89-Jähriger mit Vorerkrankungen und Coronainfektion gestorben war. Bei den anderen Erkrankten gab es bisher allerdings vor allem milde Verläufe. Auch im Landkreis Göttingen soll eine Pflegeeinrichtung Coronainfektionen gemeldet haben.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) kündigte deshalb jetzt eine „verschärfte Gangart“ an: Pflegeeinrichtungen dürften ab sofort keine neuen Patienten mehr aufnehmen – es sei denn, sie könnten eine umfassende Quarantäne gewährleisten. Auch die Einhaltung des Besuchs- und Betretungsverbotes soll strenger durchgesetzt werden.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte schon am Wochenende gefordert, dass die Schutzkonzepte in den knapp 12.000 vollstationären Pflegeheimen dringend angepasst werden müssten. Außerdem ist die Verfügbarkeit von Schutzkleidung, Masken und Desinfektionsmitteln immer noch ein großes Problem. Aus der Diakonie Wolfsburg hieß es, es zeichneten sich Engpässe für die kommenden Tage ab, wenn nicht alle Bestellungen zeitnah ausgeliefert würden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Ein Pflegeheim für Demente zeichnet sich dadurch auch, dass ein intensives



    Miteinander , einschließlich des Betreuungspersonal, besteht. Eine soziale Isolation soll dadurch vermieden werden. Normale hygienische Zustände sind kaum einzuhalten. Da wird schon mal in den eigenen Ausscheidungen gerührt, vergessen die Unterhose hochzuziehen und in einem plötzlichen Anfall von Frühlingsgefühlen herzlich gebusselt. Beliebt sind auch Streicheltiere, Kanarienvögel und Besuche von Hundebesitzern. In einer solchen Einrichtung Maßstäbe wie in einer normalen Pflegeeinrichtung oder Klinik anlegen zu wollen zeigt einfach Unkenntnis. Die jetzige Isolation wird von den Alten vermutlich als Strafe empfunden, da sie die Maßnahmen nicht verstehen.

    Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

    Die Moderation

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @97287 (Profil gelöscht):

      Ich bemühe mich.

  • Die Anzeige hat das Niveau von Abmahnvereinen. Wenn der Herr Anwalt denn so genau weiß, wie sich Ansteckungen vermeiden lassen, soll er die Welt an diesem Wissen teilhaben lassen.



    Es ist leider Schicksal. Ziemlich sicher sind es Mitarbeiter gewesen, die unbemerkt zur Infektion der Bewohner beigetragen. Einmal im Haus ist dieser Virus kaum zu begrenzen. Nur strickte Trennung kann vielleicht die Dinge verzögern. Wir werden das gleiche noch in vielen Pflegeeinrichtungen erleben, leider.

    • @TazTiz:

      "Abmahnverein", wie soll das gehen? Bitte Artikel bewusst lesen, dort steht der Grund der Anzeige. Nur weil sich ein Sprecher "vage" zu einer seiner Meinung nach "vagen" Anzeige äußert, muss die Anzeige nicht automatisch falsch sein.