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Corona-Restriktionen in IsraelOrthodoxe in der Krise

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Israel ergreift strenge Maßnahmen im Kampf gegen Corona, doch nicht alle ziehen mit. Ärger gibt es mit den Religiösen.

Corona-Hotspot: Bnei Brak, eine orthodox geprägte Stadt an der Grenze zu Tel Aviv Foto: Ariel Schalit/ap

D as Coronavirus zeigt allen Gesellschaften gerade ihre Schwachpunkte. Eine Achillesferse Israels ist das Verhältnis zwischen Staat und Orthodoxen. Israel hat sehr schnell drastische Maßnahmen ergriffen, um die Coronapandemie einzudämmen. Doch in der orthodoxen Community sind die Maßnahmen erst mit zweiwöchiger Verspätung umgesetzt worden. Das Ergebnis: Orthodoxe Viertel sind Hochburgen des Coronavirus. In Bnei Brak, einer orthodox geprägten Stadt an der Grenze zu Tel Aviv, war ein Drittel der Getesteten positiv. Die Hälfte aller Corona-Patient*innen in den Krankenhäusern sind Orthodoxe.

Israels Orthodoxe leben in ihrer eigenen Welt. Sie benutzen koschere Handys ohne Internetzugang, besuchen ihre eigenen Schulen, folgen ihrem eigenen Gerichtssystem, haben eigene Kommunikationskanäle. Sie folgen den Anweisungen ihres Rabbis, nicht denen des Staates.

Vor zwei Wochen haben die Rabbis weitgehend unisono verkündet, dass das Studium der Thora weitergehen müsse und die religiösen Schulen nicht geschlossen werden. Mittlerweile ordnen die meisten von ihnen an, den staatlichen Direktiven zu folgen. Doch als am Montag Polizist*innen in Jerusalem einige Synagogen schließen wollten, die noch geöffnet waren, bewarfen Orthodoxe sie mit Steinen.

In Bezug auf die Orthodoxen misst der israelische Staat oft mit zweierlei Maß. Als das Gesundheitsministerium entschied, dass öffentliche Versammlungen auf 10 Personen begrenzt werden sollten, bekamen Polizeibeamte die Anweisung, davon abweichend in Synagogen bis zu 20 Personen zusammenkommen zu lassen.

Der israelische Staat muss sich endlich klar darüber werden, welche Rolle die Religion im Staat spielen soll

Als am Sonntag Israelis schon nicht mehr das Haus verlassen durften, beerdigten 400 Orthodoxe ungestört einen angesehenen Rabbi. Die Polizei, so hieß es, hatte Sorge vor Zusammenstößen.

Der doppelte Standard, nach dem Israel in Bezug auf seine Orthodoxen agiert, rächt sich, nun da die Zahl der Corona-Infizierten steigt. Die Krise macht erneut deutlich: Der israelische Staat muss sich endlich klar darüber werden, welche Rolle die Religion im Staat spielen soll.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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3 Kommentare

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  • Wobei die ultra-ortodox eingestellten Juden in Israel etwa 9 % der Bevölkerung ausmachen und, soweit ich informiert bin, die Infektionsrate in Israel etwa so hoch ist wie in Deutschland. Der Informationsgehalt des Beitrages ist mir nicht ganz schlüssig.

  • " Der israelische Staat muss sich endlich klar darüber werden, welche Rolle die Religion im Staat spielen soll."

    Ist das so? Geht es nicht nur um die Privilegien der Ultraorthodoxen?

  • Ich bin kein Fan des naiven Rationalismus (weil Adorno/Horkheimer), aber das ist die Art von Religiosität - lebensgefährdend irrational - gegen die Leute wie Dawkins zu Recht wettern.