Corona-Politik in Frankreich: Ein Volk von ungezogenen Kindern

Welche Lockerungen der Beschränkungen Frankreich tatsächlich einführt, ist offen. Sicher sind hingegen massive Einschränkungen der Grundrechte.

Auf einem großen menschenleeren Platz fährt ein einzelner Radler.

Paris im Corona-Lockdown: Wird es wirklich offener ab 11. Mai? Foto: Rafael Yahgobzadeh/ap

PARIS taz | Am Donnerstag will Staatspräsident Emmanuel Macron zusammen mit seinem Premierminister Eduard Philippe entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen am 11. Mai – wie von ihm und der Regierung angekündigt – in ganz Frankreich oder bloß in einigen vom Covid-19 weniger betroffenen Regionen die seit Mitte März geltenden Regeln des Lockdowns gelockert oder aufgehoben werden.

Die Staatsführung wiederholt, dass alles davon abhänge, wie die bisherigen Restriktionen des Corona-Notstands respektiert werden. Der latent drohende Tonfall im Regierungsdiskurs lässt den Schluss zu, dass die Regierung die Bevölkerung als Volk von ungezogenen Staatskindern betrachtet, die nur aus Angst vor Strafen gehorchen.

Vorsorglich lässt sich die Staatsführung darum zusätzliche Vollmachten geben, die alle mit einem effizienten Kampf gegen das Coronavirus begründet werden, dabei aber Bürgerrechte, Grundfreiheiten und namentlich den Datenschutz weitgehend außer Kraft setzen.

Auch wenn dies zeitlich begrenzt bleiben soll, ist diese sehr breit gefächerte und pauschale Aussetzung demokratischer Grundsätze äußerst beunruhigend. Die dafür erforderliche Ausnahmegesetzgebung wurde am Samstag im Ministerrat angekündigt, sie muss aber noch detailliert und soll am Dienstag vom Parlament abgesegnet werden.

Eine Liste exzessiver Vollmachten

Die wichtigsten Punkte:

• Die Regierung darf vorübergehend den Personenverkehr und den Transport regulieren und einschränken und Geschäfte oder öffentliche Einrichtungen teilweise oder ganz schließen.

• Alle Personen oder Güter können zum Kampf gegen die Epidemie herangezogen oder beschlagnahmt werden.

• Auch für Personen ohne Covid-19-Symptome, die aus dem Ausland einreisen, kann eine Quarantäne angeordnet werden. Für Personen mit Krankheitssymptomen in Frankreich kann ebenfalls eine Isolierung von 14 Tagen oder auf richterlichen Beschluss auch länger angeordnet werden, deren Konditionen noch per Dekret präzisiert werden müssen. Der Zugang zu Kommunikations- und Informationsmitteln soll aber garantiert werden.

• Nicht nur Beamte der Polizei und Gendarmerie, sondern auch deren Reservisten und Hilfskräfte (Freiwillige und Praktikanten) sowie Angehörige der Sicherheitskräfte der Bahn und Metro und das vereidigte Personal des Kartellamts dürfen Kontrollen vornehmen und bei Missachtung der Regeln Bußgelder verhängen.

• Die Behörden können auch ohne Zustimmung der Betroffenen Daten über Infizierte und deren Kontaktpersonen erfassen und diese nicht anonymen Informationen mit anderen Stellen zum Zweck einer Organisation von Tests, zur „prophylaktischen Isolierung“, zur „epidemiologischen Überwachung“ und für die Virenforschung austauschen. Zugang zu den für maximal ein Jahr erfassten Daten haben zivile und militärische Gesundheitsdienste, Ärzte und staatlich zugelassene Labors.

Der verlängerte Notstand mit diesen Möglichkeiten für weitere Einschränkungen der Freiheit soll bis zum 23. Juli in Kraft bleiben und müsste dann gegebenenfalls erneut angepasst und verlängert werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.