Corona-Lage in Deutschland: Verärgerte Ärzte und Autovergleiche

Die Äußerung von Spahn über die begrenzte Lieferung von Biontech-Impfstoffen sorgt für Kritik. Am Montag verteidigte er seine Entscheidung.

In den kommenden Wochen sollen Millionen von Menschen ihre Booster-Impfung bekommen Foto: Wilhelm Mierendorf/imago

BERLIN taz | Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat mal wieder den Unmut der Öffentlichkeit auf sich gezogen. So sprach der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) in der TV-Sendung „Anne Will“ am Sonntag von einem „ganz falschen Signal“. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) sagte am Samstag auf einem Landesparteitag in Neumünster, es sei endlich Zeit, dass Spahn geht.

Der Grund: Vergangene Woche hatte dieser in einem Schreiben an die Länder angekündigt, die Bestellmengen für das Vakzin Biontech zu begrenzen. Deutsche Arztpraxen könnten demnach maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen, Impfzentren und mobile Impfteams etwa 1.020 Dosen. Viele befürchten jetzt, dass die Rationierung das Tempo bei den Booster-Impfungen deutlich bremsen könnte.

Am Montag, in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, verteidigte Spahn seine Entscheidung. Die Nachfrage nach dem MRNA-Impfstoff Bion­tech sei in den vergangenen zwei Wochen stark und unerwartet gestiegen. Das Gesundheitsministerium könne nicht ausliefern, was nicht da ist.

Allein in dieser Woche müsse das Gesundheitsministerium 6 Millionen Impfdosen herausgeben – deutlich mehr, als es bislang überhaupt an Booster-Impfungen in Deutschland gegeben hat. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will dafür mehr Moderna einsetzen, offenbar auch, weil dieses Vakzin im Frühjahr 2022 ablaufe und der Impfstoff ­Biontech nur begrenzt verfügbar ist.

Bis zum Jahresende soll es noch insgesamt rund 24 Millionen Dosen von Biontech geben. Etwa 25 bis 30 Millionen Auffrischungsimpfungen werden hingegen bis Jahresende erwartet. Derweil bemühe sich der Gesundheitsminister darum, die verfügbare Menge an Biontech aufzustocken. Natürlich sei man im Gespräch mit Biontech, Zahlen wollte er allerdings nicht bestätigen. „Ich halte nichts davon, über Zahlen zu spekulieren“, sagte Spahn.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Versucht zu erklären: Jens Spahn auf der Pressekonferenz am 22. November Foto: Michael Kappeler/dpa

Harsche Kritik hagelte es allerdings nicht nur aus der Politik, sondern auch von Ärzteverbänden. In einem Brief des Bayerischen Hausärzteverbands hieß es etwa: „Es kann nicht sein, dass das Restvertrauen bei den Menschen in der Booster-Kampagne durch so einen Dilettantismus zerstört wird.“

Ärz­te­ver­tre­te­r*in­nen machen vor allem auf praktische Probleme aufmerksam: Befürchtet wird unter anderem, dass viele Menschen zögern könnten, wenn ihnen nur Moderna angeboten wird. „Viele Ärz­t*in­nen müssen künftig zusätzliche Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten“, kommentierte Spahn den Unmut, „das weiß ich, und das bedauere ich auch.“

Immerhin: Mit Moderna gibt es eine gute und genauso wirksame Alternative, betont Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Dass Menschen sich verunsichert oder gar verängstigt gegenüber diesem Impfstoff zeigen, sei völlig unbegründet – beide hätten einen Wirkungsgrad von 90 Prozent.

„Wir sitzen in Deutschland im Schlaraffenland“, sagt Cichutek. „Ob Biontech besser als Moderna ist, ist eine völlig unangemessene Diskussion.“ Gesundheitsminister Spahn verglich die Entscheidung für einen der beiden Impfstoffe sogar mit der Wahl zwischen zwei Luxusautos: „Manche halten Biontech für den Mercedes unter den Impfstoffen, und Moderna ist halt der Rolls-Royce.“

Trotz aller Kritik an der Kommunikation des Bundesgesundheitsamts, brachte es dennoch eine Botschaft klar rüber: Dass sich alle, die können, in Deutschland impfen lassen müssen, mit Erst- und Auffrischungsimpfung. Allein das Boostern dürfte den Schutz um 10 bis 20 Prozent gegenüber der Zweifachimpfung steigern. „Durch die dritte Impfung werden die sogenannten Gedächtniszellen aktiviert und dadurch wird der Impfeffekt verstärkt“, erklärte Impfstoffforscher Leif Erik Sander von der Berliner Charité.

Auf die Frage, ob eine Impfpflicht damit bald unausweichlich wird, antwortete Spahn allerdings erneut ausweichend; er wollte nicht von seiner bisherigen Haltung gegen eine Impfpflicht abweichen. Dabei wird die Forderung nach einer Impfpflicht aus der Politik immer lauter: Vor allem in der Union positionieren sich immer mehr für eine Impfpflicht. So sagte etwa Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek im Deutschlandfunk: „Ich war immer eigentlich ein Gegner einer Impfpflicht, glaube aber inzwischen, dass wir relativ schnell über dieses Thema sprechen müssen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.