Corona, „Flügel“ – und ein Handy leyen: Der große Virus-Digi-Schub

Offene Blinddärme im Kühlregal, die kommende Öde des Ausnahmezustands und die magischen Handydaten von Andreas Scheuer.

Angela Merkel bei einer Pressekonferenz.

„Die Kritik am deutschen Gezaudere offenbart auch unsere Liebe zur Autorität“ Foto: John Macdougall/afp

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Leute, die im Supermarkt Mundschutz und Handschuhe tragen. Hatte Angst, im Kühlregal liegt ein offener Blinddarm.

Und was wird besser in dieser?

Zwangsurlaub.

Als Corona noch nicht überall war, hörte man von Hamsterkäufen, Mundschutz-Klau und allgemeinem Egoismus. Jetzt, da wir Pandemie haben, keimen zarte Pflänzchen von Hilfsbereitschaft und Altruismus auf. Obsiegen am Ende vielleicht doch Menschlichkeit und Vernunft?

Für die Nachbarsoma einkaufen gehen, einfach mal eine Rolle Klopapier im Regal liegen lassen: ja. Das Risiko liegt eher in der Gewöhnung; irgendwann wird der Ausnahmezustand öde und für viele auch: finanziell unmöglich.

Schulen und Kitas schließen auf unbestimmte Zeit, und schlimmer noch: Die Kinder bei Oma vorbeibringen fällt auch aus. Wohin mit den Kids?

Wird sich zeigen, was wir Weltmeister im Getrenntsortieren hier abliefern. In Deutschland leben 11,3 Millionen Kinder, 8,3 Millionen davon gehen zur Schule – jetzt sind sehr große Ferien. Kinder beschäftigen sich am liebsten mit Kindern, man kann die „nachweislich coronafrei getesteten Kinder-Gruppen“ in Elterninitiativen bereits ahnen. Hey, was machen eigentlich unsere Impfgegner gerade so? Es dürfte ein Digitalisierungsschub werden, Handyverbot und Rechner-Prohibition verkehren sich. ARD und ZDF, die Großeltern unter den Medienangeboten, rammen Maus und Elternberatung ins Programm. Wenn die Freunde von E-Learning sich eine Kampagne hätten ausdenken wollen, müssten Sie mit Corona zufrieden sein – langfristig.

Seit Wochen tröpfeln die Bundesländer widersprüchliche Corona-Strategien über die Landkarte. Viele stöhnen über den deutschen Flickenteppich und wünschen sich eine Manager-Merkel. Föderalismus gut oder Föderalismus blöd?

Es ist ein Déjà-vu des allgemein grassierenden gesellschaftlichen Trends: Autorität oder Pluralismus? Medizinisch ist der Fall klar: Isolation, Quarantäne, allgemeiner Hausarrest, je schneller, desto besser. Das ist logisch – so logisch, wie andere morgen früh alle CO2-Schleudern abschalten wollen und wieder andere gestern alle Ausländer rausschmeißen. Die Kritik am deutschen Gezaudere und der Jubel zu drastischem Durchgreifen anderswo offenbart auch unsere Liebe zur Autorität. Bisschen Demokratie ist bei guter Gesundheit ganz nett, doch tief drinnen wollen wir jemanden, der auf den Tisch haut, wenn’s ernst wird. Dumm nur: Der Tisch sind wir. Politische Entscheider bewegen sich zwischen dem fachlich Notwendigen und der Bereitschaft der Menschen, es mitzutragen. Deutschland geht etwas skrupulöser an die Einschränkung von Freiheitsrechten, ich hätte nicht erwartet, dass mich das jemals aufregen würde.

Der DAX stürzte gegen Ende der Woche massiv ab. Aber geh, die Wirtschaft erholt sich schon wieder. Oder? Oder??

Ja. Unklar: wann. Deutschland ist in einer unschätzbar komfortablen Lage, eine schwarze Null schlachten zu können – die andere gar nicht haben. Ansonsten ist die Frage ungefähr so groß wie: „Globalisierung – sollen wir das mal machen oder eher nicht so?“ Keine Ahnung. Am vorigen Freitag hat ein potenter Sender die große Corona-Doku bei uns bestellt. Läuft.

Der „Flügel“, ein Nazi…, – Moment, wie schreibt man das? – nationalistisches Netzwerk innerhalb der AfD, wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und steht ab sofort unter Beobachtung. Was war da noch zu beweisen?

Die Benennung „Flügel“ setzt die Existenz eines Gegenübers voraus. Fliegen Sie mal mit nur einem. Plumps. Die Partei hat es in Jahren nicht geschafft, sich des Predigers der „wohltemperierten Grausamkeit“ Höcke zu entledigen; sie tauschte Symbolfiguren durch von Lucke über Petry bis Weidel. Die Kalamität ist nicht die gut begründete Beobachtung eines Teils der Partei – sondern die Haftung der gesamten Partei für das, was sie in sich trägt.

Vom Handy von Verkehrsminister Scheuer (CSU) sind Daten verschwunden, die der gegen ihn ermittelnde Untersuchungsausschuss gerne verwertet hätte. Ein Versehen, gell?

Die frühere Verteidigungsministerin lässt grüßen, wenn Scheuers Handy streikt, kann er sich eins von der Leyen.

Und was machen die Borussen?

BVB-Boss Watzke nennt die Spielabsagen „die größte Krise in der Geschichte des deutschen Fußballs“. Kurz nachdem die Hopp-Proteste neulich „die größte Krise in der Geschichte des deutschen Fußballs“ waren. Immerhin sind Begegnungen, die mit allgemeinem Hitlergruß begannen, damit historisch ein bisschen einsortiert, doch – je dementer ich werde, desto eher kann ich mir bei Sky eine zehn Jahre alte Partie aus dem Archiv reinziehen und fiebern.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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