Corona-Aufarbeitung bei der AfD: Doppelt und dreifach
In Sachsen und Thüringen wollen AfD und BSW jeweils ihre eigenen Untersuchungsausschüsse. Dabei treibt die AfD das BSW zur Kooperation an.
taz |
Die sächsische AfD-Landtagsfraktion ging am Dienstag in die Medienoffensive und stellte ihren Antrag zur „Untersuchung der Krisenpolitik der sächsischen Staatsregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ vor. Auf dem Online-Fraktionsblatt sind dazu reißerisch unter der Überschrift „Corona-Unrecht“ ein Atemschutz und eine große Spritze zu sehen. Im Mittelpunkt werde die Frage der Verhältnismäßigkeit eingeleiteter Schutzmaßnahmen während der Pandemie stehen, sagte der Abgeordnete Thomas Prantl. Geklärt werden soll, ob Schließungen und Eingriffe in die Grundrechte tatsächlich Gesundheitsrisiken minimiert haben oder ob die Vorkehrungen selbst negative Auswirkungen auf die Bevölkerung hatten.
Nach Konsultationen mit dem Juristischen Dienst des Landtages korrigierte die AfD ihren Antrag, beispielsweise Bundesrecht und Rechte Dritter betreffend. Am bevorstehenden Freitag soll der Landtag auf einer Sondersitzung über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses entscheiden.
Sie gehört zu den Minderheitenrechten und kann von einem Fünftel der Mitglieder des Landtages beantragt werden. Die AfD überschreitet mit 40 Abgeordneten dieses Quorum, braucht es also nicht. CDU, SPD, Grüne und Linke wollen mögliche Fehler während der Pandemie hingegen von einer Enquete-Kommission aufarbeiten lassen, die aber über nicht so weitreichende Befugnisse verfügt.
Anträge von AfD und BSW konkurrieren
In derselben Landtagssitzung am Freitag steht aber auch ein ähnlich intendierter Antrag des BSW zur Abstimmung. Die Wagenknechtpartei verfügt nur über 15 Sitze und wäre für einen Erfolg auf Leihstimmen angewiesen. Mit einem geschickten Schachzug stürzt die AfD nun das um Abgrenzung bemühte und in Koalitionssondierungen mit CDU und SPD stehende BSW in ein Dilemma. In einem offenen Brief bittet die Fraktion die Wagenknecht-Kollegen, dem AfD-Antrag beizutreten. Sie sollten „das Ziel der Aufarbeitung dieser unseligen Zeit über die Befindlichkeiten ihrer beiden (Koalitions-)Verhandlungspartner stellen“. 60 Prozent der Bürger forderten laut Umfragen angeblich diese Untersuchung.
Fraktionschef Jörg Urban machte für ein gemeinsames Einsetzungvotum nicht nur Vernunft- und Effizienzgründe geltend, sondern sieht andernfalls den Ausschuss überhaupt gefährdet. Sollten plötzlich zwei Untersuchungsausschüsse zum selben Thema existieren, müsste vermutlich das Landesverfassungsgericht angerufen werden. Das könnte die Arbeit lange blockieren.
In Thüringen entwickelt sich eine vergleichbare Situation mit umgekehrten Vorzeichen. Schon Anfang Oktober entschlossen sich die potenziellen Koalitionspartner CDU und BSW, einen Corona-Untersuchungsausschuss zu beantragen. In der vorigen Woche zog die AfD nach, ließ aber die Möglichkeit offen, dass die Landtagsverwaltung zwei parallele Ausschüsse koordinieren könne.
Es ginge nicht um Abrechnung
In der MDR-Debattensendung „Fakt ist“ ließ der Thüringer BSW-Fachpolitiker Stefan Wogawa erkennen, dass man bei den unter hohem Druck getroffenen Entscheidungen in der Coronakrise differenzieren wolle und nicht die Abrechnung, sondern präventive Lehren im Vordergrund stünden. „Es wurde nicht alles falsch gemacht!“
„Jeder Untersuchungsausschuss ist retrospektiv“, setzte hingegen Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban einen anderen Akzent, redete aber auch davon, zukünftig Fehler vermeiden.
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