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Compact-Prozessbeginn am DienstagFaesers Verbot auf dem Prüfstand

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt in einem Großverfahren über das Verbot des rechtsextremen Magazins Compact. Das Urteil soll noch im Juni verkündet werden.

Jürgen Elsässer gibt sich siegessicher Foto: Michael Bahlo/dpa

Berlin taz | Ab Dienstag wird das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig über das Verbot des rechtsextremen Compact-Verlags verhandeln. Innenministerin Faeser hatte das Magazin Compact im Juli 2024 verboten. Das BVerwG hat das Verbot jedoch einen Monat später vorläufig ausgesetzt – bis zur jetzigen mündlichen Verhandlung.

Der Compact Verlag gibt das Monatsmagazin Compact mit einer verkauften Auflage von rund 40.000 Exemplaren heraus. Eine Tochtergesellschaft produziert CompactTV, das auf YouTube täglich eine Schwerpunkt-Sendung produziert und inzwischen rund 512.000 (kostenfreie) Abon­nen­t:in­nen hat.

Hauptgesellschafter des Verlags und Chefredakteur des Magazins ist Jürgen Elsässer, der bis 2010 als Redakteur für linksradikale Medien wie ak, junge welt, jungle World und Konkret schrieb. Nach einer etwa zehnjährigen anti-deutschen Phase öffnete er sich ab 2000 immer mehr für nationalistische Positionen, gründete 2010 Compact als Querfront-Projekt und engagierte sich ab 2014 als AfD-Unterstützer. Ab 2021 hat der Verfassungsschutz Compact als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.

Im Juli 2024 verbot die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Compact Magazin GmbH und angeschlossene Gesellschaften unter Berufung auf das Vereinsgesetz. Die Gesellschaften richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, so Faeser. Straftaten wurden Compact nicht vorgeworfen.

In der 79-seitigen Verbotsverfügung hieß es, Compact agiere „kämpferisch-aggressiv“ gegen die zentralen Werte des Grundgesetzes, insbesondere Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde. Compact vertrete offen den „Sturz des Regimes“ und ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept, das ethnisch Fremde nach Möglichkeit aus dem deutschen Staatsvolk ausschließt. Menschen nicht-deutscher Abstammung würden ständig diffamiert und mit Kriminalität in Verbindung gebracht, etwa wenn behauptet wird, die Zuwanderung verwandele Deutschland „in eine große Vergewaltigungszone, in der Frauen nunmehr Freiwild sind.“

Compact klagte gegen das Verbot und erhob einen Eilantrag. Für beides ist in erster und einziger Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zuständig. Das Gericht gab dem Eilantrag statt und setzte das Verbot nach vier Wochen vorläufig aus. Der Erfolg der Klage sei offen, im Zuge einer Interessensabwägung habe die Pressefreiheit bis zur mündlichen Verhandlung Vorrang. Compact propagiere zwar Aussagen, die die Menschenwürde verletzen, im Eilverfahren könne jedoch nicht festgestellt werden, ob diese die Publikationen „prägen“.

In der nun anstehenden Hauptverhandlung über die Compact-Klage muss der 6. Senat des BVerwG nun entscheiden, ob die verfassungswidrigen Äußerungen Compact prägen oder ob verfassungsrechtlich unproblematische Inhalte wichtiger sind. Die Rich­te­r:in­nen wollen dabei nicht Seiten zählen, sondern das „Gesamtbild“ bewerten.

Schon in der Eil-Entscheidung hatten die Rich­te­r:in­nen klar gemacht, dass sie die Anwendung des Vereinsgesetzes auf einen Verlag und damit auch auf journalistische Medien unproblematisch finden. Tatsächlich hat das Leipziger Gericht schon oft das vereinsrechtliche Verbot von (insbesondere PKK-nahen kurdischen) Medien bestätigt.

Entscheidend dürfte in Leipzig sein, ob der Eingriff in die Pressefreiheit verhältnismäßig ist oder ob es mildere Mittel als ein Verbot des gesamten Verlags mitsamt Magazin und TV-Programm gäbe. Denkbar wäre etwa das Verbot einzelner Videos auf rundfunkrechtlicher Grundlage nach der Ausstrahlung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst drei Verhandlungstage von Dienstag bis Donnerstag angesetzt. Weitere Verhandlungstage sind möglich. Ein erster Verhandlungstermin im Februar war auf Juni verschoben worden, weil im Februar eine Verlängerung jedenfalls nicht im Großen Sitzungssaal möglich gewesen wäre. So findet die Verhandlung gegen die AfD-nahe Mediengruppe immerhin erst nach der Bundestagswahl statt. Das Urteil wird sicher nicht in dieser Woche, aber wohl noch im Juni verkündet.

Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer zeigte sich auf CompactTV siegesgewiss, weil über seine Klage die gleichen Richter entscheiden, die im August das Verbot vorläufig aussetzten. Da könnte er sich allerdings täuschen. Die Richter haben nicht mit einer wahrscheinlich erfolgreichen Klage argumentiert, sondern mit einem „offenen“ Verfahrensausgang. Elässer räumte ein, dass er im Verbotsfall auch „einen Plan B, Plan C und Plan D“ habe.

Interessant ist, dass auf der Gegenseite mit Alexander Dobrindt (CSU) ein neuer Innenminister verantwortlich ist. Ob er die Argumentation von Faeser gegenüber Compact aufrechterhält, wollte das Ministerium auf taz-Anfrage nicht beantworten.

Am 6. Senat des BVerwG ist auch die Nichtzulassungsbeschwerde der AfD im Verfahren um die Einstufung als extremistischer Verdachtsfall anhängig. Eigentlich war längst mit einer Entscheidung des BVerwG gerechnet worden. Der Senat will aber zunächst das Compact-Verfahren abschließen.

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4 Kommentare

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  • Die deutsche Lust am Verbieten und Schurigeln ist ungebrochen.



    Wenn Compact verboten wird, wer ist als Nächstes dran?



    Die ehemalige letzte Generation möchte schon die Bild verbieten.



    Die Junge Freiheit steht auch auf der Liste,



    Wer bestimmt wo es aufgehört?



    Wenn sich die politischen Verhältnisse mal ändern sollten, sind alle Bestecke schon ausgepackt und liegen bereit:



    Trusted Flagger, Vereinsverbote, neue NGOs…..

  • Compact ist ein rechtsextremes Schmierblatt, das die Freiheitliche Demokratische Grundordnung in Frage stellt.

    Wehret den Anfängen! Wobei die Firma schon lange über die Anfänge hinaus ist. Also weg damit.

  • Danke für diesen sehr informativen und neutral gehaltenen Bericht.



    Er setzt sich wohltuend von der Berichterstattung zur Zeit des Verbots ab, während der auch linke KommentatorInnen die Bundesinnenministerin für ihr Vorgehen kritisierten.



    Obwohl es sich bei Compact um ein Reaktionäres Rechtsextremes Schmierblatt handelt, sahen sich insbesondere linke JounalistInnen bemüßigt, die Pressefreiheit über den Kampf gegen antidemokratische Bewegungen zu stellen.



    Da schien bei so Manchem durch, dass er/sie sich lieber mit dem Kampf gegen die SPD, statt mit dem Kampf gegen die "afd" beschäftigt.



    Das ist wohl schlicht weniger gefährlich... .



    Das Ergebnis dürfte durchaus ein erster Hinweis auf Verfahren gegen die "afd" darstellen.



    Ich kann nur hoffen, dass Alles "gut" ausgeht!

  • Wie nennt man Menschen, die sich an Kleinen vergreifen (Linksunten, vllt. auch Compact) aber sich an die Großen (AfD, Mediemilliardäre…) nicht herantrauen? Ball... Bull... es liegt mir auf der Zunge...