Cohn-Bendit zu Schwarz-Grün in Hessen: „Die Grünen riskieren was“

In einer Koalition mit der CDU können die Grünen ihre Bedeutung beweisen, meint Daniel Cohn-Bendit. Den Wählern müsse die Partei den Schritt erklären können.

„Nein, ich mache das wirklich freiwillig.“ Bild: dpa

taz: Der Protest gegen den Frankfurter Flughafen war bislang Herzensangelegenheit der hessischen Grünen – auch Ihre. Jetzt wollen die Grünen mit der Partei, die den Flughafen unbedingt ausbauen will, Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Wie soll das gehen?

Daniel Cohn-Bendit: Manchmal zwingt einen die politische Realität zu Dingen, die man früher für unmöglich gehalten hätte. Diese Koalitionsverhandlungen sind ein Ritt über den Bodensee, aber es zu versuchen, ist richtig.

Schwarz-Grün ausgerechnet in Hessen, ausgerechnet unter Volker Bouffier, einem Vertrauten Kochs – der als Frontmann der rechten CDU gerne mal mit Stimmung gegen Migranten Wahlkampf machte?

Ausgerechnet de Gaulle, der im Grunde in Frankreich geputscht hat, damit Algerien französisch bleibt, hat dann die Unabhängigkeit Algeriens besiegelt. Aber trotzdem sind Ihre Argumente alle richtig und das wissen auch alle Beteiligten. Deshalb müssen sie in den Verhandlungen zeigen, warum es trotzdem geht. Der Vertrag muss wirklich grün-schwarz sein.

Das heißt?

Das heißt, dass sich die CDU beim Flughafen bewegen muss. Außerdem muss es einen Schulfrieden geben: mehr Autonomie für die Schulen, weniger Staat, mehr finanzielle Möglichkeiten. Dann muss Hessen einen entscheidenden Schritt bei der Energiewende machen. Und es wäre gut, wenn es einen politisch demonstrativen Schritt nach vorne in der Frage der Integration geben würde – mit einem Minister oder einem Staatssekretär.

geboren 1945 in Frankreich. 1958 Umzug in die BRD. Rückkehr nach Frankreich, Anführer im Pariser Mai, '68 ausgewiesen. Sponti in Frankfurt/Main, '89 Multikulti-Dezernent. Seit '94 Grünen-Europaparlamentarier.

Trotzdem: Werden nicht viele grüne Wähler Schwarz-Grün schlicht als Verrat empfinden?

Die Grünen müssen den Mut und die Kraft haben, ihren Wählern das zu erklären – mit einer guten Erzählung. Diese Erzählung hängt natürlich vom Koalitionsvertrag ab. Die Grünen riskieren was. Aber auch hier gilt: In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod. Die Grünen können jetzt beweisen, welche Bedeutung sie in dieser Republik haben könnten: Dafür ist Schwarz-Grün eine Möglichkeit, Rot-Grün-Rot eine andere. Es reicht ja nicht zu sagen, wir müssen die Ausschließeritis beenden, ohne etwas zu riskieren. Aber verhandeln heißt ja nicht, dass am Ende auf jeden Fall die Koalition steht. Wenn es nicht geht, muss man nein sagen.

Hessen wäre das erste schwarz-grün regierte Flächenland. 1985 war es das erste rot-grün regierte Land, die Koalition hat gerade mal 14 Monate gehalten. Wie lange geben Sie Schwarz-Grün?

Fünf Jahre. Meine Erfahrung ist: Verhandlungen mit der CDU sind schwer, aber dann hält sie sich an den Vertrag. Bei der SPD ist das Verhandeln leichter, aber danach fängt die Interpretation des Vertrages an.

Was bedeutet all das für die Bundespolitik?

Dass es Alternativen zur Großen Koalition gibt.

Jetzt, ganz akut?

Nein. Jetzt wird es einen schwarz-roten Koalitionsvertrag geben und die SPD-Basis wird ihn absegnen. Es geht um künftige Optionen.

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