Clubkultur trotz Pandemie: Tanzen findet draußen statt
Berlin will seine Partys zurück: Die Clubs fordern ein Ende des Tanzverbots. Zumindest auf Freiflächen könnten bald auch wieder DJs auflegen.
Weil aber, wie bereits im letzten Jahr, trotz aller Corona- und Lockdownmaßnahmen die Lust auf ein Tanzvergnügen so groß ist, wird nun einfach wieder woanders gefeiert: Die neue Saison der illegalen Partys wurde bereits eingeläutet. Letztes Wochenende fanden in der inzwischen für seine illegalen Raves berühmt-berüchtigten Hasenheide gleich mehrere Zusammenkünfte zu Tanzmusik statt. Die Polizei griff ein und beschlagnahmte mehrere Musikanlagen. Interessant ist, dass in der B. Z. ein Sprecher der Polizei mit den Worten zitiert wurde: „Es ging hauptsächlich um Lärmbelästigung, aber auch um Verstöße gegen die Coronaregeln.“ Partylärm wird vor Corona als Begründung für den Polizeieinsatz genannt. Im letzten Jahr klang das bei den Maßnahmen gegen illegale Raves noch genau andersherum.
Und es gibt auch Versuche, auf legale Weise schon jetzt wieder gemeinsam feiern zu können – etwa getarnt als Kundgebung. Letztes Wochenende fand auf dem Tempelhofer Feld das „Festival for Future“ statt, eine angemeldete Demonstration für „Klimagerechtigkeit“. Teilnehmende wurden aufgefordert, Schilder gegen den Klimawandel zu basteln. Als Belohnung legten DJs auf und es durfte getanzt werden. Augenzeugen berichteten: Das war richtig eine Party. Diesen Sonntag wird das „Festival for Future“ erneut auf dem Tempelhofer Feld stattfinden.
Nicht nur illegal
Aber schon sehr bald soll es mehr geben als illegale Tanzveranstaltungen und als Demos getarnte Partys. Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission, hofft, dass schon im Juni auch auf den Freiflächen der Clubs wieder DJs Platten drehen können. Dass der Senat hier nicht mehr gelockert hat, kann er nicht nachvollziehen – er kritisiert insbesondere die Entscheidung, dass weiterhin nur Veranstaltungen mit fest zugewiesenen Sitzplätzen möglich sind. „Ob auf den Außenflächen eines Clubs oder im Park, es bleibt Menschen verboten, im Freien zu tanzen“, sagt Leichsenring. Daran könne bisher weder ein negatives Testergebnis noch ein ausgefeiltes Hygienekonzept etwas ändern. „Das Tanzverbot ist für uns absolut nicht nachvollziehbar und sollte deshalb so schnell wie möglich abgeschafft werden.“
“Im Sommer 2020 konnten wir bereits mit zahlreichen Tanzveranstaltungen unter freiem Himmel beweisen, dass sicheres Tanzen mit unseren Hygienekonzepten möglich ist“, sagt auch Pamela Schobeß von der Clubkommission. „Jetzt, wo die Infektionsraten wieder stark gesunken sind, sollte es für die Politik wieder selbstverständlich sein, der Gesellschaft das Recht zurückzugeben, unter freiem Himmel tanzen zu dürfen.“ Die Clubcommission fordert dazu auch die zeitnahe Durchführung von Testveranstaltungen in Innenräumen, wie sie zuletzt in Barcelona, Amsterdam und Liverpool durchgeführt wurden.
Leichsenring verweist darauf, dass mehrere Kollektive bereits von den Bezirken Flächen zugeteilt bekommen haben, auf denen es bald Veranstaltungen geben soll. Die Clubcommission arbeitet dafür eng mit der Kulturverwaltung und in Abstimmung mit der Verwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie den Bezirken zusammen und ist Teil eines Projekts, das sich „Draußenstadt“ nennt. In dessen Rahmen sollen über die ganze Stadt verteilt Bühnen aufgestellt und Freiflächen angeboten werden, auf denen Kunst- und Theaterperformances gezeigt werden oder Freiluftkinos entstehen sollen. Und wo teilweise eben auch getanzt werden darf. Neue Räume in der Stadt sollen ausdrücklich entdeckt und erobert werden, bewirbt „Draußenstadt“ ihr Vorhaben auf ihrer Homepage.
„Draußenstadt“ erst ab August
Daniel Bartsch, Pressesprecher der Berliner Kulturverwaltung, sagt, „Draußenstadt“ sei in gewisser Weise das Nachfolgeprojekt zu „Draußen spielt die Musik“, das es im letzten Sommer gab. Hier stellten die Bezirke Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf Freiflächen zur Verfügung, die bespielt werden konnten.
Dieses Mal soll jedoch, so Lena Prabha Nising von der Projektleitung von „Draußenstadt“, die Freiluftkultur über die ganze Stadt verteilt werden. Zehn Flächen werden über mehrere Berliner Bezirke verteilt zur Verfügung gestellt. Für jede Fläche werde es eine Infrastruktur geben, also etwa Strom vorhanden sein. Sogenannte Flächenhosts werde es als Ansprechpartner geben. Auf den meisten der Flächen könne es aus Lärmschutzgründen nur mittellaute Veranstaltungen geben, auf dreien immerhin dürfen aber auch Partys veranstaltet werden. Die genauen Orte, an denen all das passiert, werden ab Montag über die Homepage von „Draußenstadt“ bekannt gegeben.
Dann können sich Künstler und Künstlerinnen und DJs dafür bewerben, die Freiflächen und Bühnen bespielen zu dürfen. Fördersummen zwischen 10.000 und 60.000 Euro werden für einzelne von einer Jury erwählte Projekte zur Verfügung gestellt, in Einzelfällen sogar bis zu 120.000 Euro. Doch das dauert noch: Denn so richtig erblühen soll die „Draußenstadt“ erst ab August.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein