Chinas Militär nach dem Machwechsel: Oberbefehlshaber der größten Armee
Chinas Militärs unterstehen seit Maos Zeiten direkt der KP. Der neue Parteichef Xi dürfte schon jetzt den Topposten in der Armee übernehmen, was seine Position stärkt.
PEKING taz | Die militärisch-zackige Gangart beherrscht Xi Jinping bereits. Als er zu Beginn des 18. Parteitags am vergangenen Donnerstag zusammen mit den anderen Führungsmitgliedern das Podium in der Großen Halles des Volkes betritt, steuert er mit durchgedrücktem Rücken und erhobenem Haupt auf seinen Platz zu.
Inzwischen scheint klar: Xi Jinping wird am Ende dieses Parteitags nicht nur zum KP-Chef gekürt, sondern auch das Amt des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission der Volksbefreiungsarmee übernehmen – und damit Oberbefehlshaber der größten Armee der Welt.
Die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtete, dass Chinas scheidender Parteichef Hu Jintao am kommenden Donnerstag nicht nur offiziell sein Amt als Chef der Kommunistischen Partei aufgeben wird, sondern auch seinen Posten als Oberkommandierender der Streitkräfte. So macht er Xi den Weg ganz frei.
Hus Vorgänger Jiang Zemin hatte beim turnusgemäßen Führungswechsel 2002 den Topmilitärposten noch zwei Jahre länger behalten als ursprünglich vorgesehen. Bis heute spinnt der inzwischen 86-jährige Jiang im Hintergrund seine Fäden.
„Es wird eine Befreiung sein“
Beobachter vermuten, dass Noch-Amtsinhaber Hu auf den Posten des Oberbefehlshabers nun verzichtet, um keine weiteren Machtkämpfe ausfechten zu müssen. Er sei nicht so machthungrig, um den Posten zu behalten, sagt der Historiker und Kenner der Kommunistischen Partei, Zhang Lifan. „Es wird eine Befreiung für ihn sein.“
Wer welche Posten in den mächtigsten Institutionen China erhält, wird in den höchsten Etagen der Kommunistischen Partei hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Nach außen an die Öffentlichkeit dringt wenig von den Kämpfen um Ämter und Pfründen. Dass Xi Parteichef und im kommenden März voraussichtlich Staatschef wird, schien bereits seit Monaten festzustehen. Spannend bleibt, wer auf den Plätzen drei bis sieben beziehungsweise neun im Ständigen Ausschuss des Politbüros sitzen wird, dem eigentlichen Machtzentrum der Volksrepublik China. Am Donnerstag tritt das neu zusammengesetzte Gremium in der Großen Halle des Volkes zum ersten Mal an die Weltöffentlichkeit.
Chinas Volksbefreiungsarmee hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrere große Strukturreformen hinter sich. Sie ist von einst 5,5 Millionen Soldatinnen und Soldaten auf heute 2,2 Millionen geschrumpft – aber sie ist immer noch die größte Armee der Welt. Dabei führt sie ein Eigenleben mit enormem Einfluss auf Chinas Politik und Wirtschaft. Sie besitzt Tausende von Betrieben, darunter Fünf-Sterne-Hotels und Pharmaunternehmen. Sie ist in der Waffen- und Maschinenbauindustrie tätig. Vor allem im so wichtigen Energie- und Rohstoffsektor mischt sie kräftig mit. Und längst auch international: An Erdölfeldern im Irak ist sie ebenso beteiligt wie an Rohstoffgeschäften im Sudan.
Der Etat der Volksbefreiungsarmee lieg nach offiziellen Angaben bei über 100 Milliarden US-Dollar. Nach Schätzungen von Militäranalysten des Forschungsdienstes IHS soll sich dieser Etat bis 2015 auf 240 Milliarden Dollar verdoppeln. Neben den Gewinnen aus den eigenen Betrieben wächst das Militärbudget seit den frühen 90er Jahren jedes Jahr um eine zweistellige Wachstumsrate. Außerdem erhält es viele Milliarden Dollar zusätzlich für den Kauf von Waffen. Noch kann die chinesische Truppe zwar weder technisch noch bei den Ausgaben mit den USA mithalten. Doch sie ist inzwischen so stark, Chinas Nachbarn das Fürchten zu lehren.
Großes Brimborium
Das hat sie wenige Tage vor dem Parteitag auch zum wiederholten Male getan. Mit großem Brimborium präsentierte die Luftwaffe mit den J-31-Kampfjets Tarnkappenflieger der zweiten Generation, die fürs gegnerische Radar so gut wie nicht erkennbar sind. Sie sind den US-Jets F22 und F35 auffällig ähnlich. Einen ersten Flugzeugträger hat die Marine vor Kurzem der Öffentlichkeit vorgestellt.
Diesem mächtigen Apparat steht Xi künftig vor. Und Beobachter vermuten, Chinas Generäle werden ihm sehr viel mehr Gefolgschaft leisten als Hu. Xi ist Sohn eines berühmten Militärführers der Gründergeneration. Zudem hat Xi junior seine politische Karriere in der Militärkommission begonnen. Er kennt also den Apparat. Xi verfüge über eine sehr viel größere Autorität, urteilt Wu Qiang, Politologe an der renommierten Tsinghua-Universität.
Schon Deng Xiaoping soll seinem Nachfolger Jiang Zemin einst den Rat gegeben haben: „Von fünf Arbeitstagen verbringe vier mit hochrangigen Militärs.“ Falls Xi in den kommenden Wochen nicht so viel in der Öffentlichkeit zu sehen ist, wird die Welt wissen, warum: Er verbringt Qualitätszeit mit den Generälen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“