Chinas Elektroauto-Offensive: Smartphones auf Rädern
Mit Xiaomi plant das nächste Tech-Imperium aus China Elektroautos. Der heimische Hersteller-Markt ist wegen Subventionen bereits übersättigt.
In grauem Sakko und weißen Sneakers gekleidet, sprach Lei vor vollem Zuschauerrängen mit seiner für ihn typisch motivierenden Art: Elektroautos, so sagt der studierte Informatiker, soll das letzte unternehmerische Großprojekt seines Lebens werden.
10 Milliarden Yuan wird das Pekinger Tech-Imperium dafür in einer ersten Runde investieren, umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro. Details ließ Xiaomi-Gründer Lei in seiner Rede zwar aus, doch die Börsenhändler reagierten optimistisch: Am Tag der Ankündigung stiegen die Xiaomi-Aktien um 6 Prozent.
Nun ist es nicht so, dass die Branche für E-Mobilität noch auf einen weiteren Mitspieler gewartet hätte. Der Markt in der Volksrepublik ist ganz im Gegenteil durch die großzügigen Subventionen der Regierung bereits mehr als übersättigt. Der Großteil der weit über hundert zählenden Start-ups wird in den nächsten Jahren pleitegehen, noch ehe die ersten Elektroautos vom Band rollen. Doch Xiaomi hat trotz der zahlreichen Konkurrenz einen Vorteil – nämlich einen hohen Markenwert.
Ein Tausendsasa
Im Ausland sind die Chinesen für ihre preiswerten und dennoch hochwertigen Handys bekannt, gegen Ende 2020 stieg Xiaomi erstmals hinter Apple und Samsung zum weltweit drittgrößten Smartphone-Produzenten auf. Im Heimatmarkt bietet Xiaomi zusätzlich so ziemlich alles an, was sich unter Tech-Spielereien vorstellen lässt – von smarten Klimaanlagen über Luftbefeuchter, Reiskocher bis hin zu Staubsauger-Robotern.
Wahrscheinlich, so heißt es unter Branchen-Insidern, wird Xiaomi aber nicht eigene Fabriken errichten. Die Produktion der Autos werden die Chinesen wohl einem Partner überlassen, um sich voll auf die Software-Entwicklung zu konzentrieren.
Jedes zweite E-Auto in China
Die chinesische Regierung hat schon früh versucht, die Verbrennungsmotoren aus den stark verschmutzten Städten zu verbannen. Erst im März veröffentlichte die Münchner Unternehmensberatung Roland Berger seinen alljährlichen „E-Mobility Index“ für 2021, der zum zweiten Mal in Folge von China angeführt wird – vor Deutschland und Frankreich. Jedes zweite Elektroauto fährt auf chinesischen Straßen, fast 70 Prozent der Batterieproduktion stammt aus dem Reich der Mitte. Das Ziel von Pekings Wirtschaftsplanern ist es, den Verkauf von Verbrennungsmotoren bis 2035 vollständig auslaufen zu lassen.
Chinas vielversprechendster Elektroauto-Kandidat ist ausgerechnet ein Konzern, der noch vor wenigen Monaten vor der Pleite stand: Rund 2,7 Milliarden Dollar haben chinesische Staatsunternehmen aufgebracht, um „Nio“ vor dem Aus zu retten. Dabei wird das Unternehmen mit Sitz in Shanghai von internationalen Medien nach wie vor als „Chinas Tesla-Jäger“ betitelt.
Kaufkräftige Mittelschicht von 400 Millionen
Sein jüngst vorgestelltes Modell „ET7“ schafft es von null auf hundert in unter vier Sekunden, bis Ende nächsten Jahres möchte Nio eine Batterie mit bis zu 1.000 Kilometern Laufzeit auf den Markt bringen. Bislang hat das Unternehmen zwar noch nicht die schwarzen Zahlen erreicht, dennoch sind die in New York gehandelten Nio-Aktien im letzten Jahr um das 30-Fache gestiegen.
Ob Xiaomi mit seiner Elektroauto-Sparte eine ähnlich rasante Fahrt hinlegen wird, bleibt fraglich. Doch sein Heimatmarkt bietet dem Unternehmen zumindest eine vollentwickelte Wertschöpfungskette und eine kaufkräftige Mittelschicht von rund 400 Millionen. Zudem ist Xiaomi-Gründer Lei Jun Experte aus erster Hand: Seit 2013 fährt er bereits ein Elektroauto, wie er in seiner Rede am Dienstag verrät – einen Tesla.
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