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Chemikalien an deutschen KüstenGreenpeace warnt vor Gefahr im Meeresschaum

An deutschen Küsten finden sich hohe Konzentrationen der sogenannten Ewigkeitschemikalien, warnen Umweltschützer. Diese bergen Gesundheitsrisiken.

Probenahme und Analyse von Meeresschaum auf PFAS auf der Insel Sylt Foto: Roman Pawlowski/greenpeace germany

Berlin taz | Besonders beliebt ist er bei kleinen Kindern: der weiße Meeresschaum am Strand. Die Gischt eignet sich prima als Material für einen lustigen Bart oder als Dekoration für eine Sandburg. Doch was eigentlich ein harmloses Gemisch aus Wasser und Luft sein sollte, enthält an Deutschlands Küsten nach Messungen der Umweltorganisation Greenpeace auch gefährliche Chemikalien.

Genauer gesagt handelt es sich um die sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Die Chemikalien kommen dank wasserabweisender und hitzebeständiger Eigenschaften in vielen Produkten vor, die im Alltag genutzt werden. Das gilt etwa für Pfannen, Regenjacken oder Imprägniersprays. Zu den Besonderheiten der PFAS gehört auch, dass sie nicht natürlich abbaubar sind, weswegen sie auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt werden. Sie reichern sich also nach dem Konsum im menschlichen Körper an.

Nun haben Forscher von Greenpeace hohe Werte dieser Chemikalien im Schaum entlang der deutschen Küste nachgewiesen. Sie nahmen Proben auf Nordeney, Sylt, in Sankt Peter-Ording, Boltenhagen und Kühlungsborn. Das Ergebnis: Die Konzentration im Meeresschaum war an allen Orten so hoch, dass sie die Richtlinien für die Konzentration im Trinkwasser um ein Vielfaches überschreiten.

Gesonderte Vorgaben für Badewasser gibt es in Deutschland nicht. Die höchsten Werte wurden am Strand von Kühlungsborn gemessen. Hier fanden die Forscher rund 160.000 Nanogramm PFAS pro Liter. Zum Vergleich: Im deutschen Trinkwasser sollen ab 2026 höchstens 100 Nanogramm von PFAS pro Liter vorkommen.

Gesundheitliche Auswirkungen von PFAS

PFAS stehen stark im Verdacht, negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu haben. Laut dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gibt es einen „statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen PFAS im Blut und schädlichen Blutfetten“. Diese sind mit einem höheren kardiovaskulären Risiko assoziiert, so das DZNE. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland berichtet, dass Krebs, Organschäden und erhöhte Fehlgeburtsraten ebenfalls dokumentierte Folgen von PFAS sind.

In Dänemark und den Niederlanden warnen die Behörden vor dem Meeresschaum

Julios Kontchou, Greenpeace

Julios Kontchou, Ökotoxikologe von Greenpeace, kritisiert den deutschen Umgang mit den PFAS Vorkommen im Meeresschaum. Er sagt: „In Dänemark und den Niederlanden warnen die Behörden vor dem Kontakt mit Meeresschaum und erklären, wie man sich nach einem Strandbesuch dekontaminiert. Deutsche Behörden testen nicht mal offiziell“. Entsprechend fordert er von deutschen Behörden, darauf hinzuweisen, dass betroffene Körperstellen nach dem Kontakt mit Meeresschaum mit klarem Wasser abgewaschen werden sollen.

Nicht nur im Meereswasser sind die hohen PFAS-Werte problematisch – auch im Rhein sind die Chemikalien vermehrt zu finden. Durch industrielle Abwässer werden PFAS in den Rhein geschwemmt und kommen dann in den Niederlanden an. Hier müssen sie dann aus dem Wasser gefiltert werden, was für Ärger bei dem deutschen Nachbarland sorgt. Gerard Stroomberg vom Verband der niederländischen Flusswasserwerke RIWA-Rijn forderte von der deutschen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), einen Grenzwert von PFAS für gereinigte Industrieabwässer festzulegen.

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1 Kommentar

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  • Hochgradig unseriöse Studie. Der Grenzwert für Trink- oder Badewasser ist irrelevant, weil Schaum unpolare Stoffe wie PFAS um viele Größenordnungen gegenüber der flüssigen polaren Phase anreichert - so etwas wird auch gezielt in diversen technischen Prozessen ausgenutzt. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich dass gleichzeitig im Schaum die Konzentration von natürlichen Algengiften ebenfalls im roten Bereich war, oder umgekehrt, dass die PFAS-Konzentration im eigentlichen Meerwasser noch tragbar war. Das heißt natürlich nicht, dass PFAS an sich unbedenklich sind, ganz im Gegenteil. Aber durch die Messmethode die Konzentration um den Faktor eine Million oder ähnlich zu boosten um eine Schlagzeile zu produzieren ist einfach unseriös.