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Checkpoints in DamaskusDen Finger am Abzug

In den vom Assad-Regime kontrollierten Teilen der syrischen Hauptstadt Damaskus fürchten viele Menschen einen Angriff der USA.

„Verteidigen bis zum letzten Mann“: Ein syrischer Soldat trägt das Konferfei Assads als Herzchen auf der Brust Bild: reuters

DAMASKUS taz | In der syrischen Hauptstadt ist die Stimmung angespannt. Angesichts der drohenden Luftschläge haben viele Menschen in den von der Regierung kontrollierten Stadtteilen damit begonnen, Lebensmittel zu hamstern. Die Menschen sind nervös: Im Fünfminutentakt sind schwere Explosionen an den Stadträndern zu hören.

Die Zahl der Straßenkontrollen hat sich stark vermehrt. Selbst in den kleinsten Nebenstraßen und an unerwarteter Stelle sind Barrieren aufgestellt. Schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren in den Straßen mit dem Finger am Abzug ihres Sturmgewehrs.

Ein Soldat, der einen Checkpoint in der Altstadt bewacht, sagt: „Unsere Armee verteidigt Syrien gegen jeden Gegner bis zu ihrem letzten Mann.“ Er zeigt dabei stolz auf die Konterfeis von Vater und Sohn al-Assad, die in Brusthöhe auf seiner Uniform aufgestickt sind, und fügt hinzu: „Ich bin bereit, für Präsident Baschar zu sterben.“

An seinem Gürtel trägt der Soldat, wie inzwischen alle Angehörigen der Streitkräfte im Zentrum, eine Tasche, in der sich eine Gasmaske und Handschuhe befinden. „Wir sind vorbereitet auf alles“, sagt er.

Martin Lejeune

Ehemaliger freier Mitarbeiter, die taz hat 2014 die Zusammenarbeit beendet.

Die Mehrheit ist dagegen

Die Meinungen zu dem drohenden Militärschlag der US-Amerikaner und Franzosen gehen in den von der Regierung kontrollierten Stadtteilen weit auseinander. „Die große Mehrheit ist wie ich dagegen“, erklärt Susanne Hinnaui.

Die Sunnitin, die als erfolgreiche Unternehmerin in der Pharmaindustrie tätig ist, hat sich bisher weder für noch gegen das Regime positioniert. Das wäre schlecht fürs Geschäft, ist sie sich gewiss. „Ein Bombardement Syriens wird nicht nur Militäranlagen, sondern auch große Teile der Infrastruktur zerstören, wie zuletzt in Irak und Libyen geschehen, und auch die Wirtschaft Syriens weit zurückwerfen“, begründet Hinnaui ihre Einstellung.

Immer deutlicher äußern hingegen weite Teile der verarmten Bevölkerung ihren Unmut über das Regime. Hussein Maxos, ein Arabischlehrer aus Afif in Ostmuhadschirin, einem der besseren Viertel von Damaskus, verdiente bis vor drei Jahren sehr gut, indem er Botschaftsmitarbeitern Arabisch lehrte. Seit der Schließung der westlichen Botschaften ist er arbeits- und inzwischen völlig mittellos.

Nur Wenige profitieren

Maxos, der selbst viele Jahre in der regierenden Baath-Partei aktiv war, ist zutiefst enttäuscht von dem Regime, „das schon lange nicht mehr seinen eigenen Idealen gerecht wird“, wie er sagt. „Die Errungenschaften und Vorteile, mit denen sich das Regime die Bevölkerung einst gefügig machte, kommen bei den Menschen nicht mehr an“, sagt Maxos. Inzwischen profitiere nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung vom Regime.

Dennoch lehnt der ehemalige Unterstützer des Regimes jeglichen Eingriff von außen ab. „Früher benutzte die französische Kolonialmacht die Christen, Drusen und Alewiten, um mit ihrer Hilfe die Kontrolle über das gesamte Territorium zu erlangen. Heute benutzt die westliche Intervention die Islamisten als ihre Agenten, um ihren Einfluss in Syrien zu stärken“, sagt er.

Nur weil die islamistischen Kämpfer derzeit schwächelten, erwögen die USA ein Bombardement Syriens, so lautet ein breiter Konsens in den von Assad kontrollierten Teilen der syrischen Hauptstadt.

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5 Kommentare

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  • 1G
    1338 (Profil gelöscht)

    Die USA sollten verbindlich erklären, keine militärische Aggression gegen Syrien zu starten und auf die Rebellen einwirken, dass sie ebenfalls unter ihrer Kontrolle

    stehenden Chemiewaffen abgeben.

     

    Putin hat die Lage genau erkannt. Es kann keine Herausgabe

    der Chemiewaffen durch Syrien geben, wenn die Sicherheit

    des Landes nicht gewährleistet ist.

     

    http://german.ruvr.ru/news/2013_09_10/Putin-Kontrolle-uber-Chemiewaffen-in-Syrien-ist-nur-bei-US-Verzicht-auf-Gewaltanwendung-moglich-4610/

     

    Man darf auch nicht die chemischen und atomaren Waffen Israels vergessen.

     

    Ich könnte mir auch folgendes Szenarium vorstellen:

     

    Putin schickt ebenfalls seine Kriegsflotte vor die Küste Syriens und droht damit, bei einem Angriff auf Assad und

    seine Armee, die Rebellen anzugreifen. Dies könnte er mit

    den gleichen Argumenten begründen, wie dies Obama tut,

    nämlich den Einsatz von Giftgas. So würden Washingtons Kriegsdrohungen neutralisiert, und alle Parteien müssten

    einer Verhandlungslösung zustimmen.

     

    Die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Protagonisten dürften in diesem Konflikt eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Siehe hierzu:

     

    Wieder Krieg für Rohstoffe statt Demokratie

    http://www.freitag.de/autoren/hans-springstein/wieder-krieg-fuer-rohstoffe-statt-demokratie

  • T
    toyak

    @Janis Ehling

    Können Sie mir bitte "den großen" Unterschied zwischen Alawiten und Aleviten erklären.

    Großer Unterschied gibt es gar nicht, wird aber heutezutage propagiert, um den Aleviten in der Türkei stillhalten zu können.

  • M
    Martin

    Gibt es eine "Völkergemeinschaft" , die den Angriff auf ein einzelnes Land fordern könnte ?

    Als Inhaber von Ansprüchen, womöglich mit einem Recht zu Bestrafungen, gibt es eine solche Institution nicht.

    Nehmen wir "Demokratie" einmal ernst : Will die Mehrheit der Staaten. womöglich der Weltbevölkerung eine "Bestrafung", ein "hartes Vorgehen" gegen irgendjemanden in Syrien ?

    Assad soll es ja nicht sein. Wer dann? Darf man das nicht erfahren ?

  • T
    treibsand

    Zitat:

    "Nur weil die islamistischen Kämpfer derzeit schwächelten, erwögen die USA ein Bombardement Syriens, so lautet ein breiter Konsens in den von Assad kontrollierten Teilen der syrischen Hauptstadt."

     

    Das dürfte weltweit Konsens unter den Aufmerksamen sein - inklusive der amerikanischen Bevölkerung. Für die FSA sieht es wohl auch nicht besonders gut aus.

     

    "Die oppositionelle Freie Syrische Armee (FSA), die mehr als zwei Jahre gegen die Truppen von Präsident Baschar al-Assad kämpft, steht vor dem Auseinanderfallen – dies behauptet der belgische Politologe und Historiker Pierre Piccinin, der mehrere Monate in der Gewalt der syrischen Regimegegner verbracht hat."

    http://de.ria.ru/politics/20130910/266846946.html

     

    Ist das Grund zur Häme oder Schadenfreude oder ein Sympathiebeweis für Assad. Nein, sondern der Wille zur politischen Lösung - aber eben notfalls mit Assad und nicht ohne ihn. Ein Regimechange um jeden Preis ist nicht Sache der Welt. Demokratisierung kann halt nicht von außen erzwungen werden. Profitiert hätte davon auch kaum das syrische Volk, sondern diejenigen, diejenigen die den Brand mit Feuer löschen wollen.

  • JE
    Janis Ehling

    Kleine Korrektur: Es heißt Alawiten und nicht Alewiten. Da gibt es einen großen Unterschied!