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Charlotte Merz auf dem CDU-ParteitagDie Wegboxerin

Kommentar von Joscha Frahm

Die Showeinlage von Charlotte Merz beim CDU-Parteitag am vergangenen Wochenende sorgt weiter für Erregung. Dabei hat sie nur Schlimmeres verhindert.

Glückwunsch ganz ohne Geboxe: Charlotte und Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag nach Friedrichs Wahl zum Vorsitzenden Foto: Michael Kappeler/dpa

V ier Bodyguards, eine Ehefrau und einen Daniel Günther – so viele Menschen braucht Friedrich Merz, um sich vor den kritischen Fragen eines Journalisten zu schützen. Was wie die Pointe eines blöden Witzes klingt, ist vergangenes Wochenende genau so passiert.

Als „heute show“-Reporter Lutz van der Horst den CDU-Vorsitzenden mit einer Frage zur „Leitkultur“ konfrontiert, beschützen ihn nicht nur seine Bodyguards, sondern auch Ehefrau Charlotte. Die Szene ist bizarr: Sie drängt sich dem Reporter auf, reißt ihm sein Mikro aus der Hand und antwortet auf die Frage, die eigentlich ihrem Gatten galt. „Leitkultur bedeutet, als allererstes zu fragen, ob man eine Antwort geben möchte“, schnauzt sie ins Mikro. Das mediale Echo auf die Aktion ist in den darauffolgenden Tagen groß, allgemein herrscht große Empörung. Und jetzt verurteilt auch der Deutsche Journalisten Verband die „Unverschämtheit“ scharf.

Doch ehrlicherweise sollten wir Charlotte Merz dankbar sein. Denn auf Fragen zur „Leitkultur“, die an Friedrich Merz gerichtet werden, können nur populistische und ausgrenzende Antworten folgen. Zur Erinnerung: Merz verbreitete Gerüchte von Geflüchteten, die sich zum Spaß die Zähne neu machen ließen, sprach von „kleinen Paschas“, die unsere Leitkultur bedrohten, und bezichtigte ukrainische Kriegsflüchtlinge des „Sozialtourismus“.

Es ehrt Charlotte Merz also, dass sie ihrem schwer beschäftigten Ehemann Friedrich die Bürde der erwartbaren Antwort abnahm. Zudem lenkt das leichte Unbehagen, das die Aktion von Charlotte Merz hinterlässt, immerhin ein wenig von der Vorstellung ab, dass der nächste Bundeskanzler tatsächlich Friedrich Merz heißen könnte, wie seine Wiederwahl als Vorsitzender auf dem CDU-Parteitag unterstrich.

Echte Image-Glattbüglerin

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sprang für Friedrich Merz in die Bresche. Cool und ehrlich antwortete er auf die Frage des Reporters, warum man das Thema Leitkultur in der CDU immer wieder aufwärme: „Weil uns halt sonst nichts eingefallen ist.“ Dass Günther kein Problem damit hat, die Fragen eines Journalisten zu beantworten, zeichnet ihn im Gegensatz zu Merz aus. Eine Gefahr für den potenziellen Kanzlerkandidaten der CDU also?

Charlotte Merz ist so etwas wie ein Multitalent, das die Schwächen ihres Ehemanns überstrahlen kann. Sie funktioniert nicht nur als Schlagzeilen-Wegboxerin, sondern auch Image-Glattbüglerin. Ende April gab sie der BILD am Sonntag ein Interview. Darin zeichnet sie ihren Gatten als liebenden Großvater und Ehemann – eine lustige Vorstellung, die der des impulsiven und hetzenden CDU-Chefs auf den ersten Blick so gar nicht entsprechen will.

Was eher wie belangloses Geplänkel scheint, könnte für Friedrich Merz entscheidend werden, denn seine persönlichen Beliebtheitswerte sind konstant niedrig, besonders bei jungen Menschen und bei Frauen. Die Vorstellung, dass Friedrich Merz seiner Ehefrau den Kopf bereits beim ersten Treffen verdrehte, wie sie – kein Scherz – im Interview mit der BamS schwärmte, lässt Merz fast menschlich wirken. Eine echte Qualität für einen möglichen zukünftigen Kanzler, die andere potentielle Kandidaten bisher besser beherrschen.

Im Ring vereint: Charlotte und Friedrich Merz Foto: Michael Kappeler/dpa

Zudem könnte Charlotte Merz die Rolle einer Art „First Lady“ ausfüllen, eine Position, die in Deutschland eher vorsichtig beschritten wird (wer war nochmal Britta Ernst?). Charlotte Merz strahlt spätestens seit ihrer Nahkampfeinlage etwas Kultiges aus, sie wird zur öffentlichen Figur, gar zum Meme.

Doch beim ganzen Schwärmen von Charlotte Merz ist nicht zu vergessen, dass die Causa auch einen ernsten Hintergrund hat. Obwohl Van der Horst Adiletten trägt und freche Fragen stellt, verdient er wie je­de:r Jour­na­lis­t:in eine Antwort statt Bevormundung.

Das ist bislang jedenfalls noch bundesdeutsche Leitkultur.

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22 Kommentare

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  • "weil uns nichts anderes eingefallen ist".



    Kennzeichnend und erwartbar.

    • @aujau:

      Liggers. Aber das ist norddeutscher Humor. Den sicher nicht nur der Blubberkönig aus letzter ☝🏿 Brilon 🌳🌲 nicht wechseln kann!



      In zehn Jahren Uni Mbg/L - die ja satt von Nordhessen frequentiert wird - konnte ich das im Dauertest überprüfen!



      (Der hilflose Wutausbruch meines Behördenleiters in Westfälisch Sibirien “…daß Sie als Nordlicht so gut mit den Sauerländern zurecht kommen!“ basierte hingegen auf meiner hohen unblutigen Erledigungsquote! Wiedes machst isses verkehrt! Wollnichwoll! 🥱

  • Ok Ok. Mit 9 1/2 Jährchen Westfälisch Sibirien - sag ich zum feuchten 🍺 🍺🍺 Leitbiotop für Bekloppte - Alt-Arnsberg der Merzen schwarzbraun - unne so!



    Kehr: “Ick wunder mich über jarnüscht mehr.“



    Preußen stellte einst 1800 krug nen Regierungspräsidenten auf die grüne Wiese. Der Rest Richter Staatsanwälte - Mischpoche - na so diese.



    (Den Aufruf “Juristen für den Frieden“



    unterzeichneten je EINER - LG und AG!



    Textgemarkert ans OLG!!!)



    & sodele - das mal als Folie =>



    Hatte mein sidekick Mailtütenfrisch den Spiegel 🪞 mir zugeschlenzt - war ich über den tatsächlichen Ablauf in der Heute Show (sehr abgemildert!;) doch mehr als bass erstaunt! Da taucht der 1,90 plus meter Schlagurie feige wie immer - Pöbler von der letzten Bank!



    Ab wie nix Gutes! Woll. Normal. But.



    Entsatz - der unfassbar reaktionäre Behördenleiterschatz! Ich!!! - mach Zivilsachen! Woll - Von mehr weiß ich nix! Aber Hallo! Nahkampfspange! Gell.



    Resolut - knapp vorbei am Griff im Schritt - sucht das Micro runter und ihm “den Hals zu“ zu drücken!

    kurz - Was ein entlarvender Tanz!



    Baby - in echt! Wo? Wo bleibt da die Kontenance!!!!



    &



    Unsere alte Dame*04 - würfe ein mit Schwung!



    “Junge Frau! Selbstbeherrschung … - das sicherste Zeichen von Bildung!“

    Na Mahlzeit

    • @Lowandorder:

      Ja, der Propeller-Fritz.

      Einem Politiker, der selbst harmlose Jugendsünden erfinden muss, um nicht völlig lahmarschig auszusehen, dem ist nicht zu trauen.

      "Mit 14, hatte er der Zeitung gesagt, habe er angefangen zu rauchen und Bier und Schnaps zu trinken. Seine "Verbürgerlichung" sei erst eingetreten, als er mit 26 Jahren jung verheiratet, zum ersten Mal Vater wurde."

      www.spiegel.de/pan...nden-a-107627.html

      Aber das, was seine Gattin da gemacht hat, na ja.

      Ich habe die Pressefreiheit dabei nicht wackeln sehen.

      So wird aus der kleinen Mücke schon mal ein Elefant.

      • @Jim Hawkins:

        Shure - me too! But.

        Die Selbstentlarvung - ist doch der furiose Knaller! Mensch - die ganz offensichtlich im falschen Film als losgerissenes apartes Tischfeuerwerk im Blindflug agiert.



        Peinlich - in echt kein Ausdruck! 🤦🤦‍♀️🤦‍♂️



        & nochens



        auf Behördenleiter dieser Provenienz - kann und sollte nicht nur die Justiz - besser verzichten! Woll

  • ...zur Leitkultur von Charlotte gehört demnach wohl auch - die Wähler haben demnächst zu Fragen wen oder was sie wählen dürfen.



    Na ja, schlechte Manieren sind wir ja schon von der FDP gewöhnt.



    Quatscht Frau Merz den Lobbyverbänden & Lobbyisten auch immer dazwischen, wenn ihr Mann sich " auf Arbeit " befindet ?



    Die Pressefreiheit sollte aber schon noch gewahrt bleiben...

  • Die Sache war nicht mal 80s, das war 50s. Aber sehr erheiternd

  • "Leitkultur" hat sie schon mal mit "respektvolles Benehmen" verwechselt, die sauerländische Richterin.



    Und wer mit "Leitkultur" einen Gummibegriff propagiert, muss sich auch hierzu von Halbwegs-Journalisten befragen lassen. Ein Profi hätte einen raschen Satz gehabt.

    Merz hat zwar das Personal nicht erneuert bekommen, aber zumindest nach langer, langer Zeit ein Programm, wie man es auch bewerten mag.



    Jetzt kann er doch wirklich in den Hochsauerlandkreis zurück und jemanden mit Koalitionsfähigkeiten wie Günther machen lassen. Sonst wird die Union wieder nur und verdient größte Oppositionspartei.

    • @Janix:

      & um einen ganz unverdächtigen Dr. 🥬



      voll mundartlich zu zitieren! Wollnich



      “De Pälzer inne Palz - Saarländer inne Saar!“ - 🙀🥳🥹 -

  • für seine Hetze alleine schon ist dieser Mann ein no-go für jeden Bürger. dass er auf Humor wie ein Oligarch reagiert, sollte Demokraten die Nichtwahl erleichtern

  • 6G
    608196 (Profil gelöscht)

    Eine Richterin mit Hang zum Autoritären.



    Diesem Land bleibt nichts erspart.



    Deutsche Leitkultur unter Merz heisst Angstszenarien aufbauen, Anders..... auszugrenzen, zu diffamieren und Klimawandel zu marginalisieren.



    Auch gerne genommen, ein Land in über 30 Jahren Unionsgeführter Regierungen während 50 Jahren zugrunde richten uns es dann einer 2 Jahre regierenden Koalition in die Schuhe schieben.



    Keine Leitkultur unter Merz sind Transparenz, unabhängige Politik, für Menschen politisch arbeiten, (sondern für Kapital) und sozialen Frieden anstreben.



    Und ein grosser Teil der Deutschen wünscht sich mehr davon oder gleich das blau-braune Original.



    Ja...Danke Frau Merz.



    Man kann sich selbst nicht oft genug an das etwaig Kommende erinnern.



    Gut, dass Sie mich aufgeweckt haben.

  • Das wollt ihr Tazler nicht wirklich.



    Charlotte Merz als First Lady.



    Ich glaube, mir wird übel!

    • @MIA R.:

      Immerhin gibts noch zumindest eine Lebensgemeinschaft, in der die Komponenten perfekt zueinander passen.

    • @MIA R.:

      Ich gehe nicht so sehr auf Personen oder Lifestyle als auf Programme und politische Ankündigungen - die reichen bei der Union vollends, um sich abzuwenden.



      Eine Mehrheit links der Mitte wäre dabei eine Herausforderung bundesweit, gegen die PR-Kanonen der Reichen; doch soll die Größe der Herausforderung einen aufhalten?

  • Die Frage ist, ob Mitarbeiter einer Satiresendung ueberhaupt Journalisten sind. Ich habe da meine Zweifel. Mal davon abgesehen gab es schon immer Politiker, die bestimmten Medien perse kein Interview gegeben haben. Oder es gibt eben die Nullantwort: Kein Kommentar. Aber was solls, es ist Wahlkampf.

    • @elektrozwerg:

      Na Servus

      Auf ehren kurzelektrischen - dess:



      “So könns die Frogen doch net stüllen!“ 👌 - na wer war‘s? Genau Genau FJS -



      Immer von ausgesuchter Höflichkeit!



      (Wie ich weiß - betrat eine Dame den 🛗



      Nahm Herr Franz Strauß seinen Hut ab!



      Ansonsten - 🪣 - servíce - 🙀🥳🥱 -

    • @elektrozwerg:

      "Die Frage ist, ob Mitarbeiter einer Satiresendung ueberhaupt Journalisten sind."



      Da sie beim Parteitag als solche akkreditiert sind, ist die Frage bereits beantwortet.



      Und inwiefern die Frage an Herrn Merz nichts journalistisches hat, müssten Sie erklären.



      "Aber was solls, es ist Wahlkampf."



      Stimmt. Und die Sprüche die im Wahlkampf gebracht werden, müssen und dürfen hinterfragt werden.

  • Ach kommt, wir sollten bei aller berechtigter Kritik an Merz ehrlich sein. Ziel von Van der Horst war es nicht Merz eine vernünftige Frage zu stellen, sondern ihn vorzuführen und, wenn möglich, lächerlich zu machen. Klar, Merz hätte souveräner reagieren können, aber es ging auch nie darum Merz eine vernünftige Frage für eine vernünftige Diskussion zu stellen.

    • @Müller Christian:

      Leitkultur ist Thema der CDU. Merz zu fragen was er darunter versteht, ist kein Vorführen. Lächerlich macht er sich dann selbst indem er antwortet oder auch nicht. Das ist ein inhaltsloser schwammiger Begriff wo jeder reininterpretieren kann was er will. Selbst von der CDU gibt es keine klare Definition. Das hat nicht mehr Substanz als ein Werbeslogan für ein Duschgel.

    • @Müller Christian:

      "Ziel von Van der Horst war es nicht Merz eine vernünftige Frage zu stellen, sondern ihn vorzuführen und, wenn möglich, lächerlich zu machen."



      Richtig. Das ist das Ziel von Satire: Lächerlichkeiten aufzeigen.

    • @Müller Christian:

      Ziel von Van der Horst war es nicht Merz eine vernünftige Frage zu stellen, sondern ihn vorzuführen und, wenn möglich, lächerlich zu machen.



      ----



      Dazu braucht es keine Heuteshow. DAS schafft der Fritz schon selbst....



      ... wenn er versucht "deutsche Leidkultur" mal zu definieren!



      Kannst Du es vielleicht, der "Fritz drückt sich ja! :-)

    • @Müller Christian:

      Stimmt, aber macht Merz das als integraler Teil seines "Berufes" nicht auch?