Chaos auf dem Weltmarkt: Wie viel Zölle sind okay?
Donald Trump verhängt Zölle auf Produkte aus Mexiko, Europa oder China und lässt sie dann wieder fallen. Die wichtigsten Fragen – und Antworten.

Inhaltsverzeichnis
- Warum sind Zölle überhaupt ein Problem?
- Kann Trump einfach immer weiter neue Zölle erheben, oder gibt es eine Instanz, die für Ordnung im internationalen Handel sorgt?
- Verstoßen Trumps Zölle denn gegen die Regeln der Welthandelsorganisation?
- Kann die WTO ihre Regeln durchsetzen?
- Könnten die USA einfach aus der WTO austreten?
- Wie ist die Reaktion der WTO auf Trumps aktuelle Zollorgie?
- Die EU hingegen erhebt Gegenzölle auf Bourbon Whiskey, Erdnussbutter, Jeans und Motorräder. Darf sie das?
- Ist die von Donald Trump ausgelöste Zollkrise auch eine Chance?
- Früher galt die WTO als Interessenvertretung der reichen Industriestaaten gegen den Globalen Süden. Ist das immer noch so?
Warum sind Zölle überhaupt ein Problem?
Zölle schützen den einheimischen Markt. Das kann durchaus sinnvoll sein, etwa damit Länder des Globalen Südens sich gegen die Übermacht westlicher Importe wappnen können. Zölle können aber auch den zwischenstaatlichen Handel belasten und die Preise in die Höhe treiben. Länder wie Deutschland, deren Wirtschaft von Exporten abhängt, leiden besonders stark unter Zöllen. Schlimmstenfalls lösen diese eine Wirtschaftskrise aus.
Kann Trump einfach immer weiter neue Zölle erheben, oder gibt es eine Instanz, die für Ordnung im internationalen Handel sorgt?
Die gibt es. Damit der Handel zwischen Staaten nach festgelegten Regeln erfolgt, wurde 1994 die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet. Die in Genf ansässige Organisation erlässt Handelsregeln wie Vorgaben für Zölle und schlichtet bei Konflikten. Fast 80 Prozent des Welthandels basieren auf ihren Regeln. 166 Staaten sind Mitglied, darunter die USA. Auch ein Donald Trump muss sich an die Regeln halten und darf nicht willkürlich Zölle erheben.
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Verstoßen Trumps Zölle denn gegen die Regeln der Welthandelsorganisation?
China und Kanada sind überzeugt davon, dass die es tun, und haben bereits Beschwerde bei der WTO eingelegt, die schlussendlich über diese Frage entscheiden muss. Das Argument der beiden Länder: Die Zölle verstoßen gegen das im internationalen Handelsrecht geltende Diskriminierungsverbot, weil sie nur für einzelne Länder gelten. Die sogenannte Meistbegünstigungsklausel der WTO besagt, dass ein Staat allen Handelspartnern die gleichen Bedingungen gewähren muss.
Donald Trump begründet die Zölle aber zumindest teilweise mit der Gefährdung der nationalen Sicherheit. Er behauptet, über die kanadische und die mexikanische Grenze kämen unkontrolliert Migrant:innen und die Droge Fentanyl. Damit beruft er sich auf das internationale Handelsrecht. Denn es sieht vor, dass Staaten aus Sicherheitsgründen Zölle erlassen können – allerdings nicht unbegrenzt. Und: Trump begründet die Zölle vor allem mit dem Handelsbilanzdefizit der USA. Das ist aus Sicht der WTO nicht akzeptabel.
Kann die WTO ihre Regeln durchsetzen?
Es gibt eine Art WTO-Gericht mit mehreren Instanzen. Doch ist dessen oberste Instanz seit 2019 nicht mehr arbeitsfähig. Die USA weigern sich, neue Richter:innen für das Oberste Gericht zu ernennen. Auch deswegen heißt es oft, die WTO sei blockiert – zumal es seit Jahrzehnten nicht gelingt, Funktionär:innen nachzubesetzen und neue Regeln zu beschließen. So fallen zeitgemäße Herausforderungen wie das Aufkommen eines großen digitalen Markts oder die Notwendigkeit von Klimaschutz unter den Tisch.
Allerdings: Die Entscheidungen der unteren Ebenen des WTO-Gerichts haben durchaus Signalwirkung. Zudem sind Trumps Zölle ja bei Weitem nicht die ersten Regelverstöße, mit denen die WTO konfrontiert ist. Die USA und China werden immer wieder dafür kritisiert, Regeln nicht einzuhalten. Die EU etwa behauptet, China subventioniere die eigene E-Auto-Produktion. Daraufhin belegte sie chinesische Autoimporte mit Ausgleichszöllen. China hat dagegen Klage bei der WTO eingelegt. Ebenso kritisierte die EU den Inflation Reduction Act (IRA), mit dem US-Präsident Joe Biden steuerliche Anreize für erneuerbare Energien oder Batteriehersteller gab. In der Regel haben die Klagen Wirkung.
Könnten die USA einfach aus der WTO austreten?
Bislang hat Donald Trump nicht angedeutet, dass er das vorhat. Aber das kann durchaus noch passieren. Einen Präzedenzfall für das Verlassen der WTO gibt es nicht, denn das hat noch nie ein Staat gemacht. Sollten die USA es wagen, müssten sie schlagartig mit allen anderen 165 Staaten Handelsverträge schließen – oder in einem rechtlosen Raum handeln. Das würde wahrscheinlich zu einem großen Einbruch der US-Wirtschaft führen.
Wie ist die Reaktion der WTO auf Trumps aktuelle Zollorgie?
Die Welthandelsorganisation wird nun die Beschwerden von China und Kanada bearbeiten. WTO-Direktorin Ngozi Okonjo-Iweala appelliert an die von den Trump-Zöllen betroffenen Staaten, Ruhe zu bewahren, und warnt vor Gegenmaßnahmen. Wie viele andere, fürchtet sie, dass eine Kaskade an Zöllen wie in den 1930er Jahren zu einem zweistelligen Rückgang der globalen Wirtschaftsleistung führt. „Alle werden dafür bezahlen. Und die armen Länder werden am meisten zahlen“, warnt sie. Großbritannien und Australien etwa verzichten erst einmal auf Gegenzölle und setzen auf Gespräche mit den USA.
Die EU hingegen erhebt Gegenzölle auf Bourbon Whiskey, Erdnussbutter, Jeans und Motorräder. Darf sie das?
Ja, das Handelsrecht lässt das zu. „Bislang reagieren alle Akteure auf Trump im Rahmen dessen, was die WTO-Regeln hergeben“, sagt Yvonne Bachmann, Handelsexpertin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Genf. Erst wenn die EU zum Beispiel willkürlich Abgaben von 40 Prozent auf alle Importe aus den USA erlassen würde, verließe sie den WTO-Rahmen. Das hat sie aber nicht vor, sie setzt weiter auf Gespräche. „Alle behalten einen kühlen Kopf“, sagt Bachmann. „Das System lässt sich nicht so leicht beschädigen.“
Ist die von Donald Trump ausgelöste Zollkrise auch eine Chance?
Handelsexpertin Bachmann hält das durchaus für möglich. Die Störungen durch Trump könnten dazu führen, dass die WTO stärker wird, weil die übrigen Mitglieder untereinander kooperativer werden. Mehr als 20 Länder aus dem Globalen Süden warten auf eine WTO-Mitgliedschaft. Ihre Aufnahme könnte jetzt beschleunigt werden. Mit WTO-Direktorin Ngozi Okonjo-Iweala ist außerdem Bewegung in eine Reform gekommen. Sie soll unter anderem die Blockade lösen und Entwicklungsländer besser vertreten.
Früher galt die WTO als Interessenvertretung der reichen Industriestaaten gegen den Globalen Süden. Ist das immer noch so?
Ein Großteil der ärmeren Länder kritisiert seit jeher die Bestimmungen zu Agrarsubventionen. Die viel billigeren Agrargüter aus den USA und der EU, aber auch aus China und Indien gefährdeten die einheimische Produktion und seien vor allem für Kleinbauern nachteilig. Zudem werden seit Langem Lockerungen der Patentregeln zu Medikamenten gefordert, um diese für die jeweilige Bevölkerung selbst herstellen zu können. Diese Forderung kam besonders nach der Coronapandemie wieder auf.
Generell ist die WTO aber gerade für ärmere Entwicklungsländer ein wichtiges Forum, um genau solche Forderungen zu stellen und gemeinsame Positionen zu vertreten. Sie sind von den WTO-Regeln besonders geschützt, ihre Exporte in Industrieländer dürfen zum Beispiel geringere Zölle haben als andersherum.
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