Champions League: Real – Galatasaray: Die Schande von Istanbul
Mit drei tollen Toren schlägt Galatasaray Real Madrid mit 3:2. Aber das reicht nicht, Real ist überraschend weiter.
Die Startbedingungen: Nach der Sensation von Madrid (Real hat nur einen Türken im Team, Galatasaray einen ganzen Bus voll, gewinnt trotzdem 3:0!) gibt es für Galatasaray nur eins: Haydi ulan! (Türkisch für: „Gehts raus und spielt's Fußball!“)
Im Heimspiel ist Galatasaray klarer Favorit, die „Türk Telekom Arena“ ist die lauteste der Welt (Stadionweltrekord mit 131,7 Dezibel − lauter als das „Berghain“). Die Türken sind seit 1453 traditionell heimstark, zuhause quasi ungeschlagen.
Problem: Burak Yilmaz (8 Tore in der laufenden Champions-League-Saison) bekam im Hinspiel vom irren Norwerger-Schiri Gelb und ist gesperrt. Real tritt mit scheinbar klarem Vorsprung an, hat aber Muffensausen. „Wenn wir 0:2 oder 1:3 verlieren, würde ich nicht glücklich nach Hause fahren“, sagt Trainer José Mourinho.
Das Spiel: Schon in den ersten Minuten wird klar, dass Madrid hier nicht darauf aus ist, ein 0:0 zu verteidigen, das bringt nicht einmal Mourinho, jedenfalls nicht in diesem Spiel. In der achten Minute eine wunderbare Kombination: Mesut Özil von der Strafraumgrenze steil auf Sami Khedira, der direkt in die Mitte auf Cristiano Ronaldo und der direkt aufs Tor: 0:1! Galatasaray wirkt danach völlig konsterniert: viele Fehlpässe, große Probleme in der Ballannahme. In der 25. Minute fällt beinahe das zweite Tor: Ronaldo spielt exzellent in den Lauf von Angel Di Maria, aber der Istanbuler Torwart Fernando Muslera hält genauso exzellent.
Danach wird das Spiel öde. Galatasaray hat zwar mehr Ballbesitz, der aber nichts nützt, wenn man mit dem Ball nichts anzufangen weiß. Kurz vor der Pause versucht es Wesley Sneijder nach einer Ecke mit einem Distanzschuss, aber der Ball landet zentral bei Torwart Diego Lopez. Es ist der richtige Torschuss von Galatasaray.
Nach der Pause kommt Nordin Amrabat, der zweite Holländer im Dienst von Galatasaray, für den recht schwachen Hamit Altintop. Und plötzlich bekommt das Spiel von Galatasaray Tempo und Struktur. Felipe Melo und Sneijder verteilen die Bälle und es entwickeln sich einige echte Chancen. Nach einem Angriff über die linke Seite passt Sneijder an der Strafraumgrenze zu Emmanuel Eboué, der aus 16 Metern mit einem wundervollen Schuss per Außenrist den Ausgleich erzielt. 58 Minuten sind gespielt, Galatasaray braucht noch vier Tore. Und Madrid wirkt plötzlich nicht mehr so sicher.
71. Minute: Sneijder zeigt, warum er einmal zu den besten Mittelfeldspielern der Welt gehörte. Nach einer feinen Ballannahme tunnelt er Verteidiger Raphael Varane, hat dann freie Schussbahn und trifft aus 15 Metern flach ins rechte Eck – noch drei Tore! Nur eine Minute später hat auch Didier Drogba seinen großen Auftritt: Er setzt sich gegen den abermals steif wirkenden Varane durch und trifft mit der Hacke – noch zwei Tore! Aber die fallen nicht mehr. Danach organisiert sich Real wieder besser und die Spieler von Galatasaray werden müde. Fast mit dem Schlusspfiff erzielt Ronaldo nach einem Zuspiel von Karim Benzema cool das 2:3.
Der entscheidende Moment: Kommt zu spät. Alvaro Arbeola, Außenverteidiger und spanischer Nationalspieler, der erst in der 31. Minute für den verletzten Michael Essien eingewechselt worden war, bekommt Gelb wegen Foulspiels, zeigt dem Schiedsrichter den Vogel, der ihm darauf Gelb-Rot zeigt. Aber es ist schon die 89. Minute, diese Überzahl nutzt Galatasaray nicht mehr.
Der Spieler des Spiels: Sneijder, immer wieder Sneijder – knapp vor Ronaldo (zwei Tore aus drei Chancen).
Die Pfeife des Spiels: Umut Bulut. Als Ersatz für den gesperrten Burak auf dem Platz, hat er nicht eine einzige gute Szene. Erst in der 63. Minute erbarmt sich Terim seiner.
Die Schlussfolgerung: Was Dortmund in nur 70 Sekunden geschafft hat, nämlich zwei Tore zu schießen, gelingt den Versagern von Galatasaray nicht, obwohl sie dafür über zwanzig Minuten Zeit haben und die entscheidenden 70 Schlusssekunden in Überzahl spielen. Real Madrid erreicht überraschend das Halbfinale.
Und sonst? Jemand muss für die Schande von Istanbul büßen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Syrischer Ex-Diktator im Exil
Assads armseliger Abgang
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte