Champions-League-Pleite des BVB: Ratlos in Rom
Dortmund enttäuscht bei Lazio Rom. Wieder bleibt das Team weit unter seinen Möglichkeiten – zur Genugtuung eines ehemaligen Borussia-Stürmers.
Auch in der Ewigen Stadt schnellt die Zahl der Infizierten wieder sprunghaft nach oben, im Parlament wurden zuletzt 20 Parlamentarier und Parlamentarierinnen positiv auf jenes Virus getestet, das den Alltag aller Menschen so nachhaltig verändert hat.
Im Bus Nummer 280 auf dem Weg zum Olympiastadion ist ebenfalls nicht viel los. Normalerweise hätten die Fans von Lazio die Rückkehr ihres Vereins in die Champions League wie ein Hochamt zelebriert und dabei hektische Betriebsamkeit verbreitet, nun müssen sie zu Hause bleiben. Im weiten Rund, in dem Franz Beckenbauer vor 30 Jahren nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft einsam durch den Mittelkreis lustwandelte, hallen die Rufe der wenigen Hundert Zeugen, die für das Spiel gegen Borussia Dortmund Einlass gefunden haben.
Die Kulisse ist trist, das ist nicht der Festakt, den diese Begegnung verdient gehabt hätte. Aber die Spiele müssen ja weitergehen, um das Multimillionengeschäft der Königsklasse am Leben zu erhalten. Die Gastgeber durften zufrieden sein, weil sie bei ihrem Champions-League-Comeback nach 13-jähriger Abstinenz eine überzeugende Vorstellung boten und das Spiel überaus verdient mit 3:1 gewannen. Dagegen erwischte der BVB einen ganz schwachen Abend und hinterließ wieder einmal viele ratlose Gesichter.
Unbequemer alter Bekannter
Vor allem mit einem Spieler des Gegners hatten die Dortmunder ihre liebe Müh: Ciro Immobile, bei dem das Aufeinandertreffen mit seinen ehemaligen Kollegen für Genugtuung gesorgt haben dürfte. Während seiner Dortmunder Zeit fühlte sich der Torjäger nicht richtig angenommen, im kühlen Ruhrgebiet vermisste der Italiener Herzenswärme und Gastfreundschaft, worüber er sich in der Heimat bitterlich beschwerte.
Dortmunds Trainer Lucien Favre
In Rom blüht der Stürmer förmlich auf, in der vergangenen Saison wurde er mit 36 Treffern in 37 Partien mit dem Goldenen Schuh ausgezeichnet, den Europas erfolgreichster Torjäger verliehen bekommt. Nun zeigte der 30-Jährige seinem Ex-Arbeitgeber, wie Stürmer erfolgreich agieren. Dabei hatte Mats Hummels vor dem Spiel noch vollmundig bekundet, diesen Mann müsse die neu formierte Dreierkette im Verbund stoppen.
So weit die Theorie, in der Praxis bekam die Dortmunder Hintermannschaft den quirligen Gegenspieler nie in den Griff. Immobile hätte noch mehr Erfolge feiern können als sein Tor zur frühen Führung. Die Defensive des BVB war in der noch jungen Spielzeit bis dato in vier ihrer fünf Pflichtspiele ohne Gegentor geblieben, auf gehobenem europäischen Niveau bekam sie jedoch ihre Grenzen aufgezeigt.
Das Fazit, in Rom gewogen und für zu leicht befunden worden zu sein, galt indes nicht nur für die Abwehr, sondern auch für die mit vielen Hochkarätern gespickte Offensive, die sich mit Ausnahme von Erling Haaland erschreckend harm- und leidenschaftslos präsentierte. Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspielerabteilung, fand deutliche Worte. Er sprach von einer „desolaten Leistung in der ersten Halbzeit. So darf man sich nicht einmal ansatzweise präsentieren.“
Irritierende Fehlpassquote
Diese Analyse war ebenso schonungslos wie zutreffend, was für die Borussia im Allgemeinen galt, stimmte vor allem bei Thomas Meunier. Der Belgier erwischte einen rabenschwarzen Tag, war an zwei Gegentreffern beteiligt und vergab auch noch eine riesige Möglichkeit kläglich aus kurzer Entfernung. Insgesamt zählten die Statistiker beim aus Paris gekommenen Profi 19 Fehlpässe, eine exorbitante Quote, die selbst in der Kreisklasse nicht alltäglich ist.
Über einzelne Spieler mochte Dortmunds Trainer Lucien Favre allerdings nicht sprechen, als er die 90 Minuten beurteilte. Sein Ensemble sei „nicht gut bei der Balleroberung“ gewesen, monierte der Schweizer. Als weiteres Manko kam hinzu, „dass wir zu spät in den Zweikämpfen sind. Das fängt vorne an und setzt sich über das Mittelfeld nach hinten fort. Das ist ein Kampf, und da müssen alle da sein.“
Es fällt auf, dass die mit Edeltechnikern bestückte Dortmunder Mannschaft stets Probleme bekommt, wenn es darum geht, einem aggressiv und physisch auftretenden Gegner Paroli zu bieten. In Rom sah Favre „zu wenig Gegenwehr, zu wenig Zweikämpfe. Du musst laufen, aber wir haben das nicht gut gemacht.“
Der Auftritt in Rom war ein erneuter Rückschlag für ein Team, das weiter auf der Suche nach einer Konstanz ist, die ihren Fähigkeiten entspricht. Am Samstag spielt der FC Schalke 04 in Dortmund vor, sollte es im Revierderby keinen überzeugenden Sieg geben, dürfte das Klima für Favre deutlich rauer werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen