Champions-League-Finale: Spektakel mit sieben Toren
Die Außenseiterinnen vom schwedischen Pleiteklub Tyresö FF führten schon mit 2:0 und 3:2. Doch selbst das reichte gegen den VfL Wolfsburg am Ende nicht.
Die Startbedingungen: Zwei Tage vor dem Männer-Champions-League-Finale findet ebenfalls in Lissabon das Endspiel der Frauen zwischen dem VfL Wolfsburg und Tyresö FF statt. Das Interesse der Portugiesen an diesem Event ist erwartungsgemäß dürftig, obwohl die Uefa noch versucht hat, sie mit Kombitickets (Finale + Konzertbesuch) ins Stadion zu locken.
Für die Spielerinnen des schwedischen Klubs aus Tyresö, darunter die fünfmalige Weltfußballerin Marta aus Brasilien, geht es nicht nur um den wertvollsten Pokal Europas. Weil ihr Klub pleite ist und das Insolvenzverfahren läuft, wollen sie im europäischen Rampenlicht anderen Vereinen beweisen, dass sie einen Verein nicht nur in den Ruin sondern auch zum Champions-League-Sieg treiben können
Ganz anders die Situation bei den Wolfsburgerinnen. Die Deutschen sind als Titelverteidiger favorisiert und haben auch genügend Geld, um gemeinsam in den nächsten Jahren den europäischen Frauenfussball zu dominieren.
Das Spiel: Die Wolfsburgerinnen wirken von Beginn an recht schwerfällig. Ihre Offensivaktionen sind zu umständlich und zu unpräzise. Zumindest haben sie bis zur 28. Minute die gefürchtete schwedische Offensive ganz gut im Griff. Doch dann setzt plötzlich Marta zum Tempodribbling an, lässt drei Wolfsburer Abwehrspielerinnen schlecht aussehen und trifft. Das geht ja einfach, mag sich ihr Teamkollegin Christine Press gedacht haben. Zwei Minuten später narrt auch sie drei Gegenspielerinnen und bedient die Spanierin Veronica Boquete, die keine Probleme hat die Führung auszubauen.
Ein Doppelschlag, der für das Team von Jens Kellermann nur schwer zu verdauen ist. Es fehlt an Ideen, wie man die kompakte schwedische Abwehr aushebeln kann. Am Ende der ersten Halbzeit erspielen sich die Grün-Weißen zumindest eine Doppelchance durch Martina Müller und Selina Wagner. Doch die Richtung der Partie scheint vorgegeben.
Ein gewaltiger Irrtum!
Die Wolfsburgerinnen kommen zu Beginn der zweiten Hälfte spektakulär zurück. Erst köpft Alexandra Popp nach gut getimter Flanke von Anna Blässe ins Tor (47.), dann läuft wenig später Martina Müller der völlig insdisponierten schwedischen Abwehr auf und davon und erzielt den Ausgleich (53.). Ihre eigenen Probleme in der Defensive haben die Wolfsburgerinnen allerdings nach wie vor nicht im Griff. Eine einfache Körperdrehung von Marta reicht und schon ist der Weg frei für einen feine Schlenzer: 3:2 für Tyresö (56.).
Der nächste Abwehrpatzer lässt nicht lange auf sich warten. Nutznießerin ist dieses Mal die eingewechselte Verena Faißt (67.). Die Partie ist wieder ausgeglichen. Sechs Tore in einer halben Stunde Spielzeit! Die Trainer an der Seitenlinie werden immer nervöser. Die Zuschauer fühlen sich bestens unterhalten.
Dann trifft erneut Müller, nach wunderschöner Vorarbeit von Nadine Kessler, zum 4:3. Na und? Das hat gewiss noch gar nichts zu sagen. Ist ja schließlich erst die 80. Minute. Es bleibt dann aber dabei. Eine wirklich unberechenbare und dadurch sehr unterhaltsame Partie.
Der entscheidende Moment: Darüber können sich die Gelehrten streiten. War es das dritte oder das fünfte oder doch das siebte Tor?
Spielerin des Spiels: Martina Müller. Sie entschied schon das letzte Champions-League-Finale für Wolfsburg mit einem Elfmetertor. Dieses Mal traf die 34-Jährige gar zweimal.
Die Pfeife des Spiels: Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender. Sie sollten sich wieder trauen, das Frauen-Finale live zu übertragen. Solch ein Torspektakel bekommt man nur sehr selten geboten. Und Wolfsburg ist nächstes Jahr gewiss wieder dabei.
Die Schlussfolgerung: Die Spektakellatte liegt jetzt sehr hoch. Cristiano Ronaldo und die anderen 21 Männer-Final-Teilnehmer werden sich am Samstag ganz schön strecken müssen, um sie zu überspringen.
Und sonst? Das Stadion bietet einen wunderschönen Blick auf den Tejo, der hier um die Ecke ins Meer mündet. Wahrgenommen hat es an diesem Abend aber wohl kaum einer.
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