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Champions-League-Finale in IstanbulItalienische Knock-out-Experten

Inter Mailand geht am Samstag als krasser Außenseiter in das Champions-League-Finale gegen Manchester City. An Selbstvertrauen fehlt es dennoch nicht.

Perfekte Ballbeherrschung: Inters Lautaro Martinez, Romelu Lukaku und Hakan Calhanoglu Foto: Antonio Calanni/ap

Mailand taz | Vor dem Spiel kommt immer der Trash Talk. Das ist im Boxen schon lange so. Aber auch im Fußball wird die nullte Halbzeit immer wichtiger. „Wer ist das?“, giftete zum Beispiel Romelu Lukaku an die Adresse von Noel Gallagher, dem in Manchester geborenen früheren Leadgitarristen der Band „Oasis“.

Der hatte sich ausdrücklich Inter Mailand als Gegner „seiner“ Citizens für das Finale der Champions League am Samstag in Istanbul (21 Uhr, DAZN) gewünscht. „Die sind einfach nicht gut, und Lukaku spielt ganz besonders schlecht“, tönte der Musikant. Ganz klar, dass Lukaku, der selbst eher Rap vorzieht und derzeit mit der US-Rapperin Megan Thee Stallion liiert ist, Gallagher eine Abfuhr erteilen musste.

Auch zahlreiche Teamkollegen zeigen eine breite Brust. „Wir wollen die Trophäe nach Mailand bringen und werden dafür alles tun. Selbst ein Klub wie City sollte sich ruhig Sorgen machen. Die Favoriten sind sie, aber sie müssen sich schon gut vorbereiten, wenn sie das auch beweisen wollen“, sagte Lautaro Martinez, der Top-Scorer der Mailänder in dieser Saison, der mit Argentinien im Winter Weltmeister geworden war.

Auch Trainer Simone Inzaghi erstarrt nicht gerade vor Ehrfurcht. „Guardiola hat den Fußball verändert. Es gibt einen Fußball vor ihm und jetzt den danach. Seine Mannschaft ist die stärkste der Welt, ist wie ein Monster im Finale von Videospielen“, band er zunächst dem Gegner einen Lorbeerkranz. „Aber es handelt sich um Fußball. Wir haben keine Angst, nur Respekt und Bewunderung für einen Gegner, der nur wenige Schwächen hat. Wir müssen ihren Ballbesitz einschränken und als geschlossene Mannschaft agieren“, sagte Inzaghi.

Räume für die Recken

Er kann sein Zutrauen darauf gründen, dass Geschlossenheit derzeit die größte Qualität seines Kaders ist. Gerade in Entscheidungsspielen ist die Truppe hellwach und entschlossen. Räume werden extrem verdichtet. In frei werdende Räume dringen dann die athletischen Recken Martinez und Lukaku vor. Offensiv verfügt Inzaghi noch über die Option Edin Dzeko.

Der Bosnier ist einer der Besten, wenn es darum geht, den Ball zu halten und so eine zweite Angriffswelle einzuleiten. Die wird dann bestückt mit torgefährlichen Mittelfeldstrategen wie dem italenischen Nationalspieler Nicolo Barella, dem armenischen Zauberfuß Henrik Mkhitaryan sowie dem früheren Leverkusener Hakan Calhanoglu.

Der reist mit ganz besonderer Motivation nach Istanbul. „Ich liebe die Stadt, sie ist für mich die schönste. Ich möchte dort der erste Türke werden, der die Champions League gewinnt“, sagte er. Ein ganz besonderes Gegenüber hat er natürlich in İlkay Gündoğan, dem Kapitän und Taktgeber im Mittelfeld von Manchester City. „Ich glaube, ich muss nicht sagen, was es bedeuten würde, dort als Kapitän die Trophäe in den Händen zu halten“, sagte der deutsche Nationalspieler, dessen Eltern aus der Türkei stammen, dem ZDF.

Wider die Statistik

Wäre Fußball die Fortsetzung der Statistik mit fußwerklichen Mitteln, seinem Glück stünde nichts im Wege. Manchester City hat die Premier League mit 5 Punkten Vorsprung gewonnen, dabei 89 Zähler geholt, 94 Tore geschossen und sich dabei nur 5 Niederlagen geleistet. Bei Inter stehen nach der gleichen Anzahl von Spielen nur 72 Punkte, 71 Tore und gleich 12 Niederlagen zu Buche. Gerade der Umgang mit den Niederlagen aber ist rückblickend vielleicht die größte Stärke des Inter-Ensembles.

„Wir sind an den Niederlagen gewachsen. Und in den entscheidenden Spielen konnten meine Jungs Ressourcen mobilisieren, von denen ich gar nicht gedacht hatte, dass sie darüber verfügen“, meint Inzaghi dazu. Sein Team wurde vor allem dann zu einer regelrechten Erfolgsmaschine, wenn K.-o-Spiele anstanden. In den letzten beiden Spielzeiten holte Inter sowohl den italienischen Pokal als auch den nationalen Supercup.

Auch das Saisonfinale in der Serie A gestaltete Inter nach größeren Problemen noch erfolgreich. Auslöser dafür war eine Umstellung. Inter steht jetzt kompakter, lässt hinten den Gegnern weniger Raum und schaltet schneller in den Angrifssmodus um. „Wir Stürmer haben dann mehr Platz und machen auch mehr Tore“, analysierte Lukaku. Der hatte vor der Umstellung im April nur drei Törchen erzielt, danach kam er in sieben Einsätzen auf sieben Treffer.

Inter reist mit dem Wissen nach Istanbul, Rückschläge wegstecken zu können. Mit ihren Nehmerqualitäten und einem hartem Punch geben die Nerazzurri einen prächtigen Underdog ab, wie ihn sich Finalskriptschreiber eigentlich nur wünschen können. Vielleicht kann ja so sogar das Videospielmonster City bezwungen werden.

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