VAE gewinnen Champions League: Penunzen, Pott, Party
Nach etlichen Anläufen gewinnt Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan die Champions League. Die Fans von Manchester City finden das prima.
Am Ende wurde in Istanbul nicht viel über Fußball gesprochen, darüber, wie man verschiebt, Positionen besetzt, Bälle erobert, ein Umschaltspiel aufzieht. Es wurden keine taktischen Formationen durchdekliniert, nicht mehr gefragt, ob statt Dreierkette nicht eine Viererkette besser gewesen wäre. Nach der Nacht von Istanbul, in der Manchester City durch ein 1:0 gegen Inter Mailand zum ersten Mal in der Klubgeschichte die Champions League gewinnen konnte, war vor allem von Glück die Rede.
Die Verlierer hatten gesehen, dass gar nicht so viel gefehlt hat zum größten Triumph, der im Klubfußball möglich ist. Und bei Manchester City, das für die Zusammenstellung seines Kaders eine Milliarde Euro ausgegeben hat, war man heilfroh, dass das Glück nicht nur bei den Tüchtigen, sondern eben manchmal auch bei den Superreichen ist.
„Es ist so, so, so, so schwer, diesen Titel zu gewinnen“, meinte City-Trainer Pep Guardiola nach dem Spiel im Atatürk-Olympiastadion. Die Erleichterung war ihm anzusehen, dass er endlich den Titel geholt hat, dessentwegen man den Mann bei City verpflichtet hatte, ihn, der als Genie auf der Trainerbank gilt. Fünf nationale Titel hat er mit City gewonnen, etliche dieser Pokalwettbewerbe, die auf der Insel ausgespielt werden, und doch ging es eigentlich nur um diesen einen Triumph.
Brav bedankte sich Guardiola, dass man ihn seit 2016 im Amt gelassen hat, obwohl er den sogenannten Henkelpott so lang nicht gewinnen konnte. Und brav bedankte sich Guardiola bei Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan, jenem Mitglied der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi, der mit sehr viel Geld aus dem abgehalfterten Traditionsklub die beste Mannschaft der Welt zusammenkaufen hat lassen.
Spielzeug für Adelsspross
Seit 14 Jahren pumpt der Mann Unsummen in den Klub. Auch er war zugegen am Samstagabend im Stadion am Bosporus. Ist doch klar, möchte man meinen. Doch es war erst das zweite Fußballspiel von Manchester City, das er im Stadion verfolgt hat. Welche Ziele er mit seinem Engagement verfolgt, das würde er ohnehin nie aussprechen.
Am liebsten ist ihm gewiss die Lesart, nach der der Klub so eine Art Spielzeug für den reichen Adelsspross ist. Zum Finale jedenfalls hatte er seinen Bruder mitgebracht. Dieser Mohamed bin Zayed al-Nahyan ist nicht irgendjemand. Er ist der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate. Hat das Ganze etwa etwas mit Politik zu tun?
Nicht doch! Was hat denn die Tatsache, dass ausgerechnet Rodrigo Hernández Cascanto, genannt Rodri, der sonst eigentlich nie ein Tor schießt, das Champions-League-Finale mit seinem Treffer in der 68. Minute entschieden hat, mit den geopolitischen Ambitionen eines Golfstaats zu tun? Muss man wirklich über das Instrumentarium der Imagepflege durch Sport, des sogenannten Sportswashing sprechen, wenn es doch auch genügen würde zu beschreiben, dass Rodri, der meist der Initiator des City-Spiels ist, durch eine Art Manndeckung von Inters Hakan Çalhanoğlu bis zu seinem Tor beinahe wirkungslos war.
Und muss man wirklich über die Macht von Petrodollars sprechen, wenn İlkay Gündoğan, der deutsche Nationalspieler als Kapitän einer englischen Mannschaft in der Heimat seiner Eltern den Champions-League-Pokal in die Höhe hebt? Kann man nicht einfach ein paar Tränen der Rührung vergießen über seinen Satz: „Es ist wie im Märchen, besser geht es nicht“, den er nach dem Spiel geäußert hat? Kann man ruhig. Seine irre Geschichte des Ruhrgebietsjungen, der es zu größtem Fußballruhm gebracht hat, ist ja nun wirklich wunderbar.
Treffen mit Erdogan
Zu der gehört aber auch, dass er sich vor der WM 2018 mitten im Wahlkampf zusammen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat ablichten lassen. Ein paar falsche Sätze hätten damals genügt, und er wäre gewiss ebenso ausgebürgert worden, wie das die deutsche Öffentlichkeit mit dem deutschen Weltmeister Mesut Özil getan hat.
Schluss jetzt! Das hat ja nun wirklich nichts mit dem Finale von Istanbul zu tun. Nichts? Bevor Aleksander Čeferin, der Präsident der Europäischen Fußballunion Uefa und somit Chefausrichter der ganzen Veranstaltung, Medaillen und Pokal an die Sieger des Abends überreicht hat, traf er sich noch am Flughafen mit dem türkischen Staatspräsidenten zu einem Meinungsaustausch und blickte dabei stolz in die Kameras, so wie es Sportfunktionäre zu tun pflegen, wenn sie von Staatenlenkern wie ihresgleichen empfangen werden.
In solchen Momenten darf Sport ruhig etwas mit Politik zu tun haben. Aber worüber haben nun die beiden Präsidenten, der des Staats und der des Fußballs, gesprochen? Darüber wurde nichts bekannt und es ist davon auszugehen, dass das erst mal so bleibt.
Vielleicht haben sie ja einfach über Fußball geredet vor diesem ungleichen Spiel, bei dem Inter Mailand, der Klub, der sich im Besitz der chinesischen Suning-Holding des Geschäftsmanns Zhang Jindong befindet, beinahe so dargestellt wurde, als handle es sich um so etwas wie einen Verein aus dem Armenhaus des europäischen Fußballs. Es ist eben alles eine Frage der Relation. Wer statt Milliarden nur ein paar Dutzend Millionen für den Kader ausgibt, gehört in der Welt der Großklubs zu den Landstreichern.
Instagram geflutet von rassistischen Beleidigungen
Die wurden zu tragischen Helden an diesem Abend, weil sie in den letzten Minuten des Spiels eine Chance nach der anderen hatten – und vergaben. Besonders tragisch war dabei die Rolle des belgischen Stürmers Romelu Lukaku, der doch recht frei zum Kopfball kam und dann nichts traf, außer das doch recht schlanke Bein von City-Torhüter Ederson.
Dass Lukakus Instagram-Account danach von rassistischen Beleidigungen regelrecht geflutet wurde, gehört auch zur Geschichte dieses Finals. Diese abscheulichen Postings stellen das Gegenbild zur cleanen Uefa-Inszenierung des Finales mit einer TV-gerechten Eröffnungsshow dar, die das Champions-League-Finale Jahr für Jahr mehr zum Superbowl des europäischen Sports werden lässt.
Am Ende schlichen die über die gesamte Spielzeit sehr sangesfreudigen Inter-Fans schweigend von dannen, während bei den Fans von City die Freude kaum Grenzen kannte. Mit Scheich Mansour werden sie nicht viel am Hut haben. Dass sie es ihm zu verdanken haben, wenn sie am Montag bei der Siegesparade der Mannschaft durch Manchester mit den Trophäen für den FA-Cup, die Meisterschaft und die Champions League ihren Helden zujubeln, werden sie wissen. Es stört sie nicht. So kann es gehen im modernen Fußball.
Leser*innenkommentare
Kappert Joachim
Lieber wäre uns natürlich Qatar Munich, Bayer Leverkusen, VW Wolfsburg oder Red Bull Leipzig - schon klar!
guzman
Am Anfang fühlten sich die Sportler geehrt, dass man ihnen überhaupt zugeschaut hat. Dann haben die Fans das Spiel groß gemacht aber es gehörte immer noch zu guten Teilen ihnen. Inzwischen hat das Kapital das Spiel gekapert. Nur noch 13% der Einnahmen werden über Zuschauende eingenommen, der große Rest sind Einahmen, die direkt oder indirekt mit Produktwerbung zu tun haben. Die Produkte mit den eingepreisten Werbekosten zahlen jetzt alle, ob an Fußball interessiert oder nicht: Das ist praktisch eine verkappte Steuer für Kapitalisten.
Ob da jetzt „Scheichs“ dahinter stehen, US-Investoren oder österreichische Zuckerwasserproduzenten, ist völlig unerheblich.