Cem Özdemir als grüner Fraktionschef: Der Herausforderer
Ob Cem Özdemir den Grünen als Fraktionschef guttun würde, ist fraglich. Sein raumgreifendes Auftreten hat ihm in der Vergangenheit Kritik eingebracht.
B eschweren können sich Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter nicht, falls sie am Ende des Monats ihre Jobs an der Grünen-Fraktionsspitze los sind. Irgendwie läuft es zwar schon mit den beiden: Anders als bei der Linkspartei provoziert das Führungsduo keine Konflikte innerhalb der eigenen Fraktion, anders als die SPD haben die Grünen keine Probleme mit schlechten Umfragewerten.
Mit der Performance der Fraktionsspitze hat das Hoch der Partei aber wenig zu tun. Auf mitreißende Auftritte des Duos warten die Grünen seit dessen Amtsantritt im Herbst 2013 schließlich vergeblich. Unterm Strich kann es zwar für eine vierte Amtszeit reichen, einen Anspruch darauf können Göring-Eckardt und Hofreiter aus ihrer bisherigen Leistung aber nicht ableiten.
Ob es den Grünen aber guttun würde, stattdessen Cem Özdemir wieder in die erste Reihe vorzulassen? Dass es der Baerbock-Habeck-Aufbruchstimmung schaden könnte, einen Ex-Parteichef und Ex-Spitzenkandidaten in die Fraktionsführung zu wählen – geschenkt. Diesen Makel könnte Özdemir durch seine Popularität ausgleichen. Schwerer wiegt, wie schlecht er in seiner Zeit als Parteichef mit seiner Ko-Vorsitzenden Simone Peter harmonierte.
Neben einem Cem Özdemir ist in einer Doppelspitze wenig Raum. Was an der Parteispitze galt, könnte sich an der Fraktionsspitze wiederholen – zumal Özdemirs Wunschpartnerin Kirsten Kappert-Gonther aus der dritten Reihe der Fraktion antritt und sich erst einmal Gewicht aufbauen müsste. Das Machtgefüge innerhalb der Fraktion würde der Realo Özdemir damit zuungunsten des linken Parteiflügels verschieben.
Was dennoch für die beiden spricht? Dass sie es offenbar als Einzige wagen, Göring-Eckardt und Hofreiter herauszufordern. Die latente Unzufriedenheit der Fraktion mit den AmtsinhaberInnen ist zwar kein Geheimnis. Es gibt bei den Grünen auch einige Abgeordnete, die das Format zur Nachfolge hätten. Den Mut, das Risiko und den Konflikt einzugehen, beweist außer Özdemir und Kappert-Gonther aber niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag