Care-Arbeit und Familie: Ich bin Hausfrau. Na und?
Versorgungsarbeit in der Familie kann glücklich machen. Aber dann muss sie politisch auch wie Arbeit behandelt werden.
Was arbeitest du eigentlich?“ Es war immer etwas lästig, diese Frage zu beantworten, es war ja eigentlich eine andere gemeint: „Womit verdienst du Geld?“
Je nach Tagesform habe ich geantwortet: „Gar nichts“, „Ich sitze den ganzen Tag auf dem Sofa, schlürfe Cocktails und blättere in Hochglanzmagazinen“ oder: „Ich bin Hauswirtschafterin und arbeite in meiner Familie“.
Richtig verletzt haben mich diese Fragen nicht, war es doch nach einer Ausbildung zur Hauswirtschafterin und einem Studium der Ökotrophologie eine bewusste Entscheidung, nachdem zwei Kinder zur Familie gehörten, diese auch in Vollzeit zu versorgen. Die meisten fanden das „toll“. Nur wenige bemerkten, dass wir uns das dann ja bestimmt auch leisten könnten. Ich kenne allerdings nicht viele Familien, die es genauso machen.
12 Jahre lang hat dieses alte Modell vom allein verdienenden Ernährer und der Hausfrau daheim für uns gut funktioniert. Zum einen bin ich sehr gerne Hauswirtschafterin, versorgen macht mir einfach Freude; zum anderen gibt die in Ausbildung und Studium erlangte Professionalität Zufriedenheit beim Tun.
Die Risiken von Altersarmut und Scheidung sind uns dabei sehr wohl bewusst gewesen und ließen sich und lassen sich privat absichern. Eine teilweise Berufstätigkeit dagegen erschien uns wegen des hohen Aufwands finanziell nicht lohnend.
Die Entlohnung
Rechnet man ehrlich die bei einer stundenweisen Erwerbstätigkeit vergleichsweise erhöhten Kosten für Betreuung, Lebenshaltung und Mobilität gegen das zusätzlich gewonnene Einkommen auf, bleiben meist nur ein paar Hundert Euro übrig. Der Preis dafür, den die Familie mit einem Leben „knapp auf Kante genäht“ gezahlt hätte, erschien uns zu hoch.
Die Wege in die Institutionen der Kinder und zum eigenen Arbeitsplatz sind zeitaufwendig, die Öffnungszeiten nicht immer hilfreich. Nahrungszubereitung muss eigentlich immer schnell gehen, ständig fehlt etwas im Kühlschrank und im übrigen Vorrat. Andauernd muss abgesprochen und ausgehandelt werden, wer wann die Kinder „übernimmt“. In unserem Bekanntenkreis ist es keine Seltenheit, dass die Großeltern jede Woche für zweieinhalb Tage an den Wohnort der Kinder reisen, um diesen die Versorgung der Enkelkinder abzunehmen.
Das alles kann funktionieren, wenn die Familie sehr gut organisiert ist und die Abläufe gut strukturiert sind. Es wird dagegen jedes Mal zur Belastungsprobe, wenn die Kinder krank sind, der Partner nicht belastbar ist oder die Maschinen, die uns grobe Arbeit abnehmen, kaputt gehen. Auch sechs Wochen Sommerferien können eine echte Zumutung sein.
In den Ohren einer aufstockenden, alleinerziehenden Mutter oder einer Familie knapp über der Hartz-IV-Bemessungsgrenze muss unsere Rechnung als junge Familie wie Hohn klingen. Warum wird die Versorgung einer Familie in unserer Gesellschaft nicht anständig entlohnt?
Zurück in den erlernten Beruf?
Es fällt dabei nicht nur jede Menge Arbeit an, es gibt dort auch viele wichtige Werte zu vermitteln: gegenseitige Fürsorge, einen sorgsamen Umgang mit Natur und Schöpfung, Koch- und Esskultur, Spielkultur, Streitkultur, Unterhaltungskultur, .... Nicht zuletzt ist es eine so wertvolle Zeit mit kleinen Kindern, die ich da erleben konnte. Sie ist intensiv, sehr schnell vorüber – und sie lässt sich nicht wiederholen.
Wenn die Kinder größer sind – bei uns war das Ende der Grundschulzeit der jüngsten Tochter ein guter Zeitpunkt – kann die ganze Rechnung anders aufgehen. Ich finde es richtig, den Kindern dann vorzuleben, dass man sich gut organisieren kann, dass man sich an Absprachen halten muss und dass auch sie einen Beitrag leisten können und sollen, damit der Haushalt alle möglichst gut versorgt.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Natürlich auch deshalb, weil wir ja nicht wissen können, ob es in der Zukunft unserer Kinder eine solche Möglichkeit geben wird, wie wir sie uns genommen haben. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich die Einkommen in Deutschland so entwickeln, dass unser Modell eine echte Option darstellt, wenn unsere Kinder in fünf bis zehn Jahren in die Erwerbstätigkeit starten.
Nach zwölf Jahren als Hausfrau bin ich seit vier Jahren wieder erwerbstätig. Allerdings nicht als Ökotrophologin, da ist der Wiedereinstieg schwierig. Das Problem, dass man in den erlernten Beruf nicht so einfach wieder hineinkommt, ist neben der Einkommenseinbuße sicherlich der zweite fiese Fallstrick in der Teilzeitfalle, die ja in erster Linie Frauen betrifft.
Das Image der Hauswirtschaft
Ich arbeite deshalb nun als Vertretungskraft an einer Oldenburger Grundschule. Wenn eine Lehrkraft ausfällt, komme ich und versuche, so sinnvoll wie möglich weiterzuführen, was gerade Thema ist. Dazu brauchte es eine Fortbildung zur pädagogischen Mitarbeiterin über 118 Unterrichtsstunden.
In der Schule erlebe ich, dass Kinder krank zur Schule geschickt werden, obwohl sie sich zum Beispiel nachts übergeben haben. Die sagen dann: „Mama hat gesagt, jetzt ist alles raus; und zu Hause kann ich alleine nicht bleiben.“ Mir tun dabei alle leid: das Kind, die Eltern, die Mitschüler, die sich reihenweise anstecken, und manchmal auch ich, wenn doch noch nicht „alles raus war“.
Der Deutsche Hausfrauenbund (DHB), Berufsverband aller im Privathaushalt Beschäftigten, kämpft seit über hundert Jahren für die Anerkennung der dort geleisteten Arbeit. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass es den staatlich anerkannten Beruf der Hauswirtschafterin überhaupt gibt, und man bemüht sich ehrlich, das Image der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten aufzuwerten.
Als wir vor 18 Jahren nach Oldenburg zogen, bot der hiesige Ortsverband mir an, in der Ausbildung von Hauswirtschafterinnen einzelne Unterrichtsstunden zu übernehmen. Was ich selber so gern tue, einen Haushalt gut und sicher führen, kam mir dort in geballter Form betulich und bieder, die Lehrtätigkeit irgendwie schulmeisterlich vor.
Energie für das Familienleben
Es war mir nie ein Anliegen, eine perfekte Hausfrau zu sein oder andere davon zu überzeugen. Ich will eigentlich bloß, dass der Haushalt gut läuft, damit Energie für das Familienleben übrig ist und alle gut versorgt sind.
Allerdings sehe ich heute deutlicher die Verluste für unsere Gesellschaft, die ein Rückzug der Eltern aus den Familienhaushalten mit sich bringt. All die oben aufgezählten Werte und noch viel mehr müssen in den Schulen und Betreuungseinrichtungen vermittelt werden. Diese ächzen unter der Last der vielen Erziehungsarbeit, die inzwischen zu leisten ist.
Mein Mann braucht in seinem Beruf übrigens nicht ständig Bestätigung dafür, wie wichtig, verantwortungsvoll, unverzichtbar und so weiter seine Tätigkeit ist. Allerdings hat er diese Bestätigung jeden Monat auf unserem Konto sichtbar vor sich. Diese Anerkennung fehlt für die Arbeit, die in Familien geleistet wird.
Wenn wir zurzeit über ein solidarisches, bedingungsloses oder sonst wie geartetes Grundeinkommen nachdenken, bietet sich auch die Möglichkeit – und sie muss unbedingt ergriffen werden –, Versorgungsarbeit in der Familie anständig zu entlohnen. Es geht dabei auch darum, diejenigen Eltern, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder zu Hause zu betreuen, fair für das Alter abzusichern.
Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können unterstützen, dass Eltern aus der Teilzeit oder Auszeit gut wieder herausfinden. Die Familienpolitik hat zu regeln, dass Eltern ihre Erwerbstätigkeit außer Haus ohne Einkommensverlust reduzieren können. Und steuerpolitische Instrumente müssen dafür sorgen, dass kleine, zusätzliche Einkommen aus Teilzeitbeschäftigung nicht so hoch besteuert werden, dass es sich kaum lohnt, dafür arbeiten zu gehen. Ich bin sicher: Wenn es den politischen Willen gibt, das gut zu regeln, wird es auch funktionieren.
Welche Arbeit ist für die Gesellschaft wichtig?
Es muss eine echte Wahlmöglichkeit geben, vor allen Dingen für Familien, die auf den schmalen Mehrverdienst nicht verzichten können. Nur dann können wir hoffen, dass Eltern sie ergreifen.
Mit einem Strukturwandel im Denken darüber, welche Arbeit für diese Gesellschaft wichtig ist und deshalb grundsätzlich entlohnt wird, wird sich der gesamte Umgang mit dieser Arbeit verändern. Wenn es im Denken und im Sprachgebrauch einer Gesellschaft keine „Familienpausen“ und „Erziehungsurlaube“ mehr gibt, dann braucht auch niemand aus einem Dasein als Nurhausfrau oder -mann mühsam den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu wagen.
Er oder sie kann dann vielleicht ganz ungeniert alle, auch die in der Familie erworbenen Fähigkeiten und Qualitäten an anderer Stelle unserer Gesellschaft zum Glänzen bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers