Camp in Kreuzberg: Flüchtlinge diskutieren über Angebot
Integrationssenatorin Kolat bietet den Flüchtlingen ein vorläufiges Bleiberecht – wenn sie den Platz räumen. Die sind sich uneins über das Angebot.
BERLIN taz | Einen Tag, nachdem das Angebot von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) an die Flüchtlinge vom Oranienplatz bekannt wurde, kochen die Emotionen dort hoch. Der Nigerianer Bashir Zaharia, Vertreter der kompromissbereiten Fraktion der Flüchtlinge, zeigt sich optimistisch. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt er der taz. Er zeigt sich zuversichtlich, dass es bald einen Vertrag mit dem Senat gibt. Kolat hatte den Platzbesetzern ein provisorisches Bleiberecht angeboten, wenn sie im Gegenzug ihre Zelte und Hütten abbauen.
Doch Zaharias Optimismus teilen nicht alle Männer auf dem Oranienplatz. „Die Forderungen an die Flüchtlinge sind konkret. Die Zusagen der Landesregierung bleiben vage“, kritisiert Turgay Ulu, Vertreter des radikalen Flügels auf dem Oranienplatz. „Wenn der Senat will, dass wir erst den Platz räumen und dann eventuell ein Bleiberecht bekommen, ist das keine Garantie für uns.“ Und ein Mann, der anonym bleiben will, ergänzt: „Wir wollen keine Sondergesetze für Flüchtlinge. Wir wollen hier leben und arbeiten, wie alle.“
Auch in der Politik wird diskutiert. Im Integrationsausschuss erklärte Senatorin Kolat erneut, dass die Gespräche noch liefen und ein abgestimmtes Papier noch nicht vorliege.
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) fordert, den Druck aus den Verhandlungen zu nehmen. „Für die Flüchtlinge geht es um ihr Schicksal. Wir müssen ihnen die Zeit lassen, in Ruhe untereinander und mit ihren Anwälten zu diskutieren, ob sie ein Angebot vom Senat annehmen.“ Herrmann zufolge muss allerdings bis Monatsende eine Entscheidung her, wo im April die Flüchtlinge bleiben, die derzeit noch in einem Caritas-Heim im Wedding untergebracht sind. Pirat Fabio Reinhardt sagt: „Es ist ein Grunderfolg, dass der Senat mit den Flüchtlingen auf Augenhöhe verhandelt.“
Aus CDU-Kreisen ist zu hören, dass maßgebliche Christdemokraten eine befristete Duldung für die Lampedusa-Flüchtlinge nicht mittragen wollen. Sie wollen so eine Option lediglich prüfen oder auch „wohlwollend prüfen“ – doch selbst diese Formulierung ist intern offenbar strittig. Zudem fordert die CDU, dass nicht nur der Oranienplatz sondern auch die ehemalige Gerhard-Hauptmann-Schule in Kreuzberg geräumt wird.
Die Flüchtlingsexpertin Canan Bayram (Grüne) lobt das Angebot des Senats an die Flüchtlinge als „fair“, kritisiert aber den geringen Spielraum der Integrationssenatorin. „Kolat verhandelt mit den Flüchtlingen, aber die Entscheidungen fallen im Innenressort“, sagt sie. Sie verweist auf die alte Grünen-Forderung, die Ausländerbehörde der Integrationssenatorin zu unterstellen und nicht dem Innensenator. „Das würde die Verhandlungen zum Oranienplatz vereinfachen. Und wir könnten die Ausländerbehörde als Einwanderungsbehörde mit Willkommenskultur umgestalten.“
Leser*innenkommentare
Deutscher
Gast
Ich werde den Verdacht nicht los, dass auf dem Oranienplatz ein Problem der deutschen Politik ausgesessen werden soll. Das am Ende doch nicht gelöst wird.
Überleben die Menschen lange genug auf Berliner Boden - wie war das drei Jahre? - werden sie von rechtswegen doch von allein geduldet und mit staatlicher Unterstützung integriert. Bis dann der nächste Oranienplatz mit Hang zur Eskalation kommt, ist nur eine Frage der Zeit.
Ich meine, wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens, wie wir mit armen Flüchtlingen am besten umgegangen wollen.
guter christlicher vorschlag
Gast
@Kreuzbergerin
Für so eine im christlichen Sinne vergebende Vorgehensweise liessen sich bestimmt alle bürgerlichen Parteien gewinnen. Gab es so eine Amnestie in Deutschland schon mal?
abschiebung mit willkommenskultur ?!
Gast
Ein passender Slogan für eine "neue" Ausländerbehörde unter der Integrationssenatorin. Was ist aus der alten grünen Forderung "Abschaffung des Ausländergesetzes!" geworden? Oder ist das Ziel in Berlin bald wie in Bremen "freundliche Abschiebungen" durchzuführen.
Kreuzberger
Gast
Ja, das Asylverfahren gehört auf den Prüfstand und muss schneller werden. Nicht unbedingt gelockert -aber schneller, um Asylberechtigten schnell eine Perspektive in Deutschland zu bieten. Bei allem Mitgefühl für die Schicksale der Flüchtlinge, sollte der Senat sich aber nicht um eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erpressen lassen. Er sollte den Protestierenden eine Einzelfallprüfung im Eilverfahren anbieten. Nach Räumung der O-Platzes.
So gehts nicht
Gast
So sehe ich das auch. Es gibt nämlich hier das Gesetz und die Menschenrechte.
Wenn ich diesen unsäglichen Slogan "Kein Mensch ist illegal" lese, wird mir doch schon klar, dass die Sympathisanten desselben nicht auf dem Boden unseres Gesetzes stehen möchten.
Legal ist das Leben jedes Menschen, keine Frage, aber illegal kann dennoch der Aufenthalt in einem Land sein, das demokratisch Gesetze verabschiedet. - Wo ist eigentlich ds Problem? Ich ürfte auch nicht einfach so nach Kanada gehen und sagen: "Hey Leute, hier bin ich, weil ich legal bin". Die würden mir was husten!
kreuzbergerin
Gast
Eine sofortige Immigrationsamnestie für alle derzeitigen Flüchtlinge und andere "Ausländer" ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland wäre eine einfache faire Lösung. So wäre auch der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt. Alle bekommen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis. Parallel kann die notwendige Reform der Ausländergesetze begonnen werden. Selbst die "bösen" USA haben neben anderen europäischen Staaten solche Amnestien bereits vollzogen und planen weitere. Siehe: http://www.usamnesty.org/ "The proposed immigration amnesty would benefit the 12 to 20 million undocumented aliens (illegal immigrants) currently living in the United States. An amnesty for illegal aliens forgives their acts of illegal immigration and implicitly forgives other related illegal acts such as driving and working with false documents. The result of an amnesty is that large numbers of foreigners who illegally gained entry into the United States are rewarded with legal status (Green Card) for breaking immigration laws.
The United States has granted amnesty to millions of illegal immigrants through different amnesty and laws. Before the first amnesty in 1986, amnesty was only given on a case by cases basis. Amnesty was never given to a large group of individuals. The first (and supposedly one-time only) amnesty in 1986 gave about 2.8 million illegal immigrations the opportunity to change their status through the Immigration and Reform Control Act (IRCA)."
GAST
Gast
@kreuzbergerin Ein völlig anderes Land mit einem völlig anderem System,sei es sozial sei es wirtschaftlich.Es ist immer wieder ein schlechtes Argument fremde Lösungen,die einer bestimmten Lage entstammen auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen.Eine Sache ist aber bei dieser Amnestie sicher-sie geschah keinesfalls aus altruistischen Gründen.
Paule
Gast
So ein Stuss. Bestehende Gesetze müssen geachtet werden und Ausnahmeregelungen ausgerechnet für jene, die versuchen den Staat zu erpressen sind der ganz falsche Weg. Damit schafft man nur Präzedenzfälle, die andere motivieren sich ebenso rechtswidrig zu verhalten. Unsere Gesellschaft basiert auf Regeln und Gesetzen, die das Zusammenleben regeln und jedem eine gewisse Sicherheit bieten. Setzt man diese aus, haben wir ganz schnell einen Raum in dem jeder tut was ihm gefällt, auch zu Lasten anderer.
Lieber Ausnahmen und Bevorzugung für jene, die sich an die Regeln des Asylverfahrens gehalten haben und für die eine positive Integrationsprognose besteht.