piwik no script img

CSU-Politiker über Muslime in der Partei„Mir fehlen die Worte“

Die CSU in Wallerstein verweigerte einem Bürgermeisterkandidaten die Unterstützung – weil dieser Muslim ist. CSU-Politiker Ozan Iyibas ist entsetzt.

Ozan Iyibas bei der Versammlung des Arbeitskreis Migration und Integration der CSU Foto: privat
Interview von Franziska Schindler

taz: Der CSU-Ortsvorstand im bayrischen Wallerstein fragte Şener Şahin, ob er als Bürgermeister kandidieren wolle. Doch Teile der örtlichen CSU liefen dagegen Sturm, Şahin zog seine Kandidatur zurück. Herr Iyibas, waren Sie überrascht über den starken Gegenwind, den ihr Parteifreund aus den eigenen Reihen erfuhr?

Ozan Iyibas: Ich muss sagen, mir fehlen die Worte. Man zweifelt am Verstand einiger Funktionäre. Dass ein Mensch, der jahrzehntelang vor Ort ist und alles dafür getan hat, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, nur wegen seiner Herkunft einen solchen Widerstand bekommt, ist überhaupt nicht zu akzeptieren.

Wie steht es um Muslime in der CSU?

Viele in der CSU sind offen sind gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte, auch türkischer Herkunft. Aber wenn man Ämter bekleidet, die in Richtung Landrat, Staatssekretär, Minister gehen, ist der Gegenwind sehr, sehr heftig. Jemanden zu verhindern, bloß weil er türkischstämmig ist oder einen muslimischen Hintergrund hat – das gibt es vom Kreisverband bis zur Bundesebene.

Das können wir uns nicht leisten. Sonst vergraulen wir die Engagierten in den Orts- und Kreisverbänden – nach dem Motto: Du bist gut fürs Plakatekleben, aber wenn es um die Aufgaben geht, wo man gestalten kann, dann brauchen wir den Türken nicht.

Wie geht es Ihnen als Politiker mit Migrationsgeschichte damit?

Ich will nicht der Quotentürke sein. Ich bin einer, der in Freising geboren, in Neufahrn aufgewachsen ist und in der CSU seine Heimat gefunden hat. Ich gehe gern in die Kirche, weil es mir Kraft gibt, aber vergesse auch nicht, wo meine Eltern herkommen.

Ozan Iyibas
Im Interview: Ozan Iyibas

37, ist Landesvorsitzender des Arbeitskreis Migration und Integration der CSU.

Wenn meine Herkunft zum Vergehen wird, liegt der Fehler nicht bei mir. Sondern bei denen, die mich nur aufgrund meiner Herkunft beurteilen und nicht danach, was ich geleistet habe und wer ich als Mensch bin. Ich will auch nicht nur zu Migration und Integration arbeiten, sondern alle anderen Politikfelder ebenso mitgestalten.

Haben Sie in der CSU selbst die Erfahrung gemacht, aufgrund Ihrer Migrationsgeschichte von Ämtern ausgeschlossen zu werden?

In der CSU gibt es zwar Muslime, aber die sind nicht sehr weit verbreitet. In meinem Kreisverband bin ich der einzige, der etwas erreicht hat und die Möglichkeit gehabt hätte, ein höheres, öffentliches Amt zu bekleiden. Das ist daran gescheitert, dass einige alteingesessene Mitbürgerinnen und Mitbürger alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um mich zu verhindern – nicht auf Orts-, sondern auf Kreisebene.

Eine Aussage, die mich wirklich getroffen hat, war: „Er ist türkischstämmig, das kann man ja gar nicht vermitteln.“ Teilweise sind das Leute, mit denen ich befreundet war. Die habe ich nicht wiedererkannt. Die sagen: „Du bist ein Pfundskerl und bayrischer als mancher Bayer, aber das ist vielleicht schon ein bisschen hoch für dich.“

Bezogen sich die Proteste gegen die Kandidatur von Şener Şahin vorrangig auf seine Migrationsgeschichte oder seinen muslimischen Glauben?

Auf beides. Unsere Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hat beispielsweise serbisch-kroatische Wurzeln, aber weil sie christlich ist, ist das nicht so ein großes Problem. Wenn Sie aber türkischer Herkunft sind und gleichzeitig noch muslimischen Glaubens, fahren in der CSU bei einigen Leuten die Klappen runter.

Das darf nicht sein. Natürlich gibt es Menschen, die hier leben und sich vielleicht nicht integrieren wollen, aber dieses grundlose Stigmatisieren ist der CSU nicht würdig. Integration hat etwas mit Akzeptanz zu tun – und zwar von beiden Seiten. Die sehe ich hier nicht.

Was erwarten Sie jetzt von Ihrer Partei?

Die Führungskräfte in der CSU müssen ganz klar und deutlich ein Machtwort sprechen. Tun sie das nicht, werden wir in zehn, zwanzig Jahren noch immer mit diesen hinterwäldlerischen Gedanken konfrontiert sein. Ich erwarte von meinem Parteivorsitzenden, dem Generalsekretär und der CDU, dass sie sich deutlich positionieren.

Als Partei müssen wir verschiedene Lebenswirklichkeiten und Strukturen in der Gesellschaft widerspiegeln. Da gehören auch Menschen mit Migrationsgeschichte dazu. Das darf eine Partei nicht vergessen. Nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern es ernst zu meinen – das fehlt mir hier. Dass man „noch nicht so weit sei“, ist eine faule Ausrede.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Dieser Herr ist auch total unauthentisch. Ein Widerspruch in Person. Wenn es darum geht, Muslime zu diffamieren und anzugreifen, ist dieser Herr ganz vorne dran, um sich in der Partei gut positionieren zu können und durch seine Angriffslustigkeit gegen muslimische Vereine Loorbeeren zu ernten. Sobald es um Stimmen geht, verteilt kriecht er in...

  • Ich sach's mal so: Anpassung mag in der Biologie ein erfolgreiches Konzept sein, in der Politik ist es das eher nicht.

    Wenn ich auf meinem täglichen Spaziergang an den Kleingärten hier vorbeikomme, dann ist regelmäßig in den ersten beiden Parzellen Schwarz-Rot-Gold geflaggt und in den nächsten beiden Parzellen auf etwas längerem Fahnenmast der türkische Halbmond. Die Pächter sind allesamt sehr nette und friedfertige Leute und ich frage mich jedesmal, ob dies ohne Fahne wohl grundlegend anders wäre. (;-))

  • Danke für die erhellenden Einblicke - obwohl sie mir fern liegen hätte ich doch gedacht dass auch in der CSU mal so langsam ein Umdenken stattfände weg von den 50er Jahren rein in die Gegenwart. Ist aber wohl nicht so. Wieder was gelernt.

    • @Nina Janovich:

      Die haben letztes Jahr Markus Söder zum Vorsitzenden gewählt. Klingt das irgendwie nach einer auch nur ansatzweise nach vorne gewandten Partei?

  • «Ein CSU-Chef mit muslimischem Glauben ist so abwegig wie eine Pfarrstelle in Mekka»



    Peter Gauweiler

    Ein ganz interessanter Artikel über die Einstellung der CSU gegenüber Muslime:

    www.nzz.ch/interna...n-mekka-ld.1532263

  • Als Schweizer kenne ich mich mit deutscher Politik und deutschen Parteien nicht sonderlich aus, würde aber mal sagen, dass es auf das Selbstverständnis dieser Partei ankommt und darauf, dass sie wissen sollte, was sie eigentlich will: Sie hat ja durchaus das Wort "christlich" im Namen. Wenn das bedeutetet, dass sie sich wirklich als spezifisch christliche Partei versteht, die die Belange von Christen vertreten will; als eine Partei, die sich über die Religion ihrer Mitglieder definiert - naja, dann sind Andersgläubige, handle es sich nun um Muslime, Buddhisten oder Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters, in dieser Partei wohl falsch. Versteht sie sich aber als offenere Partei, sollte sie vielleicht das "christlich" dann auch mal aus dem Namen streichen - wie es die Bundesrätin (Regierungsmitglied) Viola Amherd der Schweizer CVP für ihre Partei neulich erst vorgeschlagen hat.

    • @Herumreisender:

      Das "christlich" ist in etwa so ernstgemeint wie das "sozial" in Nationalsozialisten. Es dient auch einem ähnlichen Zweck, Stimmen abzugreifen.

      Nein, ich will C*U nicht mit den Nazis vergleichen, die Benennung ist schlicht nur Fassade, ähnlich wie es damals bei der NSDAP war. Man darf einer Sebstbenennung nicht wirklich glauben, es kommt darauf an ob es gelebt wird. Und keine der C* Parteien folgt irgendwelchen christlichen Werten.

      Bei der SPD war das S(ozialdemokratisch) tatsächlich mal ernstgemeint, zumindest größtenteils. Die haben das aber spätestens mit der Schröder-Kanzlerschaft vor über 20 Jahren aufgegeben und heissen nur noch so. Derzeit versuchen sie wieder leicht in die Richtung zu gehen.

  • Muss schwierig sein über Jahre hinweg zu ignorieren in welcher Partei man ist. Schön dass es ihm jetzt doch mal auffällt.

  • Ablehnung, "weil er Muslim ist"? Hat das jemand so gesagt oder ist das der Standardrefelx auf jede Art von Kritik?

    • @Maschor:

      Lesen Sie ja nicht den Artikel. Lesen Sie auch ja nicht die Meldungen und Zitate die schon einige Zeit im Umlauf sind.

      Viel wichtiger ist pauschal etwas zu unterstellen. Völlig wurst ist dabei, ob es auch nur im entferntesten eine Nähe zur Wahrheit hat.

      // Standardrefelx

      Sehr richtig, anders kann ich Ihr Posting beim besten Willen nicht einsortieren.

      Was ist Ihr Triggerwort? "Muslime"?

    • @Maschor:

      In Zweifel ziehen, dass es in der CDU zu viele Menschen gibt, die keine Moslems in führenden Ämtern haben wollen? Können Sie sich gar nicht vorstellen, oder ist das der Standardreflex, um sich nicht mit den eigenen Privilegien auseinandersetzen zu müssen?



      www.sueddeutsche.d...-muslime-1.4745493

    • @Maschor:

      Artikel gelesen? Es steht drin. Oder einfach nur hier um Opferumkehr zu betreiben?