CO₂-Speicherung im Meer: Schleswig-Holstein sagt Jein
Die Landespolitik in Schleswig-Holstein streitet über die CO₂-Speichertechnik CCS, die der Bund plant. Nachbar Dänemark ist da schon viel weiter.
Klimaschädliches CO₂ einfach im Boden oder im Meer verschwinden lassen? Das verspricht das sogenannte CCS-Verfahren. Zu dieser umstrittenen Technologie hat sich Schleswig-Holstein parteiübergreifend immer wieder kritisch geäußert. Aktuell berät der Bundestag ein „Kohlendioxid-Speicherungsgesetz“, das das Verpressen des Gases im größeren Stil ermöglichen soll.
Jetzt verlangt der SSW im Kieler Landtag dazu eine Grundsatzentscheidung. Die Partei der dänischen Minderheit will ein Nein des Parlaments in Kiel zu CCS im großen Stil erwirken. Dabei prescht Dänemark selbst mit Großprojekten vor.
„Der Norden darf nicht zur Müllkippe für fossile Irrtümer werden“, sagt Sybilla Nitsch, wirtschafts- und energiepolitische Sprecherin des SSW. CCS sei eine „Türöffner-Technologie für ein fossiles Comeback“. Denn das geplante Gesetz erlaube die Verpressung von CO₂ im industriellen Maßstab, sogar von Emissionen aus fossilen Kraftwerken.
Umweltverbände und Expert:innen sehen das Verfahren kritisch – auch weil unklar ist, ob das Gas dauerhaft im Untergrund bleibt oder ins Grundwasser dringt. Auch im Meeresuntergrund könnte das Gas austreten. Aber die Ablehnung ist nicht bei allen kategorisch: Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es „in einigen wenigen Bereichen“ CCS, sagt etwa der Naturschutzbund Nabu. Der Weltklimarat IPCC nennt CCS als Brückentechnologie, um die Erderwärmung zu bremsen.
Dänemark setzt schon länger auf CO₂-Speichertechnik
Auch die Mehrheit im Kieler Parlament sagt inzwischen nur noch Jein zu CCS. CDU, Grüne und FDP stimmten im Umweltausschuss dafür, die CCS-Strategie des Bundes „konstruktiv“ zu begleiten. Allerdings gibt es Einschränkungen, etwa ein Nein zu Subventionen oder zu CCS für Branchen, die sich anders decarbonisieren ließen. Darüber gehe das Bundesgesetz aber deutlich hinaus, kritisiert Nitsch vom SSW.
Während in Kiel um die Frage gerungen wird, wie viel CCS sein darf, prescht das Nachbarland Dänemark voran. Am weitesten fortgeschritten ist das Projekt „Greensand“: In einem ehemaligen Ölfeld unter der Nordsee will Dänemark künftig acht Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr dauerhaft lagern.
Protest kommt von Reinhard Knof, Sprecher der Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager“. Seiner Einschätzung nach hätte sich das Land Schleswig-Holstein an einer Umweltverträglichkeits-Prüfung beteiligen können. Aus Briefwechseln, die der taz vorliegen, geht hervor, dass sich das grün geführte Umweltministerium nach dem Projekt erkundigt hatte. Eine offizielle Prüfung fand aber nicht statt, auch auf Basis von Einschätzungen des Bergbauamtes sowie des Bundesamtes für Naturschutz, das für den Schutz der Meeresgewässer zuständig ist.
Auf taz-Nachfrage erklärte das Bundesamt, dass „Greensand“ mehr als 100 Kilometer außerhalb der deutschen Gewässer liege. Daher sei keine Auswirkung zu erwarten. Weitergehende Untersuchungen habe das Bundesamt aber nicht vorgenommen, und ohne die „können wir die konkreten Folgen für die Meeresumwelt nicht beurteilen“.
CCS-Technik statt konsequentem Klimaschutz?
Für Reinhard Knof ist das ein Skandal: „Die Öffentlichkeit hätte informiert und wir als Umweltschutz-Organisation hätten beteiligt werden müssen.“ Laut dem Kieler Umweltministerium gebe es dafür aber keine rechtliche Grundlage.
Anders sieht es bei einem weiteren Projekt in der Ostsee aus. Ein Gebiet bei Rødby auf der Insel Lolland, unweit des geplanten Fehmarnbelt-Tunnels, kommt aus dänischer Sicht als CO₂-Speicherstandort infrage. Das Unternehmen CarbonCuts A/S hat bereits eine Lizenz für geologische Untersuchungen erhalten. Das Land Schleswig-Holstein sei darüber informiert, werde die Entwicklung „aufmerksam begleiten“ und sich bei einer etwaigen grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeits-Prüfung einbringen, teilt eine Sprecherin mit.
„Für mich als Grüner wird es immer eine bittere Pille bleiben, dass wir CCS nicht durch frühen, konsequenten Klimaschutz vermeiden konnten“, sagt Landesumweltminister Tobias Goldschmidt der taz. Einige Punkte des Bundesgesetzes lehne die Landesregierung ab, etwa CCS direkt an Gaskraftwerken oder die Einschätzung, Leitungen für CO₂ seien von „überragendem öffentlichen Interesse“. Dennoch werde die Landesregierung trotz solcher „wiederholt vorgetragenen Kritikpunkte“ im Bundesrat zustimmen, sagte Goldschmidt: „Weil wir das Ziel der Klimaneutralität fest im Blick haben.“
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