CO2-Rekordwert bei Katar-WM: Das Märchen der klimaneutralen WM
Katar und die Fifa geben an, die bei dem Turnier entstandenen Treibhausgase zu kompensieren. Unklar ist jedoch, wie sinnvoll das ist.
Die Kritik der Umweltverbände zielt auf mehrere Ebenen: Gibt es ernsthafte Bemühungen, die Auswirkungen der WM auf das Klima zu minimieren? Sind die Berechnungen der verursachten CO2-Emissionen korrekt? Und stammen die Zertifikate, die Katar und die Fifa erwerben wollen, von seriösen Anbietern und führen diese wirklich zu einer Reduktion von Emissionen?
Für die WM in Katar wurden sieben neue Fußballstadien gebaut. Während der Spiele werden die Felder und die Tribünen klimatisiert. Mehr als eine Millionen Fans fliegen in das Land ein. Und weil nicht alle in Katar untergebracht werden können, gibt es Shuttle-Flüge in die Nachbarländer.
Die globale Beratungsfirma South Pole hat die Emissionen im Auftrag der Veranstalter berechnet: 3,6 Megatonnen CO2 verursache die WM. Das sind 60 Prozent mehr als bei der letzten WM in Russland.
Wer zertifiziert da?
Die Nichtregierungsorganisation Carbon Market Watch hat die Berechnungen analysiert und kommt zum Schluss, dass die Zahl zu niedrig ist, insbesondere der sehr CO2-intensive Bau der Stadien sei nur zu einem kleinen Teil berücksichtigt. South Pole nennt keine Details zu seinen Berechnungen und erklärte auf Anfrage der taz: „Die endgültige Entscheidung über die Einbeziehung oder den Ausschluss bestimmter Faktoren und Emissionsquellen wurde von der Fifa getroffen.“ Eine Anfrage dazu ließ die Fifa bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Unabhängig davon, wie viel CO2 kompensiert wird, spielt es eine Rolle, wie kompensiert wird. Es gibt international anerkannte Anbieter von CO2-Zertifikaten, und es gibt Qualitätskriterien. „Es handelt sich um einen freiwilligen, weitgehend unregulierten Markt. Entsprechend stark variiert die Qualität der Zertifikate“, sagt Joachim Thaler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität für Bodenkultur in Wien, der taz.
Für die „klimaneutrale“ WM hat Katar 2016 eine eigene Organisation, den Global Carbon Council (GCC), gegründet. Dieser agiert unabhängig von anerkannten Kontrollmechanismen. Die meisten Klimaschutzprojekte des GCC sind Wind- und Solarenergieprojekte in Indien, China und der Türkei. Dies ist umstritten, weil sie ein wichtiges Kriterium für die Zertifikate möglicherweise nicht erfüllen. Das Umweltbundesamt schreibt: „Projekte zur Minderung von Treibhausgasen müssen sicherstellen, dass die Reduktion von Emissionen zusätzlich ist.“ Solar- und Windprojekte sind mittlerweile in den meisten Fällen wirtschaftlich rentabel und würden auch ohne den Verkauf von CO2-Zertifikaten realisiert.
Der Geschäftsführer von South Pole, Renat Heuberger, sagte zur taz: „Wir haben die Wahl der Zertifikate selber bedauert. Ich hätte andere gewählt. Zertifikate aus Grünstromprojekten führen heute kaum mehr zu einer zusätzlichen Reduktion von Treibhausgasemissionen. Es gäbe bessere Zertifikate, die sind jedoch teurer.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus