CDU nach der Wahl in Niedersachsen: Führungslos und abgekämpft
Niedersachsens Landeschef Bernd Althusmann ist nach der vergeigten Wahl zurückgetreten, dito der Fraktionschef. Zeit für neue Köpfe.
Für Althusmann ist die Wahlniederlage auch eine persönliche. Unter seiner Führung hat die CDU das schlechteste Ergebnis seit 1955 eingefahren: 28,1 Prozent der Stimmen. Eine halbe Stunde nachdem die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme flimmerten, hat sich Althusmann einen Weg durch seine Anhänger:innen gebahnt. Auf einer kleinen Bühne im Fraktionssaal der CDU ist er vors Mikro getreten und hat seinen Rücktritt als Landesvorsitzender erklärt.
Zeit für einen Wechsel
„Für mich ist das eine Sache der Konsequenz“, sagt er ein paar Stunden später. Es sei Zeit für einen Führungswechsel, nachdem er erneut gegen Weil verloren habe. Abgeordneter wolle er bleiben, aber nicht in führender Position. „Das sollen jetzt neue Persönlichkeiten übernehmen, die wir ja haben.“ Auch der bisherige Fraktionschef Dirk Toepffer hatte am frühen Abend angekündigt, dass er seinen Posten räumen wolle. Wer den Job übernimmt, klärt sich am Dienstag. Über den Landesvorsitz soll nach den Herbstferien ein Parteitag entscheiden.
Mit ein wenig Verspätung trifft auch Reinhold Hilbers auf der CDU-Party ein. Der bisherige Finanzminister ist diesen Job nun los, hat aber sein Direktmandat gewonnen und in seinem Wahlkreis Grafschaft Bentheim die Ergebnisse abgewartet. Entsprechend zwiegespalten blickt der 58-Jährige auf den Abend. „Oft genug erklären sich nach der Wahl alle zum Sieger“, sagt er. Es sei Althusmann hoch anzurechnen, dass er die Niederlage gleich eingestanden und die Konsequenzen gezogen habe. Im Hintergrund spricht Stephan Weil auf einer Leinwand in ein orangefarbenes ZDF-Mikro. Irgendwer möchte sich den strahlenden Wahlsieger hier nicht mehr länger mit anschauen und wechselt stattdessen auf ein Standbild des CDU Wahlkampfmottos: #weiterspringen.
Geklappt hat das nicht. Die CDU ist mit ihrem Anti-Ampel-Wahlkampf zu kurz gesprungen. Hans-Volker Mann stand wochenlang an Wahlkampfständen in Hannover, um seine Kandidatin Sabrina Kahmann zu unterstützen. Er ist vor 50 Jahren in die Junge Union eingetreten, vor 48 Jahren in die CDU. Und er sieht großen Reformbedarf in seiner Partei: „Wir brauchen junge, frische Köpfe, und wenn die weiblich sind, kann das auch nicht schaden“, sagt er. Dazu gehöre, dass junge Frauen Wahlkreise bekämen, die sicher seien. „Der Proporz nach Regionen darf nicht wichtiger sein als die Frauenförderung.“
Dabei hatte Althusmann dafür gesorgt, dass die Landesliste bis Platz 62 von 86 paritätisch besetzt war – ein Novum in Niedersachsen. 13 der 20 Sitze, die die CDU über die Liste gewonnen hat, gingen so an Frauen. Doch die Mehrzahl der Sitze bekommen die Konservativen weiterhin durch Direktmandate. Bei dieser Wahl waren es 27, nur zwei davon gingen an Frauen, 25 an Männer – mit 32 zu 15 also noch immer ein deutlicher Männerüberhang.
Kandidatin Kahmann hat es nicht geschafft. Sie verlor in ihrem Wahlkreis Hannover-Ricklingen gegen Stefan Politze von der SPD. Auch die 33-Jährige wünscht sich eine Veränderung: „Wir müssen uns anders aufstellen. Wenn wir Volkspartei bleiben wollen, müssen wir der Jugend zuhören.“ Und die frei gewordenen Spitzenjobs? „Ich würde mich freuen, wenn es eine Frau macht“, sagt Kahmann.
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