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CDU-Politiker Marco WanderwitzSchmerzhafter Abgang eines Standhaften

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Wanderwitz ist einer von vielen Politikern, die sich wegen Hass von rechts zurückziehen. Dabei braucht die Demokratie jetzt liberale CDU-Politiker:innen wie ihn.

Sitzt bald nicht mehr im Bundestag: Marco Wanderwitz Foto: Stefan Boness

J etzt also Marco Wanderwitz. Der CDU-Abgeordnete aus Sachsen hat angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Der Hauptgrund: Anfeindungen und Bedrohungen von rechts. „Ich muss mich und meine Familie schützen“, sagt Wanderwitz. Als Abgeordneter, der besonders entschlossen für ein AfD-Verbot kämpft, hat er im heimischen Erzgebirge viele Feinde. Persönlich ist sein Rückzug also nachvollziehbar. Für den Zustand dieses Landes ist es erneut ein Alarmzeichen.

Wanderwitz ist ja nicht der Erste, der diese Konsequenzen zieht: Viele Politiker*innen, vor allem aus Ostdeutschland, geben auf, weil sie dem Druck von rechts nicht länger standhalten wollen oder können. Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas, Wanderwitz’ Partnerin, hat schon vor Monaten angekündigt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren.

Dasselbe gilt für den SPD-Abgeordneten Karamba Diaby. Der parteilose Landrat Dirk Neubauer hat hingeschmissen; zahlreiche Bür­ger­meis­te­r*in­nen haben aufgegeben. Ein Punkt, den alle von ihnen beklagen: der fehlende Rückhalt der Zivilgesellschaft. Diese zu unterstützen, etwa durch das lang erwartete Demokratiefördergesetz, muss Aufgabe der neuen Bundesregierung sein – ganz egal, wer dann den Kanzler stellt.

Bei Magwas und besonders Wanderwitz aber kommt noch hinzu: Der Gegenwind kam auch aus der eigenen Partei. Dass die beiden sich zurückziehen, hat auch damit zu tun. Sie sind liberale Christdemokrat*innen, da hat man es in der besonders konservativen Sachsen-CDU ohnehin schwer. Wanderwitz hat seiner Partei zudem einiges zugemutet. Die hatte den Rechtsextremismus im Land lange verleugnet.

Er brach mit dem Kleinreden

Wanderwitz war einer der Ersten, der mit dem Kleinreden und dem Verharmlosen brach und statt Anbiederung offensiv klare Kante gegen die AfD einforderte. Dass er dabei vor Jahren die Ostdeutschen als „diktatursozialisiert“ bezeichnete und einen Teil von ihnen für die Demokratie verloren gab, machte das Ganze nicht leichter. Statt sich – bei allen inhaltlichen Differenzen – vor ihn zu stellen, erklärte ihn Ministerpräsident Michael Kretschmer zum Sündenbock für schlechte Wahlergebnisse und kanzelte ihn ab.

Der CDU kommt bei der Verteidigung der Demokratie eine Schlüsselstellung zu. Sie muss eine klare Grenze zu rechten Antidemokraten ziehen und der AfD den Weg an die Macht versperren. Um diesen Kurs auch bei sehr schwierigen Mehrheitsverhältnissen zu halten, braucht es Christdemokrat*innen, die dafür einstehen, auch wenn es hässlich wird. Solche wie Wanderwitz. Das macht seinen Rückzug besonders schmerzhaft.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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19 Kommentare

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  • Marco Wanderwitz hat in seinem Wahlkreis gegen AfD-Kandidat Mike Moncse verloren.



    Der Schmerz sitzt tief, das Direktmandat weg.

  • "Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind" hat Wanderwitz gesagt, was er aber nicht erwähnt ist, das seine eigene Partei seit 30 Jahren hier ununterbrochen an der Macht ist und einen großen Anteil an der Entwicklung hat. Dafür muss man sich nur mal die Generationen die CDU sozialisiert wurden anschauen.

  • Insgesamt trägt die CDSU einen großen Anteil an der Entwicklung. Merz hat immer noch nicht klar gesagt, dass die GRÜNEN eben nicht der Hauptgegner sind. Söder propagiert dieses Credo ungeniert weiter. Wenn von der Führung nur lasche, vorsichtige Warnung vor den Faschisten kommt und gar deren Vokabular übernommen wird, dann sollte sich niemand über solche Entwicklung wundern.

  • Bei der Bekämpfung des Faschismus können wir uns auf den Staat nicht verlassen.



    Esther Bejarano

    • @aujau:

      Ich lese das so:



      Bei der Bekämpfung des Faschismus können wir uns auf DEN Staat nicht verlassen.

      • @Erfahrungssammler:

        Welcher Staat wäre denn verlässlich?

  • Wie genau soll das Demokratiefördergesetz den Rückhalt für Politiker stärken die in einer braun verseuchten Gegend wohnen? Genau, garnicht

  • "Der CDU kommt bei der Verteidigung der Demokratie eine Schlüsselstellung zu. Sie muss eine klare Grenze zu rechten Antidemokraten ziehen und der AfD den Weg an die Macht versperren."

    -->Ja das stimmt. Allerdings vergisst Frau am Orde hier den relevanten Teil: Die CDU muss als Bollwerk gegen die rechtsextremen Kräfte glaubhafte moderat rechte Politik machen und machen dürfen, ohne sich dafür gleich den Vorwurf Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einzuhandeln.

    Dazu gehört eben auch ein guter Teil reaktionärer Politik, den man als progressiver Mensch ja ablehnen kann, die Nazikeule muss dafür aber eben im Schrank bleiben. So unappetitlich ich Fritze Merz und Linnemann finde, die beiden sind definitiv aufrechte Demokraten.

    Dennoch wird den beiden jedes Verhalten zur Aktivierung und Rückgewinnung rechts-konservativer Wähler als "Anbiederung" an die Faschisten der AfD ausgelegt.

    Solange die rechts-konservativen Wähler nicht von der CDU angesprochen werden, bilden sie den linken Rand der AfD und bilden damit die Klinke für die Rechtsextremen der Höcke-AfD.

    • @Kriebs:

      Vor Merkel gab die CDU dem rechten Rand einen Unterschlupf und - mit der Übergabe des Parteibuchs - den Stempel "konservativ". In der realen Politik spielte das aber keine relevante Rolle. Die Vor-Merkel-CDU war z.B. immer klar pro-europäisch, ein absolutes No-go am rechten Rand.



      Anderes Beispiel: Der 2+4-Vertrag, der die Oder-Neiße-Grenze endgültig anerkannte, wurde mit Gegenstimmen aus der Union verabschiedet (u.a. von der unsäglichen Erika Steinbach). Das ist ein typischer Vorgang. Der äußerste rechte Rand wurde integriert. Aber eine Mehrheit hatte der in der Union nie.



      Die Entwicklung der AfD zeigt aber IMHO, dass es ein Fehler war, die Schwarzbraunen aus der CDU zu entfernen, und sich nach rechts abzugrenzen, wie Merkel es getan hat.

    • @Kriebs:

      Das würde ich unterstützen. In der Vormerkel-Zeit gab es in der CDU eine ganze Menge ziemlich scharf rechter Personen. Sie hatten keinen großen Einfluss auf die Politik, aber entsprechende Kreise fühlten sich gesehen. Der Schwenk der CDU zur Mitte, dne ich inhaltlich gut finde, hat diese Personen in die AfD wandern lassen, sie haben sich weiter radikalisiert und die Positionen bekommen mehr Gewicht. Sehr problematisch.

  • Wanderwitz zieht sich vor allem zurück, weil er in seinem Heimatverband isoliert und ohne Chance auf Wiederaufstellung ist. Dass er die Anfeindungen nicht mehr ertrüge, verkauft sich natürlich besser.

    • @In aller Ruhe:

      Die Bedrohung von Kommunalpolitikern durch Rechts ist seit einiger Zeit immer wieder Thema. Insofern besteht das Problem auch dann, wenn Herr Wanderwitz im Parteiverband keinen Rückhalt hat.

    • @In aller Ruhe:

      Gibts Belege für Ihre ziemlich steile These?

  • Die Feinde der Demokratie haben ganze arbeitet geleistet, einer weniger den sie zum aufgeben ( zum schweigen ) gebracht haben. Wo bleibt die so genannte wehrhafte Demokratie in diesen Fall, die ist bis jetzt ( wie Justiz und Polizei ) auf den rechten Auge blind. Ich dachte der Fall Lübcke würde für einen anderen Umgang einen so genannten aufwach Moment sorgen, und die Sensibilität was Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus angeht schärfen, denn bis dahin wurden fast nur " normale " Menschen getötet, so kann man sich irren. Vielleicht wenn es einen Anschlag von Reichsbürger auf den Bundestag mit weit über 200 tote sich ereignen würde, würde dann etwas ändern, aber selbst dann glaube ich nicht daran das sich der Umgang signifikant ändern würde. Die Berliner Blase ist soweit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen die in faschistische No Go Areas leben, wie der Abstand zwischen den blinden und den einäugigen, Dinge sehen zu können. Ich finde das immer wieder mehr als lustig wenn von Neukölln in Berlin als no go Area die rede ist, und alles andere wird ausgeblendet!

  • Mir sieht das eher so aus, als ob er eingesehen hat, sowieso keine Chance auf einen halbwegs aussichtsreichen Listenplatz zu haben. Immerhin war er schon als Direktkandidat so unbeliebt, so ziemlich als erster und am deutlichsten gegen einen AfD-Kandidaten im einem bisher absolut sicherer CDU-Wahlkreis zu verlieren. So nebenbei der Karrierestart an die Parteispitze für Chrupalla. Seine eigenen Wähler zu beschimpfen ist dann vielleicht doch nicht die beste Strategie, wieder gewählt zu werden.

  • Kretschmer hat Wanderwitz nicht zum Sündenbock für schlechte Wahlergebnisse gemacht. Er hat nur erkannt, daß Wanderwitz in Sachsen mehr Stimmen verloren hat als jeder andere CDU -Kandidat.



    Mit so einem Wählerschreck geht man nicht in die nächste Wahl.

  • Ja, es ist wichtig den engagierten Demokraten den Rücken zu stärken. Und deswegen sollten auch Linksliberale und ihre Medien aufhören mit altem Schubladendenken auf Konservative „einzuprügeln“. Der Feind der Demokratie sind die vereinfachenden Populisten von rechts und links, meine ich als nicht CDUler. Daher auch ein Dank an die differenzierten Schreiber der TAZ.

  • >Der CDU kommt bei der Verteidigung der Demokratie eine Schlüsselstellung zu. Sie muss eine klare Grenze zu rechten Antidemokraten ziehen und der AfD den Weg an die Macht versperren.

    Diese Grenze sollte jeder ziehen. Um zu wissen, welche Kräfte bekämpft werden müssen und welche in einer Demokratie ein Daseinsrecht haben, auch wenn sie einem nicht gefallen.

  • Es müssten jetzt Merz und Söder endlich all denen öffentlich den Rücken stärken, die klare Kante gegen Extremrechts zeigen. Es müssten die Innenminister nicht nur in Sachsen Politiker schützen.



    Bevor wir Lübcke II haben oder SA II.