CDU-Hamburg attackiert Grüne scharf: Rechtsruck mit einem Lächeln
Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß übt Wahlkampf. Deshalb wiederbelebt er alte Ressentiments gegen die Grünen. Das erfreut in seiner Partei nicht jeden.
![Christoph Ploß strahlt in die Kamera. Christoph Ploß strahlt in die Kamera.](https://taz.de/picture/4688209/14/ploss-1.jpeg)
Die Kampfansage des 35-Jährigen mit dem Milchbubi-Gesicht bezieht sich darauf, dass der Bezirk Nord, Ploß' Wahlkreis, in neuen Bebauungsplänen keinen Raum für Einfamilienhäuser vorsieht. Die im rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschriebene Regelung, die auch die Unternehmen der Wohnungswirtschaft begrüßen, ist nicht neu. Sie eignet sich aber hervorragend für Wahlkampfzwecke, seit der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, das Eigenheimthema in einem Interview im Spiegel auf die nationale Ebene gehoben hat.
Der Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft, Dominik Lorenzen, konterte sofort auf Twitter: „Grüne als Einfamilienhaus-Verbotspartei: Der feuchte Traum konservativer Kampagnenmacher. Von lästigen Fakten darf man sich dabei nicht stören lassen.“ Worauf Lorenzen anspielt: In vielen Städten der Republik hat sich auch die CDU vehement gegen weiteren Eigenheimbau ausgesprochen, um die weitere Zersiedlung von Städten und Gemeinden zu stoppen. Und selbst die Eimsbüttler grün-schwarze Koalition, die einzige in Hamburg, schrieb in ihren Koalitionsvertrag, sie werde dafür sorgen, dass im Bezirk „diverse Bebauungspläne, die derzeit noch Einzelhausbebauung vorsehen, aktiv verändert werden“ – in Richtung mehrgeschossiger Wohnungsbau.
Dass Ploß den eigenen Bezirkskollegen in die Parade fährt, stört ihn ebensowenig wie dass er mit einer Strategie, wie Flächeneffizienz und massiver Wohnungsbau in Zeiten knapper Grundstücke mit neuen Eigenheimen bewerkstelligt werden soll, nicht aufwarten kann – das wäre auch viel zu faktenlastig. Stattdessen recycelt er in der Bild anlasslos noch einmal einen Uraltvorwurf: „Zahlreiche Grüne hofieren die Antifa und verharmlosen Linksextremismus.“
Mit Uraltvorwürfen grenzt sich Ploß von den Grünen ab
Neben dem Antifaschismus hat der glühende Fan von Friedrich Merz auch noch die grünen Aktivitäten gegen den Klimawandel auf dem Kieker, wirft ihnen „Gängelung und staatliche Bevormundung“ vor: „Dies spiegeln Fahrverbote in Deutschlands Großstädten oder die Forderung von Grünen-Politikern, Flugreisen von Deutschen einzuschränken“. Kein Wunder, dass der Anti-Umweltpolitiker Ploß in der Bild eine schwarz-grüne Koalition mit der Parole „CDU und Grüne – das passt nicht zusammen“ vehement ablehnt und damit auch noch den Wahlkampfstrategen aus dem Konrad-Adenauer-Haus mächtig gegen das Schienbein tritt.
Ploß' Gepolter markiert eine Kehrtwende. Seit CDU-Bürgermeister Ole von Beust 2008 mit den Grünen in Hamburg eine Koalition einging, gilt die Hansestadt als Vorreiter schwarz-grüner Bündnisse. Und auch die letzten Hamburger CDU-Spitzenkandidaten Dietrich Wersich und Marcus Weinberg galten als grün-affin, wollten die CDU zur liberalen und ökologisch ambitionierten Großstadtpartei formen – fuhren aber schlechte Bürgerschafts-Wahlergebnisse ein. Mit ihrem neuen Leader Ploß belebt die Hamburger CDU nun nicht nur antigrüne Ressentiments wieder, sondern auch ihr rechtskonservatives Profil.
Das gefällt in der Partei längst nicht allen. Und so löst die Attacke des Chefs im eigenen Laden nur beredtes Schweigen aus. Niemand aus der Partei mag Ploß kraftvoll beispringen, im Gegenteil. Hinter vorgehaltener Hand ist in Parteikreisen „von einer unabgestimmten Meinungsäußerung“ des Parteichefs die Rede, die „in der Hamburger CDU sicher nicht Konsens“ ist.
Das Tischtuch mit den Grünen ist jedenfalls erst mal zerschnitten. So springt auch der grundsätzlich einer Koalition mit der CDU nicht abgeneigte Lorenzen auf den von Ploß in Gang gesetzten Zug gegenseitiger Abneigung auf: „Ploß will kein Schwarz-Grün. Mit Leuten wie Ploß will ich das auch nicht!“
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