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CDU-Chef instrumentalisiert rechten MordWo war Friedrich Merz, als Walter Lübcke ermordet wurde?

Tausende gingen auf die Straße, als Lübcke getötet wurde. Merz warf Linken nun trotzdem Nichtstun vor. Eine taz-Recherche zeigt: Er unternahm wohl selber nichts.

Das hat Friedrich Merz wütend gemacht: Protest gegen die gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD im Bundestag Anfang Februar Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin taz | Was hatte Walter Lübcke im Bundestagswahlkampf 2025 zu suchen? Der Kasseler Regierungspräsident, ein CDU-Politiker, wurde vor bald sechs Jahren von dem Neonazi Stephan Ernst ermordet. Es gibt viele Gründe, über ihn und was damals geschah zu sprechen. Zum Wahlkampf taugen diese Gespräche aber nicht.

Seit vergangener Woche ist der Mord an Lübcke dennoch zu einer Art Lackmustest für antifaschistisches Engagement in Deutschland geworden. Eingeführt hat diesen Test der mutmaßlich künftige Kanzler Deutschlands, Friedrich Merz (CDU). Und so viel sei vorweggenommen: Während die An­ti­fa­schis­t*in­nen Deutschlands ihn bestehen, fällt Merz krachend durch.

In den vergangenen Wochen haben gut 2 Millionen Menschen gegen rechts demonstriert. Nach einer gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD im Bundestag wandten sich die Proteste auch gegen die Union – offenbar zum Ärger von Merz. Kurz vor der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag nutzte Merz den Mord an Walter Lübcke für eine billige Pointe: „Ich frage mal die Ganzen, die da draußen rumlaufen, Antifa und gegen rechts: Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen?“

Diese Frage ist leicht beantwortet: Auch damals waren Tausende Menschen – quer durch alle politischen Lager – auf mehreren Demonstrationen auf der Straße und 1.300 beim Trauergottesdienst der Kirche. Auf die Gegenfrage, wo damals Friedrich Merz war, gibt es keine so offensichtliche Antwort. Hat Merz im Juni 2019 gegen rechte Gewalt demonstriert? Seinem ermordeten Parteikollegen gedacht? Dessen Hinterbliebenen kondoliert? Eine entsprechende Anfrage der taz ließ Merz’ Sprecherteam unbeantwortet.

Es liegt also nahe, was die nordhessische Demokratie-Initiative „Offen für Vielfalt“ vermeldete: „Bis zum heutigen Tag hat er in Kassel leider kein Gesicht für den ermordeten Regierungspräsidenten gezeigt.“ Offenbar war die von Merz öffentlich vorgetragene Anschuldigung schlicht ein Geständnis.

Dabei hätte es durchaus Gelegenheit dazu gegeben. Merz war im Juni 2019 ein vielbeschäftigter Mann mit regelmäßigen Auftritten in den Medien. Ein Interview mit ihm erschien damals im Handelsblatt, ein weiteres in der Bild am Sonntag und noch eins im Dokumentationssender Phoenix. In einem Essay in der Zeit riet der damalige Blackrock-Aufsichtsrat Privatpersonen, ihr Geld in Aktien zu investieren. Er machte eine Blattkritik bei der Welt und besuchte seine Studentenverbindung „Bavaria“. Er hielt Reden beim Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrates, bei der Atlantikbrücke, und bei der Mittelstandsvereinigung der CDU Sachsen.

Viel Gelegenheit zum Gedenken

Schon damals – Merz hatte kürzlich die Wahl zum Parteivorsitzenden gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verloren – postete nicht nur er selbst in seinen Social-Media-Kanälen, sondern auch das „Team Friedrich Merz“. Alle paar Tage erschienen Posts, manchmal sogar mehrere am Tag. Es gibt versöhnliche Fotos mit Kramp-Karrenbauer und Merz gratulierte dem SPD-Politiker Sigmar Gabriel zur Wahl als Vorsitzender der Atlantikbrücke.

Rückblickend fehlt aber einer: Walter Lübcke. In keinem seiner Beiträge spricht Merz von sich aus die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten an.

In der Maischberger-Sendung am 19. Juni wird Merz dann doch nochmal von Sandra Maischberger zu Lübcke befragt. Merz bleibt indirekt, er kritisiert die AfD für eine Verrohung der politischen Sprache und macht sie für eine Verrohung der Umgangsformen verantwortlich: „Und dort, wo Umgangsformen verrohen, geschehen politische Anschläge.“ Die deutliche Distanzierung des damaligen Merz von der extremen Rechten scheint nach der gemeinsamen Abstimmung im Bundestag weit entfernt.

Wenige Tage nach der Maischberger-Sendung warnte Merz die Union davor, einer anderen Partei hinterherzulaufen: „Wenn wir andere kopieren, wird das Original gewählt.“ Er meinte damals nicht die AfD, sondern die Grünen.

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18 Kommentare

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  • Wie wenig hält Merz von der Bevölkerung und seinen Mitmenschen ?



    Was ist eigentlich seine Motivation - für uns Kanzler ( also für's Volk ) werden zu wollen ?

    • @Alex_der_Wunderer:

      Habe ich mich bei Scholz auch immer gefragt.

      • @Tom Tailor:

        Zumindest hat man von Scholz bisher - bezogen auf demokratische Mitmenschen - noch keine menschenverachtenden Äußerungen, vernehmen dürfen 😉

  • Erst Mist bauen und wenn jemand was dagegen sagt, draufhauen... Erinnert fatal an Trump und Konsorten. Ein Bundeskanzler in spe sollte die Menschen einen und nicht große Teile der Bevölkerung beleidigen. Offensichtlich ist Merz nicht in der Lage, sein Verhalten zu reflektieren. Wenn er so weitermacht, bekommen wir keine stabile Regierung. Als Kasselaner sag ich zu Merz: 'Fritze, bissde dann dulle?'

  • Merz sollte sich schämen den Namen Walter Lübcke in den Mund zu nehmen, Merz hat eine ganz andere Vorstellung von Demokratie! Bis jetzt hat noch kein Politiker von den Unionsparteien so viel Anstand und Rügrat gezeigt, der unsere Demokratie aus tiefsten Herzen so wie Walter Lübcke gegen Faschisten verteidigt hat ( ihr könnt euch alle das letzte Video vom damaligen Kassler Regierungspräsident anschauen, wo der Rechtsterrorist, der Mörder von Walther Lübcke, mit im Raum war). Lübcke ist gestorben weil Lübcke unsere Demokratie gegenüber Nazis verteidigt hat, was tut Merz ( Abstimmung mit der AFD im Bundestag ), wer darin kein Unterschied erkennt, dem ist nicht mehr zu helfen.

    • @taz.manien:

      👍👍

  • In allem, was er tut, wirkt Friedrich Merz zweitrangig. Begünstigt vom Wohlstand und den Kontakten seiner Familie ist er jetzt dort, wo er ist (schnell gings nicht).

    Was für ein Gegensatz zu seiner großen Rivalin, die ihren Aufstieg gegen alle Wahrscheinlichkeiten des politischen Geschäfts wirklich eigenen Talenten und harter Arbeit verdankte!

    Und häufig bei denen, denen fast alles zufiel, ist unser neuer Kanzler (mal sehen wie lange) absolut kritikunfähig.

    • @Stavros:

      Wie lange? Bis die AfD ihn absägt....

  • Sehr gut investigativ, taz.



    Wir wissen, wo Jochen Behle einst war, doch wo war Friedrich Merz, damals?



    Nicht, dass jeder Politiker da Blumen niederlegen müsste. Aber dann geht man bitte nicht so entweder impulsiv oder maligne in die Attacke!

  • Der Kerl macht einen Fehler nach dem nächsten. Und bei den Verhandlungen hat er nicht nur die SPD vor sich, sondern Söder und Dobrindt im Nacken. Man betrachte mal die Körpersprache, wenn er neben Söder steht. Wirkt für mich wie ein kleiner Junge neben seinem autoritären Papa - verunsichert und devot. Viel Spaß wird er nicht haben.

  • Merz ist und bleibt unerträglich.

  • Ich finde, der Mord an Lübke hätte im Wahlkampf (rechts)extrem viel zu suchen gehabt. Wenn die Rassisten dieses Landes (AfD, CDSU, FDP, ein bisschen auch die SPD) Fälle wie Aschaffenburg, wo ein psychisch Kranker (egal welcher Nationalität) zwei Menschen ermordet hat weil die bayrischen Behörden ihn wider besseres Wissen haben frei rumlaufen lassen, eine "nationale Notlage" darin sehen, dann ist es mehr als richtig zu fragen, warum sie bei Lübkes Mord, NSU, NSU2.0, Hanau, Mölln etc. keine gesehen haben. Der Verfassungsschutz schreddert fleißig Akten statt Nazis festzusetzen.



    Da hätte man sehr wohl drüber reden können, nein: sollen. Müssen!

  • Merkel war nicht heimtückisch, verschlagen, wohl aber oft zu wenig offensiv. Scholz war deutlich zu still, erschien als unentschlossen. Aber beide waren eines nicht: falsch oder respektlos im Umgang mit anderen Menschen. Davon allerdings hat der kommende Regierungschef viel zu viel. Er ist unbeherrscht bis zur Krawalligkeit. Das ist eine ernstzunehmende Beeinträchtigung für einen Bundeskanzler - zumal in der augenblicklichen Situation der Weltlage. Er kann enormen Schaden anrichten wenn er so weitermacht....

  • Zitier mal Lovando -

    “Mene mene tekel u-parsin.



    Gewogen - und für zu leicht befunden“ .•

    • @Lowandorder:

      Ich zitiere mal einen Düsseldorfer frei:



      "Und blindlings reißt der Mut ihn fort;



      Den Parteifreund er lästert mit sündigem Wort."

  • Danke für diese Klarstellung.



    Die Ahnung wird zur Gewissheit:



    bald werden wir von einem Amateur regiert!

  • Ich fand einen großen Teil der Konservativen damals überhaupt bemerkenswert still.

  • Super Artikel. Gründlich recherchiert, sachlich und gerade deswegen ein sauberer technischer KO für den Kanzlerkandidaten.