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CDU-Abgeordnete gegen MindestlohnNeoliberale Ultras

Der Mindestlohn ist ein Fakt, kein Wunschkonzert. Wirtschaftsliberale aus der Union stellen den Status quo trotzdem öffentlich infrage.

Weniger Mindestlohn würde unter anderem Menschen in Serviceberufen treffen Foto: dpa

Die Ansage war deutlich, und sie war öffentlich. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer twitterte am Dienstagmorgen: „Hände weg vom Mindestlohn“. Bemerkenswert war nicht nur die kurze Strenge dieser Botschaft – sondern vor allem der Adressatenkreis. Kramp-Karrenbauer rief Bundestagsabgeordnete ihrer eigenen Partei zur Ordnung.

Die AG Wirtschaft und Energie der Unionsfraktion hatte nämlich ein sechsseitiges Papier in Umlauf gebracht, in dem unter anderem gefordert wird, den gesetzlichen Mindestlohn nicht weiter anzuheben oder sogar abzusenken. Nach dem Motto: Die Coronazeiten sind für die Unternehmen so schwierig, da müssen die Beschäftigten leider verzichten.

Kramp-Karrenbauer blieb nur die klare Kante, wenn sie verhindern wollte, dass sich ihre Partei lächerlich macht. Denn noch haben alle im Ohr, wie salbungsvoll sich Kanzlerin Merkel in ihrer Corona-Fernsehansprache an die Niedriglöhner gewandt hat: „Lassen Sie mich auch hier Dank aussprechen an Menschen, denen zu selten gedankt wird. Wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt, der macht einen der schwersten Jobs, die es zurzeit gibt. Danke, dass Sie da sind für Ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am Laufen halten.“

Nach diesen pathetischen Worten der Kanzlerin war und ist völlig klar, dass die Union nicht am Mindestlohn rütteln kann. Zumal der Koalitionspartner SPD sowieso nie zustimmen würde. Diese Gefechtslage dürfte auch den neoliberalen Ultras in der Union bekannt sein, aber um Realpolitik ging es nie. Die Wirtschaftsliberalen wollten maximale Aufmerksamkeit erzielen, und dieses Kalkül ist aufgegangen. Denn das Reizwort „Mindestlohn“ hat verlässlich dafür gesorgt, dass ihr Papier nun durch alle Medien, Parteien und Gewerkschaften geistert.

Wie lästige Badegäste

Aufmerksamkeit ist bares Geld wert, wie die Wirtschaftsliberalen genau wissen. Mit billigster Rhetorik haben sie ihren Verhandlungsspielraum erweitert. Der Mindestlohn ist eigentlich ein Fakt, kein Wünsch-dir-was-Thema, aber indem der Status quo infrage gestellt wird, avanciert das Lohnniveau plötzlich zur Verteilungsmasse. Es entsteht der Eindruck, als müsste man den Wirtschaftsliberalen deutlich entgegenkommen, damit auch sie ihren fairen Anteil erhalten, falls der Mindestlohn weiterhin gelten soll.

Die Wirtschaftsliberalen verhalten sich wie lästige Badegäste am Pool, die auf fünf Liegestühlen ihre Handtücher ausbreiten, damit sie hinterher mindestens zwei Liegen behalten können, obwohl man eigentlich gar keinen Stuhl für sich reservieren darf.

Die Wirtschaftsliberalen haben ihr wahres Ziel fest im Blick: Wie in ihrem Papier nachzulesen ist, wollen sie erreichen, dass der Soli komplett abgeschafft wird – und zwar zum 1. Juli 2020. Der Deal soll also sein, dass der Mindestlohn bleibt, dafür aber die Reichen stattlich entlastet werden.

Der Soli ist so kompliziert, dass viele Wähler bis heute nicht begriffen haben, dass die Wohlhabenden schon wieder Steuergeschenke erhalten. Also von vorn: Der Soli ist ein Zuschlag von 5,5 Prozent, der auf die Einkommensteuer anfällt. Da es aber verschiedene Freigrenzen gibt, belastet der Soli nur die obere Hälfte der Steuerzahler. Vor allem das reichste Fünftel würde profitieren, wenn der Soli gestrichen wird.

Die Hälfte des Steuergeschenks haben sich die Wohhabenden bereits gesichert, denn die SPD hat sich auf einen unerfreulichen Kompromiss eingelassen: Ab 1. Juli 2020 soll der Soli für 90 Prozent aller Steuerzahler entfallen, was fast zehn Milliarden jährlich kostet. Doch CSU-Chef Markus Söder will mehr und drängelt, den Soli komplett zu streichen, was weitere neun Milliarden jährlich verschlingen würde und nur den Allerreichsten zugute käme. Nun hat Söder taktische Hilfe erhalten – durch das Papier der Wirtschaftsliberalen im Bundestag.

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9 Kommentare

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  • Die Verhandlungslinie sollte eher sein 13€ Mindestlohn plus Reichensteuer plus AG/AN bei der Finanzierung der Sozialversicherungen von 60/40. Die Arbeitslosenversicherung 2% höher wegen der schlechten Konjunktur.

  • Aber weh, wenn wir sagen Reichensteuer... Dann schreien sie schon wieder Zeter und Mordio!

  • Es tut mir leid, wenn ich hier mit einem Vorurteil aufräumen muss: Die Abschaffung des Soli ist kein Steuergeschenk. Der Soli war eine zeitlich begrenze und zweckgebundene Zusatzabgabe. Leider bedient sich der Staat dieser Mittel normaler Steuerzahler einfach weiter. Auf diese Weise wird Unmut und Frust erzeugt. Besser wäre es internationale Konzerne wirklich zu besteuern, Zinsen und Gewinne wie Arbeit zu besteuern und manch andere sinnlosen Steuervorteile abzubauen. Oder gleich ehrlich zu sagen, man erhöht die Steuern. Traut man sich aber nicht, aber letzten Endes ist es schon jetzt ein erhöhter Steuersatz.

    • @Heinz Strunk:

      Ganz genau



      Die ESt. gehörte reformiert, dass es wieder eine brauchbare Zone der Progression gibt. Nach dem Grundfreibetrag geht es steil bergauf mit dem Steuersatz, und nach dem relativ niedrigen Satz für den Spitzensteuersatz ändert sich nichts mehr. Die Grenzbeträge müssten angepasst werden, und der Spitzensteuersatz müsste steigen. Aber das ist ja unschön. Grüne und SPD sind für ihre guten Konzepte abgestraft worden, weil die Medien "UNS" eingeredet haben, es gingen "UNS" an den Geldbeutel. Da bleibt man lieber bei einem Flickwerk. Statt GRoKo gibt es nur KleinKlein.

  • Supermarktkassierer bei Aldi oder Lidl verdienen weit weit mehr als den Mindestlohn.

  • es geht halt jeder erstmal mit maximalforderungen in irgentwelche verhandlungen ;) wird doch von der anderen seite auch nicht anders gemacht

    • @Sinulog:

      Von der SPD kamen in letzter Zeit Maximalforderungen? Selten so gelacht!

      • @LesMankov:

        spd will 12 linke 15 also landen sie am ende bei 10-10,50€

  • „Hände weg vom Mindestlohn“

    ist ne zynische Aussage so lange er zu niedrig ist... viel zu niedrig.