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Bundeswehr wirbt um SchülerKarriereberater im Klassenzimmer

Die Streitkräfte sind auf Nachwuchssuche. Karriereberater der Bundeswehr erreichten 2013 doppelt so viele SchülerInnen wie im Jahr zuvor.

Reaktionsspiel während der Messe „Hobby & Elektronik“ an einem Info-Stand der Bundeswehr, 2012 Bild: dpa

BERLIN taz | Auf insgesamt 1.000 Jobmessen, Berufsbildungstagen in Schulen und anderen Veranstaltungen für Schüler kreuzten Karriereberater der Bundeswehr im vergangenen Jahr auf und erreichten dabei 185.000 Schüler. Das sind doppelt so viele wie im Vorjahr. Das geht aus Antworten des Verteidigungsministeriums auf Anfragen der Linken im Bundestag hervor.

Karriereberater sollen Jugendliche für einen Job bei der Truppe begeistern. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht ist das umso wichtiger, denn seit 2011 ist das Heer auf Freiwillige angewiesen. Das Budget für Personalwerbung hat sich seitdem mehr als verdoppelt, über 35 Millionen Euro sind in diesem Jahr im Etat reserviert.

Die Anzahl der Vorträge, die Karriereberater an Schulen hielten, ging von 8.700 auf 8.100 leicht zurück. Nach Angaben eines Bundeswehrsprechers müssen die Schulen zuvor Einladungen aussprechen. Immerhin konnten die Karriereberater noch 139.400 potenzielle Soldatinnen und Soldaten über solche Informationsveranstaltungen erreichen.

Neben den Karriereberatern schickt die Bundeswehr auch Jugendoffiziere in die Klassenzimmer. Diese sind keine Headhunter, sondern sollen das Ansehen der Armee aufpolieren und den Auftrag erklären.

Pünktlichkeit und Disziplin

Etwa im Rahmen des Planspiels Politik und Internationale Sicherheit, bei welchem Schüler sich in die Rolle von Ministern, NGO-Vertretern oder UN-Gesandten versetzen und einen fiktiven politischen Konflikt lösen sollen. „Als Erwartungen an uns nannten die Jugendoffiziere Pünktlichkeit und Disziplin. Verstöße gegen diese Regeln werden im Spiel mit ’Kulturpunkten‘ bestraft“, schildert ein Schüler aus Rheinland-Pfalz eine solche Veranstaltung.

Auf seine Frage, warum nur die Bundeswehr und keine anderen Behörden wie das Auswärtige Amt an dieser Schulung beteiligt seien, habe ihm ein Jugendoffizier geantwortet, dass die Mitarbeiter im Auswärtigen Amt im Gegensatz zu Jugendoffizieren, die eine einwöchige Fortbildung für solche Veranstaltungen absolvieren müssten, keine Ausbildung dafür hätten.

Fast 900 dieser Seminare hielten Jugendoffiziere im vergangenen Jahr ab. Insgesamt erreichten sie 125.000 Schüler über solche und andere Veranstaltungen wie Vorträge in Klassenzimmern, Truppenbesuche oder Tage der offenen Tür und Konzerte der Big Band der Bundeswehr.

Nicht nur Schüler werden ins Visier genommen. Rund 9.000 Lehrer und 2.800 Referendare erreichten die Jugendoffiziere nach Auskunft des Verteidigungsministeriums als Multiplikatoren.

Im Vergleich zu 2013 blieb die Reichweite der Jugendoffiziere damit konstant. Nach Einschätzung der Linken sei das jedoch nicht als Stagnation zu verstehen, da die Schülerzahlen insgesamt zurückgingen. „Die Bundeswehr missbraucht Schulen als Stätten politischer Indoktrinierung“, kritisiert die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke und fordert: „Die Unterrichtung über Fragen der Friedenssicherung können Lehrer auch selbst leisten.“ Vor allem seien sie unabhängig.

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13 Kommentare

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  • Es ist typisch für die Linke, dass sie die Darlegung einer Sichtweise - und die der Bundeswehr ist durchaus im wahrsten Sinne des Wortes "legitim" - als Indoktrination bezeichnet und unterdrückt sehen will, wenn sie nicht in ihr politisches Wunschbild passt.

     

    Wir beklagen rechtes Gedankengut in der Armee und fürchten die Anzüchtung von gesellschaftsfernen Kampfmaschinen. Genau das aber bekommt man, wenn man den Rekrutierungsprozess an den Rand der Gesellschaft drängt. Da funktionieren billige nationale oder das angeschlagene Ego der Empfänger streichelnde Parolen, wie sie gerne z. B. vom klischeemäßigen US-Truppenwerber verwendet werden. Die differenzierte Rechtfertigung von Auftrag und Handeln der Streitkräfte auf Basis humanistischer Werte und einer strikten Unterwerfung unter demokratische Kontrolle ist vergleichsweise überflüssig.

     

    An Schulen hingegen, die einen guten Querschnitt der Gesellschaft darstellen, sieht das anders aus. Wer dort etwas reißen will, muss sich auch mit intelligenten, kritischen Fragen auseinandersetzen können, muss aufklären statt zu schwadronieren.

     

    Wichtig ist halt, dass die Jugendoffiziere nicht schon auf Zwölfjährige losgelassen werden, die Lehrer ein waches Auge auf die Objektivität der Veranstaltungen haben und dass auch und gerade Schulen sie einladen, wo sie einen eher schwierigen Stand haben. Das zwingt sie dazu, ihre potenziellen Rekruten als denkende Gegenüber zu sehen und nicht als zukünftiges Kanonenfutter, dem man Einen vom Pferd erzählen kann. So wird eine bereicheruing daraus, die die Armee braucht und die allemal besser ist, als von vornherein Missbrauch zu wittern und Alles verbieten zu wollen.

    • @Normalo:

      Da ist sowiso erheblicher Reformbedarf in Truppe und der sogen. "Wehrverwaltung".

       

      Die Zeiten von tumbem Kanonenfutter sind eigentlich vorbei. Aber eine Truppe die ständige mit Schrott statt wehrmaterial beliefert wird und dennoch stumm bleibt, hat sachlich kritische Soldaten mehr als nötig.

  • Betrifft Jelpke-Zitat: „Die Bundeswehr missbraucht Schulen als Stätten politischer Indoktrinierung“, und „Die Unterrichtung über Fragen der Friedenssicherung können Lehrer auch selbst leisten“

     

    Ich weiß nicht, ob Frau Jelpke die oberen Schulklassen in der DDR absolviert hat, so wie ich. Dann sollte ihr nicht entgangen sein, dass Offiziere der DDR-Armee (NVA) sehr häufig in Klassenzimmern zu Gast waren, um den Schülern den Militärdienst schmackhaft zu machen. Auf die Lehrer allein hat man sich da nicht verlassen!

     

    Und dann gab es ja auch noch den „Wehrkundeunterricht“ und - wohlgemerkt, in der Schule – diverse Veranstaltungen der paramilitärischen „Gesellschaft für Sport und Technik“ (GST).

     

    Wer ob dieses offensichtlichen Missbrauchs der Schulen als Stätten politischer Indoktrinierung Zweifel äußerte, bekam als Antwort nur den Hinweis, dass all das doch „nur dem Frieden dient“!

     

    Ich hätte mir gewünscht, Frau Jelpke hätte solche mutigen Sätze (s. o.) auch schon in der DDR geäußert. Die Reaktion der Staatsmacht wäre nicht ausgeblieben!

    • @Pfanni:

      Ein Blick in Wiki oder auf die Webseite von Frau Jelpke könnte da weiterhelfen.

       

      Frau Jelpke wurde in Hamburg geboren und hat auch an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik ihr Diplom gemacht. Es ist nichts dazu bekannt und insgesamt eher unwahrscheinlich, dass sie zwischenzeitlich in eine DDR-Schule gegangen wäre.

      • @Age Krüger:

        Ob Frau Jelpke "zwischenzeitlich in eine DDR-Schule gegangen" ist, ist nicht entscheidend. Die Frage ist, was eine Erfahrung nützt. Hätte Frau Jelpke eine eventuelle DDR-Erfahrung so, wie es LeserIn Pfanni getan hat, zum Anlass genommen, anklagend auf ihre schwere Jugend hinzuweisen, wäre das nicht sonderlich hilfreich gewesen. Viel mehr, als ein Gefühl der Alternativlosigkeit bleibt dann nämlich nicht.

         

        Auch ich bin durch eine DDR-Schule gegangen. Aber ich heiße nicht Pfanni. Deswegen frage ich mich etwas irritiert, ob hier tatsächlich eine "Naturkatastrophe" oder ein "schwerer Unglücksfall" im Sinne des Art. 35 GG vorliegt, der die Länder (hier vertreten durch ihre Schulen) berechtigt, den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu beantragen. Überhaupt: Dass jemand, der eine Woche lang "speziell ausgebildet" worden ist für den Kampf an der "Schülerfront", tatsächlich auch geeignet ist dafür, darf bezweifelt werden. Vor allem, wenn die Antwort des Politoffiziers... - äh, Entschuldigung, alter Reflex. Also noch einmal von Vorn: Ein "Jugendoffizier", der auf die Frage, wieso das Auswärtige Amt nicht an die Schulen geht um da für sich zu werben, dermaßen sinnfrei beantwortet, ist womöglich für rein gar nichts qualifiziert. Außer dafür, pünktlich und diszipliniert zu sein und seinen Vorgesetzten keine blöden Sinnfragen zu stellen.

         

        Das Auswärtige Amt hat Werbung gar nicht nötig, schätze ich. Um deren (wenige) Jobs reißen sich die Leute. Ob man nämlich die Welt, ausgestattet mit diplomatischer Immunität, aus einer bewachten Villa (wenn nicht gar aus einem Palastfenster) betrachtet oder aus einem Schützengraben heraus, der einen im Zweifel ziemlich wenig schützt, macht einen deutlichen Unterschied. Einen Unterschied allerdings, den Schulkinder (die Nachfrage beweist es) nicht unbedingt von selbst erkennen können.

      • @Age Krüger:

        Danke für die Information.

        Ich gebe Frau Jelpke "mildernde Umstände!"

        • @Pfanni:

          Die "mildernden Umstände" hat sie nicht verdient. Frau Jelpke ist ein erklärter Fan der Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit. Einer außerhalb jeder Kontrolle von Recht und Gesetz operierenden (auch paramilitärischen) Truppe wie der Stasi Ehrerbietung entgegenzubringen und gleichzeitig die Arbeit einer verfassungsmäßig in engen kontrollierten Schranken tätigen Armee wie der Bundeswehr (die im übrigen im Gegensatz zur NVA mittlerweile nur aus Freiwilligen besteht) kritisieren, ist mindestens Heuchelei.

  • Hatte nicht vor Jahren die Partei, aus der die Linke herausgegangen sind, damals als Bedingung für Studium langjähriges Militärdienst gefordert?

    • @Tenedor Alfonso:

      Wenn schon jemand zu Militär geht, dann braucht er so viel Lebenserfahrung, dass er weiß worauf er sich einlässt; und das geht nur mit viel Bildung. Aber denkende Soldaten mit eigener Meinung und der Fähigkeiten zur Artikulierung derselben sind nicht gefragt. Weshalb es auch kein Wunder ist, dass im Militär eine Prävalenz für rechtes Gedankengut vorherrscht.

      Hier wird versucht junge und naive Menschen zu rekrutieren noch bevor sie die Tragweite ihres Tuns überblicken können.

      Die Amis machen das in ihren schwarzen Vorstädten genauso.... die Ergebnisse sehen wir in deren dumpfem und unsensiblem Vorgehen, vor allem der unteren Dienstränge.

      • @robby:

        Wo sonst, wenn nicht an einer Schule, ist die Truppenwerbung gezwungen, ihr Anliegen wirklich differenziert, ohne rechtes "Blood and Honor"-Geschwafel zu präsentieren (und damit auch den Ton für den weiteren Umgang mit den späteren Rekruten vorzugeben)?

         

        Ich erinnere mich noch an ein schönes Beispiel aus meinem Wehrdienst, wo der Ausbilder auf dieselbe Frage antwortete wie ein braver Rekrut in einem amerikanischen Film-Bootcamp: "Warum haben unsere Ausbildungs-Gasmasken nur (gegen echte C-Waffen nutzlose) Aktivkohle im Filter?"

         

        Antwort im Film:

        "SIR, weil ein Marine erstmal lernen muss zu kriechen, bevor er lernt zu laufen, SIR!"

         

        Antwort bei mir:

        "Weil kampftaugliche Filter, die teilweise aus Gold und anderen exotischen Materialien bestehen, gegen das zur Dichtigkeitsprüfung eingesetzte Tränengas auch nicht besser helfen und Aktivkohle einfach viel billiger ist."

         

        Diesen "hauchzarten" Unterschied in der Einstellung zur Denkfähigkeit des Rekruten gilt es zu wahren, und das wird meiner Meinung nach ganz erheblich gefördert, wenn der Rekrutierungsprozess NICHT ins Ghetto verbannt wird.

         

        Was das Alter betrifft: Auch vor Abschaffung der Wehrpflicht war der Militärdienst schon die nächste Stufe nach der Schule. Es wäre auch völlig blödsinnig, die Rekrutierung auf gestandene Erwachsene zu konzentrieren, die sich bereits tief in einen zivilen Lebenslauf hineingearbeitet haben. Insofern stellt sich die Frage, wo, wenn nicht in der Schule, die Bundeswehr ansetzen soll. Es geht ja auch nicht um kleine Kinder.

  • Soll sich die Bundeswehr erstmal um ihre Veteranen kümmern; statt neues Kanonenfutter anzuwerben. Ich kann nur jeden warnen: Wer im Einsatz war für den geht zu Hause der Kampf oft weiter... denn im Fall des Falles, und der ist schnell eingetreten, muss man oft jahrelang um die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung kämpfen...

  • wo, frag ich mich, bleibt da der jugendschutz!

    • @christine rölke-sommer:

      In der "einwöchigen Fortbildung" die die absolvieren müssen xD ;) . Seit wann darf ein anderes Gut von Verfassungsrang schon dem "Supergrundrecht Sicherheit" im Weg stehen? ;)

       

      Wenn man sich dies betrachtet, wäre der Wehrdienst insgesamt vorzuziehen, wenn, ja wenn, dann die komplette Nachwuchswerbung der BW eingestampft würde und der Wehrdienst erst nach der Erstausbildung (mithin nach Abitur und Erstausbildung) abgeleistet werden müsste.

      So würde die BW schon in der Zivilgesellschaft minimal verankerte Menschen kriegen, die weniger leicht zu beindrucken und in ihrer Persönlichkeit gefestigt(igter) wären.

       

      Wichtig ist dies z.B. um einen gesetzeswidrigen Befehl auch wirklich abzulehnen, wie es ja bekanntermaßen, die Pflicht des Soldaten ist.