Bundeswehr-Werbung im American Football: Mit der Waffe aufs Feld
Für den „Salute The Troops Day“ marschiert die Bundeswehr bis an die Zähne bewaffnet ins Stadion von Frankfurt Galaxy ein.

Die Football-Mannschaft Frankfurt Galaxy läuft ein, umgeben von lilafarbenem Rauch und den Zurufen der Fans. Im Stadion am Bieberer Berg in Offenbach am Main riecht es nach Curry- und Bratwurst, man hört laute Trommeln und Gesänge. Über 10.000 Menschen jubeln der Mannschaft zu, schwenken Fahnen und applaudieren. Die „Purple Hell“ ist gut gelaunt für das erste Heimspiel der Saison gegen die Paris Musketeers.
Doch dann übernimmt jemand anderes die Show: die Bundeswehr. Ein Dutzend Soldat:innen marschieren ein, das Sturmgewehr im Anschlag, in Camouflage-Uniform, mit Barett und Rucksack. Theatralisch knien sie sich auf das Spielfeld und schauen über das Stadion. Durch ihre Mitte schreitet eine Soldatin, die feierlich den Football an die Schiedsrichter übergibt. Ist der Ball etwa so wertvoll? Muss die Sicherheit Deutschlands jetzt auch im American Football verteidigt werden? Muss die Bundeswehr nun Handelswege auf dem Feld frei schießen? Natürlich nicht, stattdessen geht es um die größtmögliche Bühne, um für den Dienst an der Waffe zu werben.
Und darin ist die Armee inzwischen sehr effizient geworden. In den sozialen Medien betreibt sie mehrere erfolgreiche Formate, um junge Zielgruppen anzusprechen, und arbeitet mit Influencer:innen zusammen. In Vorbereitung auf den ersten deutschen Veteranentag am 15. Juni stärkt die Truppe ihre Präsenz in der Gesellschaft noch weiter.
Ein Beispiel dafür ist der „Salute The Troops Day“, den die Bundeswehr zum wiederholten Male mit Frankfurt Galaxy am vergangenen Sonntag abhielt. Die Mannschaft hat seit Mai 2023 eine Partnerschaft mit der „besonderen Organisation“, wie es damals in der Pressemitteilung hieß. Dazu gibt es eine exklusive Trikot-Kollektion mit Camouflage-Optik und Bundeswehr-Logo, die natürlich bei Spielen wie diesem präsentiert wird. Die Ballübergabe durch eine Einheit der Fernspäher wurde mit hochwertig produzierten Social-Media-Postings beworben.
Das Militär machte schon vor dem Spiel auf sich aufmerksam. Neben dem Stadion wurden Tausende von Gästen mit Live-Musik und Cheerleading-Show unterhalten. Und mittendrin: der Karriere-Truck der Bundeswehr. Mit der Aufschrift „Unterwegs, um deine Stärken zu finden“, lockt er Interessierte an, ganz gleich ob jung oder alt. Und es sind besonders die Jungen, die ihre Stärke an der eigens aufgebauten Klimmzugstange unter Beweis stellen wollen. Die Soldat:innen daneben feuern sie lautstark an und helfen direkt mit Info-Material aus. Zwischen Turnbeuteln, Taschen und Flyern tummeln sich Kinder mit ihren Eltern, die ihren Nachwuchs gerne in der Armee sehen wollen. „Ab mit dir zum Bund“, sagt eine Mutter zu ihrem Kind, das sich freudestrahlend einen Turnbeutel um die Schulter wirft. Neben ihr steht ein Aufsteller, der die Handfeuerwaffen der Bundeswehr präsentiert. Es fehlt nur noch, dass Kinder sie an einem Schießstand praktisch ausprobieren.
Nicht nur Familien suchen den Stand auf. Eine Frau in ihren Vierzigern erkundigt sich, wie man sich freiwillig einbringen kann, auch wenn man bisher nichts mit der Truppe zu tun hatte. Sobald man sich dem Truck auch nur nähert, kommen direkt Soldat:innen auf einen zu und fragen nach Interesse, Motivation und Erfahrung. Sie verteilen auch Werbematerial für das Kommando Spezialkräfte – jene Einheit, die aufgrund mehrfacher rechtsextremistischer Vorfälle 2020 eine ganze Kompanie auflösen musste. Allein 2023 waren es insgesamt 62 Bundeswehrangehörige, die wegen rechtsextremistischer Einstellungen entlassen wurden, darunter 10 Offiziere.
Auf einem der kostenlosen Beutel steht prominent „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“. Doch am Spieltag ist niemand dagegen. Lila – die eigentliche Farbe von Frankfurt Galaxy – wird am „Salute The Troops Day“ verdrängt. Stattdessen dominieren die olivgrünen Camouflage-Trikots. Der stolze Preis am Merchandise-Stand: 80 Euro. Der Hauptsponsor der Mannschaft, der deutsche Internet-Provider InterNetX, wird kaum als solcher wahrgenommen. Durch die Masse an Bundeswehr-Trikots bekommt die Truppe den größten Auftritt.
Im Stadion selbst sieht man zig uniformierte Soldat:innen, darunter auch Bundeswehr-Prominenz wie Marcel Bohnert. Gegen den – laut Instagram-Biografie – „Adventure Seeker“ liefen Bundeswehr-interne Ermittlungen wegen der Nähe zu Rechtsextremen der Identitären Bewegung und einem Auftritt bei der Burschenschaft Cimbria München. Die Ermittlungen wurden Anfang 2022 eingestellt.
Im Stadion selbst wirkt es bizarr, wie stark die DNA der USA zu spüren ist. Popmusik, viele der Athleten und das Spiel selbst stammen aus den Staaten. Auch in der Instrumentalisierung des Footballs orientiert sich die Bundeswehr am US-amerikanischen Vorbild, von dem sie sich gleichzeitig emanzipieren will. Denn hinter dem Teich sind NFL und U. S. Army spätestens seit den 1960er Jahren eine Symbiose.
Als Vollkontaktsport zeichnet sich American Football durch Härte, Disziplin und sportliche Höchstleistungen aus. In der Vorberichterstattung des Spiels unterstrich die Moderatorin und Soldatin Stephy Schutta auch den Mannschaftscharakter, den sich Sport und Truppe teilen: „Du hast jeden einzelnen Typen und der ist wichtig. Egal ob du groß, ob du klein, ob du dick, ob du dünn bist, es ist völlig gleich. Aber ohne dich funktioniert es nicht. Und das schließt wieder den Kreis zur Bundeswehr.“
Der Sport ist ein Spiegelbild dessen, was das deutsche Militär – wie so viele andere Armeen – für seine Truppe sucht: Härte, Sportlichkeit, Gehorsam. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Bund auch auf der Kölner Fibo, der weltweit größten Fitness-Messe, für sich wirbt. Auf der Gamescom präsentiert er sich schon seit 2009. Und nun marschiert er auch bewaffnet auf das Spielfeld und inszeniert sich für die eigenen Fotograf:innen. Was als „Veteranenkultur trifft auf American Football“ beworben wurde, ist einzig ein Tag der Rekrutierung.
Frankfurt Galaxy siegt nach einer kurzen wetterbedingten Unterbrechung mit 29:27. Doch den größten Sieg tragen Bundeswehr und Aufrüstung davon.
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