Bundeswehr-Einsatz über Syrien: Die Frage nach den zivilen Opfern

Ein Luftangriff mit deutscher Beteiligung brockte der Bundesregierung Fragen ein. Die Untersuchung dazu endete still und leise.

Soldat und Tornado

Bundeswehr-Soldat und Aufklärungstornado im Einsatz: „Counter Daesh“ – gegen den IS Foto: Reuters

BERLIN taz | Mit einem Satz ist der Fall erledigt. Das Hauptquartier der Operation Inherent Resolve hat ihn Anfang Juli auf seiner Internetseite veröffentlicht. Unscheinbar und verschachtelt, unter Punkt 77 des monatlichen Berichts über zivile Opfer. „20. März, nahe Al-Mansura, Syrien“, steht da. „Nach Überprüfung der verfügbaren Informationen und Videoaufnahmen wurde befunden, dass die Beweislage nicht ausreicht, um festzustellen, dass bei diesem Angriff Zivilisten zu Schaden kamen.“

Ganz leise geht so ein Fall zu den Akten, der der Bundesregierung vor vier Monaten eine Reihe unangenehmer Fragen eingebrockt hatte. Unmittelbar nach dem Luftangriff hatten lokale Aktivisten berichtet, die Raketen der US-geführten Anti-IS-Koalition hätten ein ehemaliges Schulgebäude getroffen, in denen Binnenflüchtlinge untergebracht gewesen seien. Dutzende von ihnen seien gestorben. Die Angaben reichten von 33 bis 420 Toten.

Ende März beichtete das Verteidigungsministerium dann dem Bundestag, dass die Bundeswehr den Alliierten am Tag vor dem Angriff Luftbilder geliefert hatte. Tornados der Luftwaffe hatten dafür das Gebäude überflogen. Es war der erste bekannte Fall seit Beginn des Anti-IS-Kriegs, bei dem die Deutschen mutmaßlich in einen fatalen Fehlschlag verwickelt waren. Entsprechend umfangreich berichteten die Medien.

Die Regierung betonte allerdings von Anfang an, dass die Angaben über zivile Opfer nicht gesichert seien. Bei weiteren Fragen von Journalisten und Abgeordneten verwies sie stets auf die laufende „sehr sorgfältige“ Untersuchung der Alliierten im Operationshauptquartier.

Nach dem diese jetzt mit einem Satz endete, legt die Bundesregierung den Fall zu den Akten – obgleich sie über die konkreten Untersuchungsschritte und Ergebnisse nach eigenen Angaben wenig weiß. „Deutsche Soldatinnen und Soldaten sind nicht in die Untersuchungen eingebunden, daher kann ich dazu keine Angaben machen“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der taz. „Über die veröffentlichten Informationen hinaus liegen uns keine eigenen Erkenntnisse zu dieser Untersuchung vor.“

Die Arbeitsteilung

Das entspricht der Arbeitsteilung, die die Deutschen seit Beginn des Einsatzes im Januar 2016 penibel befolgen. Die Alliierten bestellen Luftbilder von Gebieten in Syrien und dem Irak, die Bundeswehr schickt ihre Tornados los und liefert die Aufnahmen ans Hauptquartier der Militärkoalition. Ab dann hält sie sich raus. Wenn die Partnerstaaten mit Hilfe der Bilder ihre Luftangriffe planen, sitzen keine Deutschen mit am Tisch. Die Bundesregierung weiß nach eigenen Angaben nicht, wie ihre Verbündeten die Aufnahmen konkret verwenden.

Omid Nouripour (Grüne)

„Es ist feige, wenn die Bundesregierung die Augen verschließt“

Die Opposition im Bundestag kritisiert diese Praxis. „Es ist einfach feige, wenn die Bundesregierung die Augen verschließt und immer nur sagt: Wir erheben die Daten, aber was mit ihnen passiert, interessiert uns nicht“, sagte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour. Aufklärung sei allein schon deswegen nötig, weil jedes zivile Opfer vor Ort zur Radikalisierung in der Bevölkerung beitrage.

Die Bundesregierung will aber keine Konsequenzen ziehen. Schon jetzt seien es gerade die deutschen Luftbilder, durch die die Anti-IS-Koalition militärische von zivilen Zielen unterscheiden könne, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Und weiter: „Für uns und für die gesamte Koalition gegen den IS hat der Schutz der Zivilbevölkerung eine herausragende Bedeutung.“

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