Bundestag schützt Homosexuelle: Krude Therapien verboten
Versuche, Homosexuelle durch Therapien „umzupolen“, sind zumindest bei Minderjährigen jetzt verboten. Kritikern geht das Gesetz nicht weit genug.
„Homosexualität ist keine Krankheit“, betonte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend.“ Durch die Behandlungsmethoden entstehe oft schweres körperliches und seelisches Leid. Depressionen und ein erhöhtes Suizidrisiko gelten als mögliche Folgen. Bei Missachtung des Verbots droht deshalb eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr. Darüber hinaus ist in Zukunft auch die Werbung für „Konversionstherapien“ untersagt. Spahn hatte den Gesetzentwurf im November vorgelegt.
Kritikern geht das Verbot nicht weit genug. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) forderte unter anderem Nachbesserungen beim Schutzalter. Dafür machten sich im Bundestag auch Linke und Grüne stark. Mindestens bei der Altersgruppe zwischen 18 und 26 Jahren gebe es einen vergleichbaren Schutzbedarf wie bei Minderjährigen, sagte die Sprecherin für Queerpolitik in der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws. Außerdem sollten Eltern oder Sorgeberechtigte zur Rechenschaft für solche „Umerziehungsversuche“ gezogen werden können.
Das neue Gesetz sieht zwar auch für sie Sanktionen vor, allerdings ist die Strafbarkeit begrenzt auf „Fälle der gröblichen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht“. Das hält der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg ebenfalls nicht für ausreichend: „Wer eigene Kinder den gefährlichen Umpolungsversuchen unterzieht, verletzt seine Fürsorgepflichten ohne Wenn und Aber.“
Trotz der Bedenken stimmte die FDP aber für den Gesetzentwurf der Koalition, während sich Linke und Grüne ebenso enthielten wie die AfD. Deren Gesundheitsexperte Robby Schlund unterstützte in der Debatte zwar das Verbot von „Konversionsbehandlungen“ – gleichzeitig warnte er jedoch vor Rechtsunsicherheit für Psychotherapeuten, die Jugendliche wegen ihrer sexuellen Orientierung beraten.
Konsens bei Fachleuten
Dass Homosexualität keine Krankheit ist, ist seit langem Konsens unter Ärzteorganisationen, Wissenschaftlern und Psychotherapeutenverbänden. Dennoch gibt es auch in Deutschland immer noch Therapieangebote mit dem Ziel, homosexuelle Menschen „umpolen“ zu wollen.
Solche Therapieangebote zielen darauf ab, die homosexuelle Orientierung eines Menschen zu ändern beziehungsweise zu „heilen“ und in heterosexuelles beziehungsweise asexuelles Verhalten umzuwandeln. Sie werden vor allem von religösen Gruppen unterstützt.
Die „Therapien“ vermitteln den Eindruck, dass Homosexualität eine Erkrankung sei, die korrigiert werden könne. Zu den angebotenen Behandlungen gehören neben der Psychotherapie unter anderem Lichttherapie, Homöopathie und offenbar auch Elektroschocktherapie. Nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums werden in Deutschland jährlich etwa 2.000 solcher Behandlungen angewendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag