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Bundestag debattiert über SterbehilfeÜber den Körper bestimmen

Shoko Bethke
Kommentar von Shoko Bethke

Niemand trifft leichtfertig die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden. Es muss die Möglichkeit geben für einen begleiteten, schmerzfreien Suizid.

Letztes Sonnenlicht: Keinesfalls sollte Menschen ihre Selbstbestimmung abgesprochen werden Foto: Alexander W. Helin/getty

D ass etwas verboten ist, bedeutet nicht, dass es nicht trotzdem passiert. Oft ist es aber gefährlicher und möglicherweise auch schmerzvoller. Betroffene und Helfende müssen Risiken eingehen und eventuell strafrechtliche Verfolgung in Kauf nehmen. Wer genug Geld hat, kann die Dienstleistung auch im Ausland in Anspruch nehmen. In dieser Hinsicht ähnelt die Debatte über die Beihilfe zum Suizid der Debatte über den Schwangerschaftsabbruch.

Gleichzeitig hinkt der Vergleich, denn man kann Sterbewilligen nicht in den Kopf schauen. Und das Risiko einer Fremdbestimmung besteht. Bei Abtreibungen hingegen informieren sich die Schwangeren eigenständig, und sie können eine Praxis aufsuchen, in der Abbrüche vorgenommen werden.

Keinesfalls sollte Menschen ihre Selbstbestimmung abgesprochen werden – weder bei Schwangerschaftsabbrüchen noch bei der Beihilfe zum Sui­zid. Sollten Betroffene den Sterbenswillen äußern, muss man diese ernst nehmen. Am besten ohne anstrengenden bürokratischen Aufwand vor Fremden.

Es kann immer Menschen geben, die keinen Lebenswillen mehr empfinden. Für solche Umstände müssen sich Betroffene nicht unbedingt in medizinischer Notlage befinden. Fest steht, dass sie das Leben beenden wollen und dafür Hilfe benötigen. Solche Suizidfälle, ähnlich wie Schwangerschaftsabbrüche, sind niemals leichtfertig. Es verdient auch niemand durch Aufklärung eine Menge Geld daran. Wie bei jeder anderen Praxis bewegen sich Ärz­t:in­nen und Helfende in einem rechtlichen Rahmen.

Die letzte Würde, die man den Betroffenen lassen muss, ist, dass sie selbst entscheiden können, wie, wo und wann sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Ein begleiteter, medikamentöser Sui­zid soll garantieren, dass die Person schmerzfrei sterben kann. Nimmt man den Menschen diese Option wieder weg, besteht die Gefahr, dass die Betroffenen anderweitig nach einer Lösung suchen.

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Shoko Bethke
Nachrichtenchefin/CvD
In Tokyo und Hamburg aufgewachsen, Auslandsjahr in Shanghai. Studium in Berlin, Chongqing und Halle. Schreibt seit 2021 für die taz. Kolumnistin des feministischen Magazins an.schläge (Foto: Hella Wittenberg)
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3 Kommentare

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  • "Solche Suizidfälle sind niemals leichtfertig." - wirklich?

    Mir scheint, die Autorin geht ihrerseits sehr leichtfertig mit dem Thema um. Gerade junge Menschen kommen schnell mal in eine emotionale Notlage und brauchen viel mehr Hilfe zum Leben als zum Sterben. Mit Liebe und Zuwendung kann man Perspektiven aufzeigen, die vorher unmöglich schienen. Dann kommt auch der Lebenswille zurück.

  • Das Thema ist viel zu komplex für einen verkürzten Artikel… So nimmt z.B. die Demenz im Alter den allermeisten Menschen die Option einer bewussten Entscheidung.

  • Gegen einen begleiteten Suizid habe ich nichts einzuwenden, nur ist dies nicht primär die Aufgabe eines Arztes. Tierärzte haben darin viel mehr Erfahrung als Humanmediziner. Aber auch Tierärzte schläfern keine gesunden Tiere ein. Ich denke da eher an eine Art Gerichtsvollzieher der in der gewohnte Umgebung nach einem Gespräch den Akt der Erlösung vollzieht. Soweit ich weiß, sind die unterstützenden Ärzte bei der Tötung nicht anwesend sondern stellen nur den Tod fest. Einen Rechtsanspruch auf Tötung durch einen Arzt darf es nicht geben. Also wer meldet sich freiwillig?