Gesetzentwurf zur Sterbehilfe: Zu viel Macht für Psychiater

Abgeordnete mehrerer Parteien wollen die Sterbehilfe neu regeln. Dabei werden diejenigen, die assistierten Suizid in Betracht ziehen, entmündigt.

Ein Pfleger hält die Hand eines Pazienten

Der neue Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe könnte kontraproduktiv sein Foto: Martin Wagner/imago

Der Gesetzentwurf zum ärztlich begleiteten Suizid ist keine gute Idee, den Abgeordnete um Ansgar Heveling (CDU), Lars Castellucci (SPD) und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) erarbeitet haben. Der Entwurf sieht vor, dass die „geschäftsmäßige Förderung“ der Suizidhilfe wieder unter Strafe gestellt werden soll.

Dieses Verbot soll dann nicht greifen, wenn sui­zid­wil­lige Personen unter anderem an zwei Beratungsgesprächen mit Psych­ia­te­r:innen teilnehmen, die den Sui­zid­wil­ligen eine „autonome Entscheidungsfindung“ attestieren und eine psychische Erkrankung als Ursache des Sui­zid­wunsches ausschließen. Sterbehilfeorganisationen müssten dem gleichen Beratungskonzept folgen, andernfalls würden sie kriminalisiert.

Dass Suizidwillige ihren Sterbewunsch vor nicht selbst ausgewählten Psych­ia­te­r:in­nen rechtfertigen müssen, könnte die „Autonomie“ der Patienten womöglich aber gar nicht schützen, sondern – im Gegenteil – verletzen.

Denn was passiert, wenn die Psychiaterin, die den Patienten gar nicht näher kennt, zum Schluss kommt, dem Sterbewunsch läge eine Depression zugrunde? Wenn also vorgeschlagen wird, es erst einmal mit Psychotherapie und Pillen zu versuchen? Wenn also an der „Freiverantwortlichkeit“ der Sui­zid­wil­ligen gezweifelt wird? Die begutachtenden Fach­ärz­t:in­nen bekämen zu viel Macht. Eine Beratung schwerstleidender Suizidwilliger sollte immer freiwillig sein.

Die Abgeordneten haben womöglich vor allem hochbetagte Menschen im Blick, die sterben wollen, weil sie völlig eingeschränkt und pflegeabhängig sind, zwar keine großen Schmerzen haben, aber auch keine Lebensqualität mehr verspüren. Diese Suizide aus „Lebenssattheit“ machen nur einen Bruchteil der Fälle bei den Sterbehilfeorganisationen aus, aber es gibt sie. Sie hätten es mit dem Gesetzentwurf schwerer, ärztliche Hilfe beim Suizid zu erhalten. Doch auch die Autonomie dieser Menschen ist zu respektieren. Genau in diesem Sinne hatte das Bundesverfassungsgericht übrigens geurteilt, als es das grundsätzliche Verbot der Sui­zid­as­sis­tenz vor zwei Jahren kippte.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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