Bundestag beschließt Klimaschutzpaket: Weltrettung jetzt per Gesetz
Der Bundestag beschließt das erste deutsche Klimaschutzgesetz. Die GroKo lobt sich, dass es da ist. Der Opposition ist das zu wenig.
„Klimaschutz wird endlich für alle verbindlich“, freute sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). „Mit dem Gesetz wird jedes Ministerium zum Klimaschutzministerium.“ Wenn das trotzdem nicht klappt, „muss das jeweils verantwortliche Ressort mit einem Sofortprogramm reagieren. Das gilt auch für den sozialen Ausgleich: Wenn die geplanten Entlastungen nicht ausreichen, wird auch hier schnell nachgesteuert“, sagte Schulze.
Das KSG schreibt nicht nur eine CO2-Minderung von mindestens 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 fest. Auf dem Weg dorthin bekommen auch einzelne Ministerien wie etwa Verkehr oder Bauen für jedes Jahr Minderungsziele gesetzt, die von unabhängigen Experten überprüft werden sollen. Ein Emissionshandel soll den CO2-Ausstoß aus dem Verkehr, den Gebäuden und der Landwirtschaft steuern und senken, allerdings mit anfangs niedrigen Preisen und erst ab 2026 als echter Handel – was die Opposition scharf kritisierte.
Um ihre Klimaziele mit einem nur geringen CO2-Preis und praktisch ohne Verbote zu erreichen, verlegt sich die Koalition auf ein Bündel von Maßnahmen, etwa Subventionen von E-Autos, neue Heizungen, Gebäudedämmung oder billigere Bahntickets, die bis 2023 insgesamt 54 Milliarden Euro kosten sollen. Das Gesetz schreibt auch zum ersten Mal fest, dass Deutschland bis 2050 „treibhausgasneutral“ sein muss – also nicht mehr CO2 in die Luft bläst, als es etwa durch Wälder bindet.
Anton Hofreiter, Grüne
In der Debatte im Bundestag ging es teilweise hoch her. Laute Zwischenrufe, demonstratives Lachen und lautes Stöhnen der Abgeordneten wechselten sich mit wütendem Protest aus der AfD-Fraktion ab. Die Redner der Koalition betonten den „Riesenschritt“, dass es nun endlich ein solches Gesetz gebe. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch, einer der Architekten des Gesetzes, drohte, dass „sich jeder Minister vor dem Parlament rechtfertigen muss, wenn er sich nicht an die Ziele hält“ – allerdings als die zuständigen Minister für Verkehr und Bauen noch nicht da waren. Andreas Jung, auf der Unionsseite treibende Kraft hinter dem Gesetz, sagte: „Wir nehmen ernst, was die Wissenschaft sagt und die Menschen erwarten.“
Das sieht die Opposition ganz anders. Marc Bernhard von der AfD monierte, die Regierung habe „keine Ahnung, wie viel CO2 das Gesetz einspart und was eine gesparte Tonne kostet“. Der Klimaexperte der Linken, Lorenz Gösta Beutin, forderte die Regierung auf, bei Energiewende und Klimaschutz „auf ihre eigenen Experten zu hören“, die mehr Ausbau von Ökostrom forderten. Mit der Verschärfung der Auflagen für Windstrom „vernichten Sie Arbeitsplätze. So werden Sie die 2030-Ziele nicht erreichen!“, meinte Beutin.
Die FDP nannte die Regelungen im Klimapaket „nutzlos und teuer“, weil es für die ersten Jahre keinen richtigen Emissionshandel vorsehe und nicht kläre, welche „Sofortmaßnahmen“ greifen sollten, wenn ein Ressort die Ziele verfehle: „Wird dann in den Schulen die Heizung runtergedreht?“, fragte der Abgeordnete Frank Sitta, „Kommen autofreie Sonntage oder wird Biofleisch verboten?“
„Im besten Fall ungenügend, im schlimmsten Fall kontraproduktiv“ nannte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter das Gesetz. Die Maßnahmen seien sozial ungerecht, der geplante Emissionshandel verstoße wahrscheinlich gegen die Verfassung. „Echter Klimaschutz geht nur gegen diese Regierung oder an dieser Regierung vorbei“, rief Hofreiter als Chef einer Partei, die über die Länder an manchen Punkten des Gesamtpakets mitzubestimmen hat.
Wie lange ein Klimaschutzgesetz schon auf sich warten lässt, erwähnte am Schluss der SPD-Parlamentarier Klaus Mindrup. Er zitierte Forderungen von SPD, Grünen und Linken nach einer ähnlichen Regelung, wie sie jetzt getroffen wurde – und zwar aus dem Jahr 2010. Neun Jahre und etwa 8 Milliarden Tonnen CO2 aus Deutschland später ist ein solches Gesetz nun endlich da.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen