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Bundesregierung uneins über CO2-SteuerKlimarettung frühestens im Herbst

Das Klimakabinett der Regierung kann sich nicht auf einen CO2-Preis einigen. Am 20. September soll es aber soweit sein.

„Wir haben noch viel Arbeit vor uns“, sagt SPD-Umweltministerin Svenja Schulze Foto: dpa

Berlin taz | Ohne konkrete Beschlüsse hat sich das sogenannte Klimakabinett am späten Donnerstagabend in Berlin vertagt. Die Bundesregierung debattiert über die Einführung eines CO2-Preises und weitere Maßnahmen, um die selbstgesteckten Ziele des Klimaschutzes zu erreichen.

„Es ist sehr deutlich geworden, dass wir in den nächsten Wochen noch viel Arbeit vor uns haben“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach der Sitzung. Dem Klimakabinett, einem Ausschuss der Regierung, gehören unter anderem die Minister*innen für Inneres, Umwelt, Bau, Landwirtschaft, Verkehr, Wirtschaft und Finanzen an. In den kommenden zwei Monaten sollen nun die Staatssekretär*innen versuchen, Fortschritte zu erzielen. Bei der nächsten Sitzung am 20. September will die Regierung nach bisheriger Planung „Eckpunkte für ein Maßnahmenpaket“ beschließen.

Voraussichtlich am 16. September fasst die Union einen Beschluss zum Thema. Dieser Termin liegt kurz nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. So will man die umstrittene Verteuerung von Benzin und Diesel, die Berufspendler betrifft, aus dem Wahlkampf heraushalten.

Schulze hat für eine höhere und einheitliche Steuer auf den Kohlendioxid-Ausstoß fossiler Brennstoffe plädiert. Die Einnahmen will sie als Klimaprämie an die Bürger*innen zurückzahlen. Noch am Donnerstag vor dem Klimakabinett hatte die Ministerin gesagt, man müsse die Luftverkehrsabgabe erhöhen, um das Fliegen zu verteuern.

CO2-Bepreisung „ziemlich sicher“

Einige Politiker der Union wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier sprachen sich in den vergangenen Wochen gegen die Steuer aus und präferierten den Emissionshandel. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte vor der Sitzung, er sei „ziemlich sicher“, dass man im Herbst eine Form der Bepreisung von Kohlendioxid (CO2) beschließen werde.

Vor allem geht es um die Emissionen des Autoverkehrs, der Gebäude und der Landwirtschaft. Diese sind bisher kaum gesunken. Wissenschaftliche Gutachter*innen hatten kürzlich die unterschiedlichen Formen höherer CO2-Preise analysiert.

Im Auftrag von Schulze empfahl unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Steuer-Lösung. Die Wirtschaftsweisen, beauftragt vom Bundeskanzleramt, neigten dagegen eher zum Emissionshandel. Mineralölkonzerne müssten dabei Verschmutzungszertifikate kaufen, deren Kosten sie den Verbraucher*innen in Rechnung stellen. Die wissenschaftlichen Berater*innen des Bundeswirtschaftsministeriums plädierten für eine Kombination beider Ansätze.

„Die Regierung muss jetzt die Geschwindigkeit erhöhen“, sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Entscheidend ist, dass wir bis Anfang nächsten Jahres einen wirksamen CO2-Preis bekommen, mit dem Deutschland schnell Kurs auf die Klimaziele nimmt.“

Die bisherige Untätigkeit der Regierung werde dazu beitragen, dass in der nächsten Zeit mehr Teilnehmer*innen zu den Friday for Future-Demonstrationen kämen, prognostizierte Martin Kaiser von Greenpeace. An diesem Freitag nimmt Greta Thunberg, die schwedische Initiatorin, an einer solchen Veranstaltung in Berlin teil.

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16 Kommentare

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  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Ich denke, dass die Grünen in einem Jahr wieder da stehen werden, wo sie bei der Wahl 2017 standen, bei 9%.

  • Deutschland kann das Klima in keinster Weise beeinflussen, da wir nur ca. 2,2% am CO2 Ausstoß Weltweit verursachen. Es ist auch so, dass die großen Länder wie China, Indien, Amerika ständig mehr ausstoßen. Es bleibt aber, dass wir mit gutem Beispiel voran gehen. Schade nur, dass niemand scheinbar weiß, dass CO2 der Baustein des Lebens ist und die Natur ergrünt wenn das CO2 steigt.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    In der Klima- und Umweltdebatte steckt zu viel moralischer Zeigefinger und zu wenig fundierte Ursachenanalyse.

  • Klimarettung? Und natürlich nur mit neuem Geld? Wir zahlen doch schon genug für die Umwelt. Beim Strom. Beim Sprit. Überall wurden wir für die Umwelt schon abkassiert. Und nichts geschah. Und es wird auch mit einer neuen Steuer nichts geschehen. Verpufft wie üblich.

  • Sorry, aber die Vorstellung, Mehreinnahmen im Bundeshaushalt durch eine neue Abgabe, könnten der Umwelt irgendwie zugute kommen, ist doch an Naivität kaum noch zu überbieten.

  • Herbst ist eine gute Zeit. Dann wird es spätestens zu Weihnachten kühler.

    • @C.O.Zwei:

      Das kommt daher, weil es dann nachts kälter ist als draussen.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Herbst! Gottseidank wurde nicht das Jahr genannt! Gemeint ist natürlich Herbst 2525 (In the Year 2525!)! Also auf keinen Fall früher. Erst wenn das letzte Betriebsmittel abgeschrieben ist, der letzte Ferienflieger gestartet ist, die letzten Kreuzfahrtschiffe ausgeflaggt sind, der letzte SUV mit 3.0 TDI-Motor ausgeliefert wurde und der/die einmillionste RadfahrerIn durch einen rechtsabbiegenden LKW mit Verbrennungsmotor verstorben ist - dann, erst dann startet unsere Regierung mit dem Kampf gegen das Klima. Und sie wird gewinnen!

  • In China sollen viele Zeitungen berichten, dass Deutschland erst im Herbst das Klima retten will. Jetzt werden die Chinesen langsam ungeduldig. Auf Massendemonstrationen fordern die Menschen in China, dass man dem deutschen Vorbild folgen soll. Mit deutschem Tränengas werden die Demos aufgelöst. Und das alles wegen einer Headline in der taz.

  • Ohje, die CO2-Steuer ist DIE Klimarettung.



    Bei der geringen und indirekten Lenkungswirkungist das doch sehr zweifelhaft.



    Zum Glück gibt es ja auch wenn das erkannt werden wird noch effektive rregulatorische Maßnahmen.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Zusätzliche Steuern haben keine bzw. kaum regulierte Umwelteffekte. Ein bisschen mehr Sachverstand würde der SPD gut zu Gesicht stehen.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Und im September wird nochmals vertagt, weil man ja auch die Landtagswahlen in Thüringen

    "aus dem Wahlkampf heraushalten"

    will. Danach und zumindest demokratisch legitimiert, könnten sich ganz andere Optionen anbieten.

    Ansonsten, gern zugestanden, halte ich die ganze Diskussion um eine jetzt (neudeutsch) sogenannte CO2-Abgabe eh' für operative Hektik mit viel zusätzlichem Verwaltungsaufwand, jedoch ohne auch nur die geringste realpraktische Relevanz.

    Einfach die Benzin- und Dieselsteuer (auch Heizöl) erhöhen, sowie Kerosin (Flugbenzin) richtig besteuern, vielleicht auch das Dienstwagenprivileg etwas einschränken, das hätte ohne größeren Verwaltungsaufwand und verbrämte sprachliche Überhöhung den gleichen Effekt

    Mit dem gebetsmühlenartig wiederholten Appell an das gute Klimagewissen wird weiter nach oben umverteilt, denn wer mehr als das Lebensnotwendige hat, den jucken die in Rede stehenden Beträge eh' nicht;

    zahlt vielfach gar die Company ...

    • 8G
      86970 (Profil gelöscht)
      @90857 (Profil gelöscht):

      "Einfach die Benzin- und Dieselsteuer (auch Heizöl) erhöhen, sowie Kerosin (Flugbenzin) richtig besteuern, vielleicht auch das Dienstwagenprivileg etwas einschränken, das hätte ohne größeren Verwaltungsaufwand und verbrämte sprachliche Überhöhung den gleichen Effekt".

      Natürlich haben Sie Recht. Aber Effekt? Will die Regierung denn überhaupt einen "Effekt"? Ich bin sicher: NEIN, denn sonst hätte sie längst Maßnahmen ergriffen, die einen messbaren Effekt hätten. Haben sie aber nicht, und werden sie mit Sicherheit auch nicht. Und daraus darf man sein Schlüsse ziehen.

      Es geht der Regierung beim Thema "Klima" ausschließlich darum, eine gefällige Pose einzunehmen und niemandem wehzutun. Wer ernsthaft damit rechnet, dass unsere Regierung jemals irgendeine Reduzierung erreichen wird, wird bitter enttäuscht werden.

      Wenn "das Volk" wirklich einen Effekt will, wird es das schon selber übernehmen müssen. Boykott von Flugreisen wäre mal ein Anfang. Gerne auch Tankstellen etc. Hört man etwas davon? Nee, auch nicht.

      Was uns zu der Frage führt: will überhaupt jemand *ernsthaft* eine CO2-Reduzierung und dafür auf irgendwas verzichten?

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @86970 (Profil gelöscht):

        "*ernsthaft*"

        Auch die propagoerte neugrüne Politik richtet sich ausschließlich nach den "Gesetzen" des Marktes, der Rest sind bunte Glasperlen für das gemeine Volk.

        Oben hatte ich beispielsweise Einschränkungen beim Dienstwagenprivileg genannt; hatte selbst einen (Mittelklasse) incl. Tankkarte nebst Privatnutzung - und habe mich gefreut, dass mir die Allgemeinheit das Fahrzeug weitgehend finanziert.

        In dem Zusammenhang sei auch ein (Blasphemie?) Tempolimit auf Autobahnen genannt, was ja primär die auf unser aller Kosten zügig unterwegs seienden Nutzer großvolumiger Fahrzeuge betreffen dürfte;

        außerdem ein unrühmliches, unseliges Alleinstellungsmerkmal in Europa (gar auf der ganzen Welt?) darstellt.

  • Was für ein erbärmliches Spiel die Regierung seit nun 15 Jahren mit uns spielt: Da werden regelmäßig irgendwelche großspurigen "Klimaziele" beschlossen und verkündet.



    Und statt dann einen Plan zu machen, wie man dieses Ziel erreicht, werden alle verfügbaren Optionen wie beim Tontaubenschießen einzeln in Stücke geschossen.



    Tempolimit? Lieber nicht, es gibt ja so viele andere Möglichkeiten.



    Höhere Benzinpreise? Brauchen wir nicht, es gibt ja so viele andere Möglichkeiten.



    Erneuerbare Energien? Können wir ausbremsen, es gibt ja so viele andere Möglichkeiten.



    Zertifikate, die auch was bewirken? Brauchen wir nicht, es gibt ja so viele andere Möglichkeiten. (die aktuelle Variante, wo dauernd neue Zertifikate gedruckt werden, ist albern und wirkungslos. Die Menge müßte begrenzt sein und im Einklang mit Einsparzielen reduziert werden).



    Kohleausstieg? Brauchen wir nicht, es gibt ja so viele andere Möglichkeiten (die "Entscheidung", das irgendwelche Nachfolger in 20 Jahren irgendwas machen sollen, ist keine Entscheidung. Wie man schon am Atomausstieg gesehen hat, der von Rot-Grün beschlossen und von Frau Merkel rückgängig gemacht wurde. Bis Fukushima jedenfalls: drei Kehrtwenden in gut zehn Jahren).



    Jetzt wird also die CO2-Steuer verhindert (oder zur Unkenntlichkeit verwässert).

    Es wäre an der Zeit, das die Regierung sagt, was sie denn nun machen will, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

  • Ich glaube eher, dass da welche keine Lust haben, sich ihre Wahlergebnisse noch mehr als nötig verhageln zu lassen.

    btw



    Die Überschrift hat angesichts der Weitwirkung der CO2-Steuer Postillion-Niveau. Lacher am Rande. Laut RedaktionsNetzwerk Deutschland hat Frau Schulzes Ministerium schon jetzt dieses Jahr 1 740 Inlandsflüge der Beschäftigten zu verantworten. Wein und Wasser.