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Bundesregierung und das Olympia-AttentatGeld öffnet keine Akten

Aaron Wörz
Kommentar von Aaron Wörz

Die Bundesregierung sagt den Familien der Opfer des Olympia-Attentats von 1972 Entschädigungen zu. Ist das der Beginn einer echten Aufarbeitung?

Das Versagen der deutschen Behörden ist noch nicht restlos aufgearbeitet Foto: Heinz Gebhardt/imago

D ie Erleichterung muss groß gewesen sein am Mittwoch. Die offizielle Bestätigung, dass die Familien der Opfer des Olympia-Attentats sich mit der Bundesregierung auf eine Entschädigung einigen konnten, war nur wenige Minuten alt, da bekundeten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, SPD-Innenministerin Nancy Faeser und Re­gie­rungs­po­li­ti­ke­r:in­nen ihre Freude über das Ergebnis der wochenlangen Verhandlungen. Zwischen den Zeilen konnte man vor allem eins erkennen: die Entkrampfung, gerade noch rechtzeitig einen diplomatischen Eklat verhindert zu haben.

Denn ohne eine Einigung mit den Angehörigen wollte auch der israelische Präsident Jitzchak Herzog nicht nach München reisen. Der Bundesregierung blieben fünf Tage bis zur prominent besetzten Gedenkveranstaltung am 50. Jahrestag des Attentats. Die Festzelte auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck, wo die missglückte Befreiung von neun israelischen Geiseln 1972 in einem Blutbad endete, waren bereits aufgebaut, die Reihenfolge der Red­ne­r:in­nen­lis­te festgelegt.

Ein würdiges Erinnern ohne die Anwesenheit derer, die bei der Geiselnahme ihren Vater, Ehemann oder Bruder verloren, wäre befremdlich gewesen und ein Armutszeugnis für das einladende Innenministerium. Zwar wurde dieses Szenario abgewendet – wirklich überzeugend wirken die finanziellen Zugeständnisse und das Versprechen einer neuen Aufarbeitung angesichts der Last-Minute-Einigung nicht.

Die Angehörigen der Opfer mussten erst mit einem Boykott der Gedenkveranstaltung drohen, damit sich die Bundesregierung ihren Forderungen annäherte. Dabei hatte die Ampelregierung im Koalitionsvertrag versprochen, den Umgang mit Hinterbliebenen von Terroranschlägen „empathischer und würdiger“ zu gestalten.

Seit einem halben Jahrhundert kämpfen die Familien für eine lückenlose Aufklärung. Sie haben jedes Recht darauf zu erfahren, was bei der missglückten Befreiung der von palästinensischen Terroristen entführten Sportler wirklich geschah. Noch immer kommen neue Details ans Licht, die das Versagen der Sicherheitsbehörden dokumentieren. Kürzlich fanden His­to­ri­ke­r:in­nen in den Akten des Staatsarchivs München Belege, dass die Polizisten beim Versuch der Befreiung versehentlich aufeinander schossen. Man kann nur hoffen, dass die von der Bundesregierung angekündigte deutsch-israelische Kommission aus His­to­ri­ke­r:in­nen für ihre Analyse Zugang zu allen, also auch zu den bislang unter Verschluss gehaltenen Akten erhält.

Denn die Forderungen der Hinterbliebenen beziehen sich nicht allein, wie gerne hervorgehoben, auf einen rein finanziellen Ausgleich. Ihnen geht es um die Anerkennung von Schuld und um ein angemessenes Gedenken. Bis heute tun sich damit nicht nur die politischen Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen in Berlin schwer: In München wurde erst 2017, 45 Jahre nach dem Attentat, eine Gedenkstätte im Olympiapark eröffnet. Eine jährliche Gedenkfeier in der Landeshauptstadt gibt es nicht.

Dafür eine im kleinen Fürstenfeldbruck, organisiert von Landrat Thomas Karmasin und einem historischen Verein. Der Landkreis war es auch, der zum 40. Jahrestag des Attentats erstmals die Überlebenden der israelischen Olympiamannschaft nach Deutschland eingeladen hatte. Lo­kal­po­lit­ike­r:in­nen und engagierte Bür­ge­r:in­nen halten das Erinnern an das Attentat lebendig.

Das 50-jährige Gedenken am Montag ist eine traurige Gelegenheit für die Bundesregierung, sich zum ersten Mal bei den Angehörigen der Opfer zu entschuldigen. Neben der Einigung auf eine Zahlung von 28 Millionen Euro für die Angehörigen folgen genug Gelegenheiten, den Willen zur Aufklärung weiter zu beweisen. Im Jahr 2026 verlässt die bislang dort beheimatete Luftwaffe der Bundeswehr den Flugplatz in Fürstenfeldbruck.

Ginge es nach Thomas Karmasin, soll auf einem Teil des Geländes ein begehbarer Erinnerungsort an das Attentat entstehen. Dafür müsste der Landkreis das Grundstück kaufen – doch das Geld fehlt. Karmasin hat Bundeskanzler Olaf Scholz einen Brief geschrieben und die Regierung um Unterstützung gebeten. Eine Antwort hat er bis jetzt noch nicht bekommen.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Deutschland ist ja Weltmeister darin, wenn es um das Nicht-Auszahlen von Entschädigungen geht. Aber das Geld, dass die Opfer hätten sofort kriegen sollen wurde lieber in den Kreislauf der Wirtschaft gesteckt. Es müssen 50 Jahre vergehen und zerstörte oder verstorbene Generationen geben, bis endlich mal Gerechtigkeit herrscht.

  • Man kann es offensichtlich nicht oft genug sagen: Die Deutschen waren 1972 N-I-C-H-T die Terroristen. Schön wäre es, wenn dass endlich sowohl die Autoren als auch die Leser-Kommentatoren zur Kenntnis nehmen und auch berücksichtigen würden.

    • @rolf -berlin:

      Nach den Einlassungen des lokalen Münchener Sicherheits-Experten Schreiber gehörten Flugzeugentführungen, also Kidnapping, zur Tagesordnung der sog. 'Informierten Kreise' und der Dienste, nur hier in der weltoffenen BRD war Ahnungslosigkeit Trumpf. Das darf auch kritisch hinterfragt werden, denke ich.



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      www.dw.com/de/m%C3...utbad/a-40366228//

      • @Martin Rees:

        Schade, Sie haben meinen Kommentar ja gar nicht gelesen (oder verstanden?). Möchten Sie da noch mal einen Blick drauf werfen? Es ging nicht darum, dass sich Deutschland damals mit Ruhm bekleckert hat, sondern um die Tatsache, dass wir nicht die Terroristen sind, aber ich wiederhole mich.

  • Ich hatte letztes Jahr Gelegenheit mit Godel Rosenberg (Pressesprecher von Franz Josef Strauss ) zu sprechen.



    War sehr aufschlussreich hinsichtlich des Versagens der Polizei und der zuständigen Behörden. Deshalb sofort alle Akten öffnen.

    • @Klempner Karl:

      FJS soll in Fürstenfeldbruck im Tower gewesen sein, in welcher Funktion ist unklar. Die zwei israelischen Experten waren sehr erstaunt über die deutsche Polizei. Sie wurden offenbar auch weitestgehend ignoriert, leider.

  • Wer die Zeit mitbringt und Interesse hat an einem wirklich sehr guten, mehrteiligen Beitrag zu diesem Thema: Meine Empfehlung ist eine Aufarbeitung der Ereignisse durch authentische Zeitzeugen, von der Journalistin Patrizia Schlosser, der Tochter eines beteiligten Polizisten, professionell allen zugänglich gemacht. Sie begleitet ihren Vater auf einer Reise in die Vergangenheit.



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    Titel: Himmelfahrtskommando - Mein Vater und das Olympia-Attentat//



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    Vom BR, als Podcast abrufbar, unterhaltsam wegen neuer Fakten und plausibler Erklärungen zur Frage der Schuld. Hier von mir ein ausdrückliches Lob in dieser heiklen Angelegenheit für den ÖRR.

    • @Martin Rees:

      Nur Podcast oder auch schriftlich? Wenn ja, wo? Danke sehr!

      • @FullContact:

        www.zeit.de/campus...ergrund-raf-buch//



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        Ob es darüber (München 72- Aufarbeitung) "abgetippte" Protokolle gibt, weiß ich nicht. Die Autorin ist gewiss gewillt, allen zu helfen, die sich interessieren. Beim Bayerischen Rundfunk gibt's vielleicht mehr. Der ÖRR hat Informationspflicht, aktuell etwas verschärft mit Boost. Der Podcast ist auch ein Hörfunkereignis, ich war geflasht.